Als die Währungsunion stattfand – vor 25 Jahren - lag ich im Krankenhaus und mein damaliger Lebensgefährte und heutiger Ehemann hatte die ganze Umtauscharbeit. Ich war froh, dass der Aufwand geringer war, als vorher befürchtet, denn weder er noch ich verfügten über viel Geld. Das war schon immer so.
Darum wandten sich vor dem Tag X immer mal Leute an uns, die fragten, ob sie ein bisschen Geld auf unseren leeren Konten parken könnten, damit sie die Geldmenge, die 1: 1 umgetauscht wird, nicht überschreiten. Wir haben das nicht gemacht, weil wir fremdem Geld so wenig Bedeutung beimaßen wie dem eigenen.
Also mein Freund kümmerte sich und ich lag rum und wartete auf die OP. Die war nicht allzu schwer, aber lästig. Außerdem war sie die Gesellenarbeit eines noch jungen Arztes, der – aus Freude über sein Werk – immer wieder mal an mein Bett trat, um die Naht, die er auf meinem Bauch gelegt hatte, zufrieden zu betrachten. Das war nett, aber auch komisch.
Nach einigen Tagen konnte ich aufstehen und hatte das Gefühl, ich sei um 25 Jahre gealtert, so mühsam und krumm kroch ich herum. Heute laufe ich ohne OP-Wunde manchmal so, wie damals zwischen Bett und Dusche.
Dann kam ich 'raus und konnte das neue Geld gebrauchen, aber nur, wenn es gelang, meine Furcht vor Gedränge und Angestoßen werden zu überwinden. Alles tat weh, aber täglich wurde ich wieder robuster und widerstandsfähiger.
Ich kaufte mit dem Westgeld zu Beginn ähnlichen Schrott und Unsinn, wie zuvor mit den Forumschecks, von denen ich hin und wieder einige besessen hatte. Manchmal vergaß ich, dass wir von dem Geld jetzt ja wirklich leben mussten. Aber, dafür kam immer wieder was rein und man musste sich dran gewöhnen, dass man nicht beim kleinsten Minus auf dem Konto zur Verantwortung – bis hin zur Sperre – gezogen wurde, wie früher in der DDR. Man durfte sich verschulden, das war fast erwünscht – eine Gesellschaft, die von Verbindlichkeiten lebt. Verbindlichkeiten waren jetzt Geldsachen.
Irgendwann wurde alles normal. Die Mieten passten sich an, wir aber verdienten ganz gut. Es ging uns nicht schlecht. Die unglaubliche bunte Warenwelt faszinierte mich noch immer und diese Faszination war ohne Sinn und Verstand.
Ich finde heute, dass wir da ein bisschen kindlich waren, was abgeklärte westdeutsche Bürger wohl sehr in ihrem Bild von uns da drüben bestärkte. Egal. Dann machte sich Stefan Heym, der große DDR-Dissident und Schriftsteller, lustig über die DDR-Bürger, die irgendwelchen Tinnef kaufen und dafür große Umwälzungen beeerdigen. Das alles ging mir nach, denn ich war auch gern hinter irgendwelchem Tinnef her und fürchtete mich ein bisschen vor Bärbel Bohley.
Ich erinnerte mich, dass ich Stefan Heym einmal im Intershop gesehen hatte, vor Jahren. Er kaufte dort Whisky, also keinen Tinnef, wie ich mit meinen Billig-T-Shirts und Plastikkram aller Art. Aber, das mit dem Tinnef-Kaufen ging mir schon als Kind so. Ich sah einmal beim beim Friseur im Schaufenster kleine Päckchen, die mir sehr interessant erschienen. Ich kaufte sie und stellte fest, dass es Rasierklingen waren. Ich wusste das nicht, denn in unserem Haushalt war kein Vater. Aber, ich wollte halt wissen, was drin ist.
So ging es mir nach der Währungsunion noch öfter. Es gab soviele interessante Dinge, aber die meisten waren nutzlos. Geschadet hat es mir nicht, denn ich konnte meinen Kinderhang mal ausleben, bis ich feststellte,dass dieses Westgeld jetzt zu einem reinen Zahlungsmittel geworden war, wenig interessant. Man konnte es effektvoll verachten, wenn man sowieso nicht plante, reich zu werden.
Die Wechselwährungs-Erfahrungen machen mich empathisch für die die Träume der Menschen in Osteuropa – z. B. in der Ukraine. Sie haben eine irreale Hoffnung, die sie mit dem Westen verbinden und mit seinem Geld.
Ist die Verachtung und Herablassung denen gegenüber die auch gern solches Geld hätten, eine Art monetäre Fremdenfeindlichkeit? Ich erlebe die heute noch, manchmal sogar an mir selbst. Wer das Geld hat, kann leicht jene zurückweisen, die das auch wollen. Man kann den Konsumterror – wie es einst die APO tat- glaubhafter verdammen, wenn man jene draußen hält, die sich ganz gern terrorisieren lassen.
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