Ferdinand de Saussure

Sprachwissenschaft Dieser Tage wurde der 100. Todestag des berühmten Sprachwissenschaftlers Ferdinand de Saussure publizistisch begangen.

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Er wird als Kopernikus der modernen Sprachwissenschaft gesehen, schreibt die NZZ zum Gedenken. Mit ihm vollzog sich der Übergang von der allgemeinen Philologie zur Linguistik und weiter zum Strukturalismus.

Mir fiel bei dieser Gelegenheit allerlei Vergessenes wieder ein. Mit ihm begann mein eigenes Verständnis für die moderne Sprachwissenschaft, das Nachdenken über das Wesen von Sprache und Zeichen und all diese Phänomene, die heute so selbstverständlich genommen und verstanden werden.

De Saussures vier Dichotomien z. B. habe ich damals versucht zu verstehen.
1. lanque - parole (geschriebene und gesprochene Sprache)
2. Synchronie - Diachronie (Sprachzustand gegen Sprachgeschichte)
2. signifiant (geändert nach Hinweis-M.) - signifié (Zeichen und Bezeichnetes)
4. Syntagmatik - Paradigmatik (Aneinanderreihung von Zeichen und Zuordnung zueinander)

Diachronie oder Synchronie

Ich erinnere mich, dass ich die Debatten um die diachronische oder synchronische Herangehensweise an die Sprache als richtiggehend spannend erlebt habe. Mein Hauptfach war die Anglistik und dort spielte sich diese Auseinandersetzung sehr intensiv ab.
Der Vertreter einer diachronischen - also historischen - Herangehensweise war Professor Martin Lehnert, bei dem ich Vorlesungen hörte. Übrigens wird Prof. Martin Lehnert in Klemperers Tagebüchern erwähnt, er war lange Zeit Vorsitzender der Shakespeare-Gesellschaft der DDR. Sein vorrangiges Verständnis von Sprachforschung war das Ergründen der Wurzeln von Worten - der Wortgeschichte - in einer Sprache.

Der andere Pol dieser Auseinandersetzung war Dr. Klaus Hansen - ein Phonetik- und Sprachwissenschaftler - bei dem wir die Lautschrift pauken mussten. Er legte großen Wert auf die synchronische Seite der Sprache, ihren gegenwärtigen Zustand, an Vergleiche verschiedener Sprachstrukturen. Hansen sah auch den Strukturalismus, der sich aus der synchronischen Herangehensweise ergab. Man konnte besser zerlegen und am Ende auch besser zusammensetzen bzw. übersetzen. So habe ich es mir damals zusammengereimt. Ob es gegen diesen "Strukturalismus" auch ideologische Vorbehalte gab, weiß ich nicht, das kann aber sein. Aber dieses Beharren auf sicheren Wurzeln einer Sprache oder einer Sprachgruppe und das "Querdenken" über viele Sprachgrenzen hinweg, das hat mich damals fasziniert. Und dafür war de Saussure einer der Pioniere.

Dr. Hansen hatte es mit seiner Sicht wohl schwer gegen das eher konservative Establishment an der Sektion. Ich habe das alles immer zauberisch-interessant gefunden, ein Gefühl für Sprache hat sich - wie ich hoffe - daraus ergeben. Wissenschaftlichen Ehrgeiz habe ich nicht entwickelt, aber heute dachte ich wieder daran und erfuhr aus der Neuen Zürcher Zeitung, dass de Saussure sein wichtigstes Werk "Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft" nicht selbst geschrieben hat, sondern, dass seine Herausgeber es aus Vorlesungsmitschriften destilliert und publiziert haben.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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