Fremde in der DDR - meine Erfahrungen

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DDR-Erfahrungen mit Ausländern

Ich bin in Leipzig geboren und aufgewachsen. Die Messestadt galt immer als weltoffen und tolerant. War sie auch. Es gab das bekannte Herder-Institut, an dem ausländische Studenten als erster Schritt in der DDR, Deutsch lernten. Ich habe mal eine Reportage drüber geschrieben. Und als ich - Anfang der 90er Jahre - meinen ersten Auslandsurlaub in Tunesien machte, kam ich in Kontakt mit einem jungen Mann, der in Leipzig sein gutes Deutsch erlernt hatte.

Als ich anfing, auszugehen oder auch durch Bekannte, hatte ich immer mal Kontakte zu den ausländischen Studenten.

Der Mann einer Freundin, ein algerischer Arzt, den der Unabhängigkeitskrieg in die DDR gebracht hatte, war ein sehr progressiver Mensch. Die Algerier waren fast alle ehemalige Angehörige der Befreiungsbewegung, also Leute mit einer revolutionären Weltsicht. In diesen Kreisen feierten wir hin und wieder Feste und ein Freund von Mourad, sang so schön französisch "La feuille mort", dass ich mich in ihn verliebte. Die ausländischen Gäste hatten allerdings untereinander auch so ihre "Rangordnungen". Die Araber, meistens Algerier mochten die Schwarzafrikaner nicht.

Ein eifersüchtiger Bruder

Als mein älterer Bruder mitbekam, dass ich mit ausländischen Männern Kontakt hatte, wurde er mies und fies zu mir. Der pflegte das ganz traditionelle Machobild und wollte mir das auch irgendwann "verbieten". Das war aber völlig sinnlos, weil ich ohnehin nicht auf ihn hörte. Aber an der Art, wie er seinen regulären Ausländerhass artikulierte, wurde mir sofort klar, was da für Konkurrenz ablief.

Immer wieder verschwanden Mädchen aus Leipzig, die sich mit einem Mann aus arabischen Ländern oder aus Schwarzafrika verheiratet hatten. Ein ganzer Teil von ihnen kam wieder - ein bisschen desillusioniert. Andere nutzten die Eheschließung, um dann in den Westen auszureisen.

Die Studentenzeit in Berlin brachte weniger solche Kontakte. Erst durch meine Arbeit beim Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN) hatte ich mit ausländischen Gästen zu tun. Einer - ein Iraker - hat mich die ganzen Tage permanent mit Nachstellungen, Flirtversuchen und Übergriffen in Trab gehalten. Das war furchtbar, vor allem auch deshalb, weil niemand meine Klagen ernstnahm. Man meinte, ich solle mich nicht so haben. Aber das kam selten vor.

Dann kam wieder ein ganz Lieber aus Nigeria. Sehr jung noch und gleich als Erstes ein bisschen krank. Ich durchlief mit ihm alle Stationen der Notaufnahme in der Klinik, rannte mit seinem Urin durch die Gegend und tröstete ihn so gut ich konnte. Aber auch hier gabs Riesenprobleme. Seine Erwartung, er könne eventuell in Europa Fuß fassen, erwiesen sich als trügerisch. Die DDR war kein Sprungbrett, sie stellte auch den hier kurzzeitig lebenden Ausländern kein Visum in den Westen aus. Das war alles verwickelt und ziemlich aufreibend. Aber, wenn mich nicht alles täuscht, ist er Professor für Kommunikation geworden. Ich habe so einen Namen mal ergoogelt und es würde vom Alter und von der Fachrichtung passen.

Ich hatte einen Freund aus Südafrika, Mitglied des ANC. Nach fünf Jahren Einzelhaft litt er an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung. Seither weiß ich, wenn Schwarzen übel wird, werden die ganz grau. Ich stellte ihn meinen Freunden vor und alle mochten ihn.

Er hat mir viel erzählt über sein Leben. Die Beziehung ging auseinander aus Gründen, die mit seiner Herkunft wenig zu tun hatten. An ihn denke ich bis heute oft, vor allem,wenn ich die Entwicklungen in Südafrika betrachte. Und ich denke an den schönen Satz, den er mir manchmal sagte: "I wish you where mine." Wie das zu verstehen ist, weiß nur ich....

Probleme mit der sexuellen

Selbstbestimmung der Frauen

Ich käme nie im Traume darauf, mich irgendeinem Menschen überlegen zu fühlen, habe aber durchaus erlebt, dass Leute aus fernen Ländern sich mir als Frau entschieden überlegen fühlten.

Überhaupt hatten viele Männer aus den meisten Ländern Afrikas und dem Nahen Osten Probleme mit der sexuellen Selbstbestimmung der Frauen in der DDR. Sie sahen in deren offener Art und Bereitschaft zu eventuell auch sexuellen Kontakten eine Art von "Einladung" an jeden Mann.

Und das scheint mir bis auf den heutigen Tag ein Problem zu sein. Allerdings auch eines, bei dem die "einheimischen" Männer ganz schnell entweder zu Rivalen oder Komplizen werden.

Am Verhältnis zu den Frauen aber lässt sich die Fortschrittlichkeit einer Gesellschaft ablesen, sagt Karl Marx und das stimmt bis auf den heutigen Tag auch auf diesem Gebiet.

Ich habe in der DDR sich progressiv und links verstehende Leute erlebt, die die ausländischen Gäste unglaublich betreuten, "betuttelten" und bevormundeten und sich für aufrechte Internationalisten hielten. Als Parolen, als erbauliche Predigten ging das ganz prima, wenn es konkret wurde, zeigte sich auch bei ihnen ebenso Vorurteile, Klischees und Herablassung.

Die europäische Kultur

als bitteres Feindbild

Wir hatten einen freischaffenden Mitarbeiter, der auch aus Südafrika stammte: Eric Singh. Er war mit einer Deutschen verheiratet. Wir hatten immer sehr angeregte Gespräche. Einmal kamen wir ins Streiten, weiß ich noch. Da ging es um die europäische Kultur. Und Eric, sehr verbittert, meinte sarkastisch, von der europäischen Kultur kenne er nur den Whisky und die Syphilis. Seine Frau, die dabei saß, war sehr betroffen und traurig. Wie soll sie sich fühlen, als kulturlos und seine Frau?

Als später die Arbeiter aus Vietnam in der DDR waren, da war öfter dieser Allerweltsslogan zu hören: Ich habe nichts gegen Ausländer, aber die sollen in ihren Ländern bleiben. Damals war ich darüber richtiggehend entsetzt. Mir wurde klar, dass die ganze DDR-Erziehung offensichtlich nicht erreicht hatte, dass es die Völkerfreundschaft nun wirklich gab, die man so gern heraufbeschwor.

Ich habe von meiner Mutter gelernt, Fremdes für interessant und bereichernd zu halten. Wir waren selbst immer ein bisschen Fremde unter Menschen, die jede Normabweichung mit Misstrauen betrachteten.

Ich kann bestimmte Formen von Angst vor Fremden gut verstehen und ich kann überhaupt nicht verstehen, wenn diese Furcht verdrängt, nicht thematisiert wird. Man muss es aussprechen. Allerdings eindeutig und nicht mit der Intention, Spuren zu verwischen oder neue zu legen.

Erst wenn Dinge ausgesprochen sind, kann man sie widerlegen, verlieren sie ihren bösen Charakter und ist die Furcht besiegt, die da herrschen mag.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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