Feldpostbriefe (10)

Der Erste Weltkrieg Dies ist ein Blick auf einen Vorfahren, den ich nie kennen lernte und dessen Leben fast exemplarisch für den Beginn des "Jahrhunderts der Extreme" (Eric Hobsbawm) ist

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ein letzter Brief und Blicke in die Zukunft

Die Novemberrevolution hat stattgefunden. Den Friedenssschluss erlebt Hauptmann Loeper in Brüssel. Die Schuldigen hat er auch schon ausgemacht. Der Pöbel, die Offiziere der Etappe und die Juden. Ein letztes Mal schreibt er an seine Frau.

Ich verabscheue die Republik

Brüssel, 12. November 1918

Die Bedingungen des Waffenstillstandes sind unterzeichnet, der Dornenweg beginnt. Der Fremdling wird den heiligen Boden des Vaterlandes besetzen. Wo das verkommene Gesindel des ehemals deutschen Heeres ehrlos weicht ziehen die Franzosen klingenden Spiels und mit wehender Trikolore ein. Wir müssen noch in Brüssel aushalten, uns den Jubel ins Gesicht schreien lassen, vielleicht noch Straßenkämpfe bestehen.

Der hier gebildete Soldatenrat besteht aus Pöbel und Juden. Er ist lächerlich hilflos und lässt die Offiziere alles machen, ein ekles Karnevalspiel. Truppen ziehen mit der roten Fahne, Offiziere haben sich die Achselstücke abgemacht und rote Lappen angehängt, verraten Gott und Vaterland. Die ganze menschliche Erbärmlichkeit läuft auf der Straße. Manche gehen einfach nach Deutschland, Soldaten verkaufen Waffen, Pferde, Autos an die Belgier. Die wenigen Friedensoffiziere sind machtlos. Man grüßt uns nicht mehr.

Ich schäme mich, auf die Straße zu gehen. Mein Bataillon ist noch voll Zug. Es wird Leibwache des Divisionsstabes. Angriffe des Pöbels haben bereits stattgefunden, sind aber abgeschlagen. Die Frontsoldaten sind im allgemeinen gut, die Etappe, (Schieberkriegsoffiziere, Juden usw.) hat völlig versagt und den Kopf verloren. man könnte den ganzen Putsch hier niederschlagen, wenn dann nicht die Eisenbahnorganisation aufhören würde! Wir sind das ekelhafteste Volk unter der Sonne, und ich schäme mich ein Deutscher zu sein.

Was soll aus mir werden

Es wird sehr schwer halten, wieder Ordnung in die Massen zu bringen.

Alle alten Offiziere werden nach dem Kriege gehen Was soll aus mir werden? Um etwas Neues anzufangen, bin ich doch zu alt. Vielleicht tritt noch eine Wendung zum Besseren ein. Ich verabscheue die Republik, mein Herz ist preußisch und königstreu und wird es bleiben bis zum letzten Atemzug.

Soweit konnte es mit uns nur kommen, weil die Elenden, Juden , Schieber, Schreier daheim vier Jahrelang den Geist des Heeres untergraben haben.

Ich habe Deine Post, Liebste, bis zum 5., aber von hier geht nichts fort.

12. November, abends,

Morgen früh fährt das Personal des Generalgouvernements ab, ich will diese Zeilen jemand mitgeben und hoffe, dass sie ankommen. Wir bleiben noch einige Tage in Brüssel und rücken dann ab.

Auf Wiedersehen, mein Liebling, und tausend Küsse von

Deinem tief erschütterten Mann.

Von der Generation der

„Betrogenen“ zum „Goldfasan“

Als der preußische Hauptmann Loeper aus dem Krieg zurückkommt, fühlt er sich wie viele in gleicher Situation zutiefst in seinen Überzeugungen gekränkt und verunsichert. Er schließt sich bald den Freikorps an, die 1919 im Baltikum gegen die Truppen Sowjetrusslands kämpften. Auch an der Niederschlagung des Spartakusaufstande ist er beteiligt.

Später geht er zur neu gegründeten Reichswehr und wird Lehrer an der Pionierschule in München. Dort begegnet er Adolf Hitler und schildert diese Begegnung mit hoher Theatralik: „Ich war zu leidenschaftlich und empfand den Schmerz über den Zusammenbruch meines Vaterlandes zu tief, als daß ich nicht aus meinem soldatischen Tagewerk heraus immer wieder den Horizont absuchen musste, an dem ich das Gestirn suchte, das doch einmal wieder über Deutschland leuchte müsse. Da traf ich Adolf Hitler.“

Hitler scheint die Hoffnung für jene, die sich gedemütigt fühlen und die „Dolchstoßlegende“ brauchen, um dieses Gefühl zu ertragen.

Er wird einer der ersten „Kampfgenossen“, nimmt Teil am Putsch von 1923, dem „Marsch auf die Feldherrnhalle“. Er wird aus der Reichswehr entlassen, geht zurück nach Dessau und „trommelt“ dort für die NSDAP. Als die Nazis 1933 die Macht übernehmen, wird er – die lange „Treue“ wird entgolten - Reichsstatthalter von Sachsen-Anhalt und später auch von Braunschweig, ein „Goldfasan“, wie die mit Pfründen bedachten Militärs damals spöttisch genannt wurden. Er treibt den Bau des Theaters weiter voran. Er bekämpft die Bauhausbewegung in Dessau und beteiligt sich begeistert am ersten Judenboykott am 1. April 1933 kurz nach der „Machtübernahme“.

Begegnung zwischen

Vater und Tochter

Im Jahr 1934 - ein einziges Mal in ihrem Leben – hat meine Mutter ihren Vater in Dessau aufgesucht. Er hat ihr erklärt, warum er ihre Mutter nicht heiraten konnte und ihr eine Stelle besorgt im nahen Leipzig Dafür war sie ihm – obwohl selbst eine strikte Nazi-Gegnerin – Zeit ihres Lebens dankbar. Als er im Jahre 1935 starb, war die gesamte Nazi-Elite an seinem Grab versammelt und Hitler hielt die Grabrede.

Ein Lebenslauf, der deutlich macht, aus welchem Holz die Männer waren, die sich für Hitler entschieden. Man sagt über ihn, selbst der „Führer“ sei von der Härte des Hauptmannes erschreckt gewesen.

(Schluss)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden