Freitag Salon: Wie sieht's aus mit Rot-Rot-Grün?

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Kann man sich in einem erhitzten Raum überhaupt noch für was erwärmen. Zum Beispiel für die Frage " Kommt 2013 Rot-Rot-Grün?"

Sie bestimmte diesmal das generelle Freitag Salon-Motto: "Beherrscht Euch! Macht und Gegenmacht“.

Das war nicht einfach, denn gerade wird der Gedanke an rot-rot-grüne Bündnisse in den Medien lautstark beerdigt. Genau das war ja neben der Desavouierung Merkels der Zweck der Gauck-Nominierungs-Falle: Die LINKE als Schuldige als kooperationsunfähig und verantwortungslos vorzuführen und einem Rot-Rot-Grün Projekt nachhaltig den Boden zu entziehen.

Darum ging es sehr lange um die Aufarbeitung der Bundespräsidentenwahl, aber so richtig spannend war das nicht mehr. Dass Gauck vordemokratische Wünsche jenseits der Ideologien bedient, mag sein. Es ist hoffentlich bald vorbei damit und man muss wünschen, dass er nicht als eine Art Politikersatzstoff durch diese Republik geistert.

Zurück zu Rot-Rot-Grün. Der Projekt-Begriff zog sich durch die gesamte Debatte, zu der Jakob Augstein den neuen Juso-Vorsitzenden Sascha Vogt, Katja Kipping, die LINKE, und Sven Giegold, der für die Grünen im Europaparlament sitzt, eingeladen hatte. Ein solches Projekt, das mehr meinen will als eine Koalitionsstrategie, hat - das wurde deutlich - in allen Parteien mächtige Gegner. Auch bei der LINKEN selbst.

Augstein erinnerte an den politischen Sog, der Ende der 90er den Gedanken eines rot-grünen Bündnisses zum Projekt gemacht hatte und fragte ob es denn einen solchen Sog überhaupt gebe.

Im Moment gibt’s enorme Risse in der neoliberalen Hegemonie, meinte Kipping, aber eben keine alternative linke Hegemonie. Vielleicht auch deshalb, weil Jene, die Rot-Rot-Grün wollen dauernd über jedes hingehaltene Stöckchen springen: Diese Stöckchen heißen DDR-Vergangenheit und „Unrechtsstaat“ oder – ein besonders großes - Gauck-Nominierung. Das war ein Coup, erklärte Giegold, der in ganz kleinem Kreis ausgedacht worden war und von dem die anderen Parteigremien erst kurz bevor man an die Presse ging, erfuhren. Wie man es sich schon gedacht hatte, Ranküne, taktisches Herumgefummel. Aber auch Sprüche, wie sie Dieter Dehm von der LINKEN abgesondert hat, sind nicht gerade hilfreich, sondern auch ein missglückter Sprung.

Im Grunde geht es, wenn man vorankommen wolle, auch nicht nur um die Parteien allein. Die Gewerkschaften und sozialen Bewegungen müssten mitgenommen werden auf diesem Weg, meinte Sven Giegold und erinnerte sich, dass es eigentlich in der rot-grünen Regierungszeit auch kein wirkliches Projekt gab, sondern Tagespolitik. Und als nach dem Verlust der Bundestagsmehrheit die Chancen weg waren, soziale Veränderungen zu gestalten, habe es wenig Interesse an linken Antworten gegeben, sondern das Schröder-Blair-Papier.

Die Frage nach dem Kitt, der ein solches Crossover-Projekt - von dem Katja Kipping, die dem Institut für Solidarische Moderne (ISM) angehört, sprach - müsste, so Vogt mehr sein als der Robin Hood-Umverteilungsimpetus der LINKEN. Wenn man einen Teil des kritischen Bürgertums mitnehmen wolle, dann sei das zu wenig. Es müsste um alle Bereiche gehen: Wirtschaft-Arbeit-Soziales und Gesellschaftspolitik.

Augstein fragte Katja Kipping, die sich - entgegen der sich in Bündnissen befindlichen "Verwaltungslinken" - eher als "Veränderungslinke" versteht, wie es denn aussieht, wenn die LINKE Macht mit verwaltet. Aber die sieht in der Teilnahme an der Macht ohnehin nicht die einzige Option, Man könne auch aus der Opposition heraus viel bewegen. Und die Politik gibt ihr, wie ich finde, Recht. Viele von der LINKEN aufgegriffene Themen sind breit in der Debatte. Das macht ja die Gegner so unruhig.

Katja Kippingverteidigte hingegen nachhaltig den linken Umverteilungs-Gedanken. Es gehe neben allen Fragen zuallererst um die Armutsbekämpfung - und dies europaweit - mit ganz praktischen Parametern und um die Sicherung der Teilhabe benachteiligter, arbeitsloser Menschen an der gesellschaftlichen Entwicklung überhaupt.

