Geraubte Kinder - Ein düsteres Kapitel

Philomena Papst Franziskus hat kürzlich den Film über die Geschichte der ihren Müttern entrissenen und in den USA adoptieren Kinder gesehen. Ob er geweint hat, ist nicht bekannt.

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Geraubte Kinder -  Ein düsteres Kapitel

Screenshot: Trailer

Die „Welt“ der Fünziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts scheint überall, aber besonders in den konservativen, katholischen Ländern dumpfig, menschen- und frauenfeindlich gewesen zu sein.

Ein Beispiel dafür ist das katholische Irland. Das erlebt die junge Philomena als sie ein uneheliches Kind gebärt und vom Vater zwecks unauffälliger Geburt und zur Strafe in ein klösterliches Kinderheim abgeschoben wird. Dort überlebt sie knapp die schwere Geburt – die Strafe für die "Fleischeslust“ – und muss vier Jahre lang in der Wäscherei sieben Tage die Woche arbeiten. Einmal am Tag darf sie ihr Kind sehen, für eine Stunde unter strenger Aufsicht. Und eines Tages sieht sie, wie ein Auto mit der Tochter einer anderen Heiminsassin und ihrem Sohn davonfährt.

Stephen Frears Film erzählt wie „Philomena“ – wunderbare Judi Dench – zusammen mit dem Journalisten Martin Sixsmith ihre bisher verschwiegene Geschichte aufdeckt und versucht, den Spuren ihres Sohnes zu folgen, der inzwischen 50 Jahre sein müsste. Gemeinsam fliegen Philomena und Sixsmith – der gerade eine berufliche Krise zu überwinden hat – nach Washington.

Dann stellt sich sich heraus, dass Sohn Anthony, der jetzt Michael heißt, sogar bei der USA-Administration gearbeitet hat. Auf einem Pressefoto sind der Journalist Sixsmith, der lange Zeit Washington-Korrespondent war, und Michael zu sehen.

Schmerzliche, aber auch überraschende Erkenntnisse bleiben nicht aus. Sohn Anthony/Michael war schwul und hat im konservativen Reagan-Bush-Amerika der 80er Jahre ebenfalls Ausgrenzung und Heuchelei erfahren. Er ist schon 10 Jahre tot, an Aids gestorben.

Am Ende war diese Suche heilsam, gut und richtig. Philomena – die es wirklich gibt, es ist alles eine wahre Geschichte - kann zur Ruhe kommen. Sie findet zwar den Sohn nicht, aber Spuren über Spuren und trifft Menschen, die ihm nahe standen. Am Ende steht sie an seinem Grab.

Sehr bewegt kamen wir aus dem Kino.

Der Tagesspiegel berichtet, dass auch Papst Franziskus sich den „Philomena“ angesehen hat. Man wisse nicht, ob er bewegt war oder um Verzeihung gebeten habe heißt es.

Und mir fiel eine kürzlich gesehene Sendung wieder ein. Denn: Nicht nur in Irland wurde Frauen das Kind entrissen. Auch in Spanien ließen die Nonnen in den Kinderheimen uneheliche Kinder adoptieren. Sie gingen dabei sogar noch weiter: Sie machten auch die Kinder von politisch inhaftierten oder mißliebigen Eltern zur Adoptionsware.

Hier ein Bericht auf 3Sat

Der Spiegel Babyraub in Spanien

Erst in den letzten Jahren kommen diese ungeheuerlichen Vorfälle langsam ans Licht. Das ist in Irland auch dem Mut einer Philomena Lee zu verdanken. Und in Spanien gibt es ebenfalls sehr beherzte Initiativen, die sich gegen die unmenschlichen und kriminellen Praktiken der Franco-Zeit engagieren und die Spuren so „geraubter“ Kinder verfolgen.

Mit ging der Film auch aus einem anderen Grunde noch lange nach: Meine Mutter ist in einem katholischen Pensionat aufgewachsen. Sie hatte zwei uneheliche Kinder und wurde deshalb innerhalb der katholischen Gemeinde – auch in der DDR – immer halb mitleids- halb verachtungsvoll behandelt

In den fünfziger Jahren kamen mein älterer Bruder und ich mehrere Male für eine längere Zeit ins Kinderheim, weil meine Mutter schwer erkrankt war. Wenn ich jetzt Enthüllungen und anklagende Schilderungen über die Erziehungsmethoden in kirchlichen Heimen im Westdeutschland jener Jahre lese und höre, dann finde ich nichts von dem wieder, was ich in Leipzig-Engelsdorf erlebt habe. Ich war traurig und hatte Heimweh, aber sonst waren dort alle gut und freundlich zu mir. Der Staat hat auch die kirchlichen Kinderheime finanziell unterstützt.

Zwangsadoptionen gab es auch in der DDR, aber – entgegen den lange Zeit verbreiteten Informationen – waren das kurzfristige Maßnahmen und die Fallzahlen geringer als es vorher – mit hohem medialen Aufwand – verkündet worden war. Aber, jeder Fall ist tragisch und veruteilenswert.

Der Zufall will, dass ich mich heute mit einer Journalistin aus Österreich treffe, die zu einem anderen Thema recherchiert: Sie sucht Kinder, die im Zuge der Fluchtwelle kurz vor der Wende von ihren Eltern alleingelassen wurden und in Heimen unterkamen

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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