Feldpostbriefe (2)

Der Erste Weltkrieg Dies ist ein Blick auf einen Vorfahren, den ich nie kennen lernte und dessen Leben fast exemplarisch für den Beginn des "Jahrhunderts der Extreme" (Hobsbawm) ist.

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Der 1. Teil steht hier

2. Vorspruch

Die Wilhelminische Ära –von
der „Gemütlichkeit“ zur Härte

Was die Eltern meiner exzentrischen Großmutter zu dem Familienzuwachs gemeint haben, ist leicht auszumalen. Und wie die Eltern des jungen Wilhelm Friedrich L. auf die Eskapaden eines Sprösslings, der ein Kind mit einer zweifelhaften Person vom Theater zeugt, reagierten, liegt ebenfalls nahe.

Eine Apothekerfamilie aus Rosslau, wohlanständig, wohlhabend war vermutlich entsetzt über die Unbekümmertheit und Unerfahrenheit des Sohnes. Gab es Vorwürfe oder konnten die Eltern sich arrangieren. Bezahlten sie die Kosten? Merkwürdig ist es schon, dass der Sohn eines Apothekers von seinem Vater, der auch aus beruflichen Gründen über viele Dinge, die im Kaiserreich nicht öffentlich beredet wurden, Bescheid gewusst haben muss, keinen Hinweis auf Verhütungsmöglichkeiten bekommen hat.

Die Kaiserzeit war nicht nur eine Epoche doppelter Moral, sondern ständiger undeutlicher, doppeldeutiger, politischer Signale. Das hatte auch mit des Kaisers schwieriger Persönlichkeit zu tun.

Zeitgenossen und Historiker konstatieren für die Wilhelminische Ära bis 1914 vorrangig ein Klima deutscher Gemütlichkeit.

Aus den Zeitenfernen bildet dennoch der Marschtritt die martialische Grundierung der vordergründigen Idylle. Wir wissen heute schrecklich besser und grausam genauer, wie schnell das deutsche Streben nach mehr Macht und Einfluss in einen Krieg mündete.

Der Eulenburg-Skandal

Der Eulenburg-Skandal im Jahre 1907 – die politisch peinliche Debatte darum, ob Kaiser Willhelm II. nicht mit zu vielen „weibischen“, weichen und schöngeistigen Spinnern verkehrte – erschütterte das Reich und ganz Europa. Mit Philipp Fürst zu Eulenburg-Hertefeld, einem Diplomaten, Schöngeist und Salonkünstler hatte der Monarch die einzig wirkliche Freundschaft geschlossen. Der nutzte diese Freundschaft allerdings zu massiven politischen Intrigen und Einflussnahmen. Die Anschuldigungen des politischen Publizisten Maximilian Harden gegen ihn und die kaiserliche Kamarilla, die alle in den Verdacht der Homosexualität brachten, erschreckten die Schwärmer. Es ging Harden damals wohl nicht darum, Homosexuelle zu denunzieren, aber darum, Männer als Politiker zu vernichten, die – aus seiner damaligen Sicht - zu weich waren, „im Notfall das Schwert“ zu ziehen. Im Jahre 1908 wurde ein Prozess gegen Eulenburg wegen Meineids vor dem Berliner Landsgericht eröffnet. Er hatte beschworen, keine homosexuellen Beziehungen unterhalten zu haben. Es fanden sich jedoch zwei Männer, die bezeugten, vor 20 Jahren mit ihm solche unterhalten zu haben. Willhelm II. ließ seinen langjährigen Freund und Vertrauten sofort fallen.

Der Marschtritt
gibt den Takt vor

Bald begann statt der berühmten „Rosenlieder“ Eulenburgs die Marschmusik deutlicher den Takt vorzugeben. Die „weichere“ Seite der wilhelminischen Zeit wurde verdrängt durch martialische Bilder.

War vieles, was mit Militär zu tun hatte, bis dahin eher vom Geist der Sportlichkeit und technischer Faszination bestimmt gewesen, ging es jetzt deutlicher um Krieg und Eroberung.

Im Ideal vom harten Mann habe sehr viel aufgeblasene Rhetorik gelegen, meinen Historiker. Die kaisertreuen Bürger seien dem Wohlstands-Bundesbürger in der Bundesrepublik der fünfziger Jahre ähnlicher gewesen, als den zackigen Offizieren mit den Pickelhauben. Die Blickwinkel sind da sicherlich unterschiedlich.

Schluss mit den
Tändeleien

Im Jahre 1914 aber – da ist er bereit, der pflichtbesessene, deutsche Mann. Auch Wilhelm Friedrich L. Er hatte seine Ausbildung fortgesetzt. Und nun wird bald Schluss sein mit der Tändelei und den Leichtfertigkeiten. Er ist gewappnet der preußische Leutnant: Gegen eventuelle Reizbarkeiten, Schwärmereien Spinnereien und Kunstsinnigkeiten. Jetzt ist er seriös geworden, lässt die unordentlichen Zeiten hinter sich, verlobt sich mit einer jungen Frau, die - nach dem, was bekannt ist - aus seinen Kreisen stammt und den Namen Elisabeth trägt.

Energisch wendet er sich seiner wahren Bestimmung zu. Alles was ab jetzt in seinem Leben geschieht, ist nur noch militärisch-preußisch, hat mit seiner Offizierslaufbahn, mit Krieg und Kampf zu tun. Im Jahre 1912 war er zum Oberleutnant befördert worden. Im Sommer 1914 ist er 31 Jahre alt und führt einen Scheinwerferzug in einem Pionierbataillon, zuständig für die Beleuchtung der Kriegsszenerie und für Sprengarbeiten.

Das "Augusterlebnis"

Das Attentat von Sarajevo erschüttert den Kontinent. Das „Augusterlebnis“, eine überschwängliche Kriegsbegeisterung schlägt auch ihn in seinen Bann. „So muß denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande.“ so hatte der Kaiser am 6. August das Volk zu den Waffen gerufen.

Der Glaube, dass ein solcher Waffengang jetzt schicksalhaft geboten sei, ist auch beim preußischen Oberleutnant L. unerschütterlich. „

Am fünften Tag der Mobilmachung rückt er ein und berichtet seiner Verlobten vom Krieg.

(wird fortgesetzt)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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