Giegold erinnert hingegen daran, dass die Erweiterung des Kreises derer, die am grünen Projekt teilnehmen, auch die Stärke der Grünen ausmache. Dass Arbeitnehmer, Arbeitgeber, ganz normale Bürger sich beteiligen, dass sie alternativen Strom beziehen, auf faire Preise beim Konsum und auch bei Krediten auf Ethik achteten, sei ein Zeichen dafür. Dass auch konservative Elemente integriert würden, sei ebenfalls von Bedeutung, zum Beispiel der christliche Gedanke von der Bewahrung der Schöpfung.

Schon vorher hatte er im Bezug auf die SPD an die Traumatisierungen, die das rot-grüne Bündnis in Nordrhein-Westfalen unter Clement erlebte, erinnert.

Eine solche Unfähigkeit zur Kooperation und seine willkürlichen Absagen an getroffene Vereinbarungen, das hätte u.a. auch die partielle Hinwendung zur CDU gefördert, die verlässlicher sei.

Augstein, der die Vergangenheit nach Projekt-Beispielen absuchte, erinnerte an das einstmals gescheiterte Stamokap-Projekt. Kipping meinte, historische Wiederholungen würden vielleicht dann nicht nur Posse, wenn sie neue Stufen enthielten.

So sei es heute wichtig, die Energiewende weiterzuführen und sie über das Ökologische hinaus auch mit Eigentumsfragen zu verknüpfen. Oder vom Sozialstaat zum demokratischen Sozialstaat zu kommen, an dem jeder – gleich ob in Arbeit oder ohne – gestaltend teilnehmen kann.

Augstein fragte bei der Gelegenheit konkret nach, was all diese Ideen zum Beispiel für Hartz IV bedeuten würden. Alle waren sich da einig, dass die Regelsätze sich ändern müssten und vor allem die Sanktionspraxis unbedingt aufgegeben werden müsste.

Ein Linkes Projekt müsste sich aber in diesem Zusammenhang vor allem der Frage widmen: Wie organisiert man Arbeit. Umverteilung von Arbeit, Arbeitszeitverkürzung all diese eigentlich bekannten Ideen wären wieder auf dem Bildschirm.

Wie man eine "neue Lehre" ins Bewusstsein bringt fragte Augstein: Gute Gelegenheit auf das Institut für Soziale Moderne zu verweisen, jener von Andrea Ypsilanti und Hermann Scheer ins Leben gerufenen Institution. ISM - die Abkürzung ist nicht ohne Bezug auf die mit Millionen gesponserte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) gewählt.

Diese INSM habe mit einfachen Botschaften die Debatten besetzt, mit Sätzen wie "Sozial ist, was Arbeit schafft" zum Beispiel.

So einfach kann es sich ein linkes Projekt nicht machen: Man müsste immer Zusammenhänge erklären, wenn man glaubwürdig sein wolle. Und das ist – angesichts der in die Köpfe gehämmerten Sätze von den „Schulden, die die Enkel bezahlen müssen“ oder der Rentenfalle oder des Beschwörens der Überalterungsproblematik – eine Sisyphusarbeit.

Angesichts von Augsteins kritischer Anmerkung, es fehlten den Linken einfach die Begriffe, meinte Giegold, immerhin sei - nach 15 Jahren Neoliberalismus der Begriff Sozialstaat nach wie vor favorisiert bei den Menschen.

Ein linkes Projekt auf nationaler Ebene allein sei eigentlich gar nicht mehr möglich, Eher gehe es darum, europaweit handlungsfähig zu werden, meinte Vogt. Allerdings dürfe man mit dem Hinweis auf Europa nicht dauernd die Handlungsunfähigkeit von Politik in den Vordergrund rücken, wie das die Neoliberalen dauernd tun.

Einig waren sich alle am Schluss, dass ein solches Projekt, wenn es ernst wird, enorme Widerstände überwinden muss. Die Realos bei den Grünen haben kein Interesse am Institut für Soziale Moderne. Was ein Sigmar Gabriel für eine Haltung zu rot-rot-grünen Projekten hat, war gerade zu besichtigen.

Man müsse die Gegner eben mitnehmen. meint Giegold. Das ist sicherlich innerhalb der eigenen Parteien partiell möglich, aber die wirklichen Gegner sitzen anderswo.

Ob 2013 Rot-Rot-Grün kommt? Schwer zu sagen, aber kaum zu glauben. Es kommen auf jeden Fall in der nächsten Zeit politisch spannende Zeiten. Soviel ist mal sicher.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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