Geschlechtersensible Gesundheitsberichterstattung

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Man kann feststellen, dass Frauen laut Statistik – ich weiß jetzt gar nicht wie viele Jahre - länger leben als Männer. Man kann aber auch feststellen, dass laut Statistik Männer so und so viele Jahre kürzer leben als Frauen. Was ist der Unterschied? Der besteht darin, dass im ersten Fall die Männer die Bezugsgröße sind und im zweiten Fall halt die Frauen.

Ist so was wichtig? Ja, weil die Bewusstmachung deutlich macht, worauf alles Planen und Auswerten und Umsetzen in der Statistik ruht: Auf den Männern. Deshalb sterben sie ja auch vor den Frauen. Nein, das stimmt nun wieder nicht. Es nützt auch nichts, wenn Männer wieder und wieder aus dieser kürzeren Lebensdauer eine Ungerechtigkeit der Biologie konstruieren. Es ist nicht so. Tut uns Leid, uns Frauen. Männer sind biologisch nicht zu kürzerem Leben verdammt. Sie müssten halt nur ein bisschen mehr auf sich achten, sie müssten mehr vorsorgen, weniger trinken und weniger rauchen. Sie müssten sich dem Lebenskampf in anderer Weise stellen, als sie es gegenwärtig tun. Die Unfälle in jungen Jahren – diese wilden Autofahrten nach der Disko - müssten sie auch lassen- denn die hauen’ statistisch auch schön rein. Überhaupt müssten sie weniger Risiken eingehen. So machen es die Frauen.

Woher diese Sicherheit, dass es nicht die Biologie ist, die Männer zum, früheren Tod verdammt? Man hat in einer ausführlichen Untersuchung Mönche und Nonnen – die unter völlig gleichen Bedingungen lebten und arbeiteten – begleitet. Und siehe da? Der Unterschied zwischen ihrer durchschnittlichen Lebenserwartung betrug ungefähr ein halbes Jahr.

Alle diese Überlegungen sind Argumente für eine geschlechtersensible Aufarbeitung von Gesundheitsdaten.
Sie ist ein Anliegen, das in vielen Bereichen noch nicht erfüllt ist. Darüber informierte kürzlich Jutta Kühl, Mitarbeiterin bei der Bundesfraktion der Linken und Mitglied des Frauenbeirates Pankow, bei dem ich auch mitarbeite. Und das war sehr interessant.

Erst durch geschlechtersensible Aufarbeitung und Erhebung von Daten kann man herausfinden, dass sich Männer und Frauen in der Sterblichkeit sehr nahe kommen, wenn man die Schicht betrachtet, der sie angehören. In den sozial schwachen Schichten ist bei beiden Geschlechtern nämlich der Wille zur Prävention gering, deshalb die Lebenserwartung nicht so weit auseinander, wie in den anderen Schichten, bei den Bessergestellten gehen jedoch in jedem Falle mehr Frauen zur Vorsorge. Da leben Frauen tatsächlich statistisch länger. Bei aller Vorsorge aber werden sie auch eher „Opfer“ von Versuchen, sie zu ängstigen und zu medikalisieren – sprich ihnen eine Arznei-Therapie aufzuschwatzen.
Man kann bei einem geschlechterbewusstem Umgang mit der Statistik mehr Vorurteile abbauen. Man stellt einfach fest, dass bestimmte Verhaltensweisen und Gesundheitsrisiken weniger von der Geschlechterzugehörigkeit bestimmt, sondern ein Problem der sozialen Schichtung sind.
Oder es ist weniger das Geschlecht, als die unterschiedliche Arbeitswelt, die unterschiedliche Arten von Erkrankungen begünstigt. Lungenkrebs nimmt bei Frauen zu, das ist bekannt. Aber es ist bei Frauen eher der Krebs der oberen Atmungsorgane – sie inhalieren meist nicht so tief wie Männer.

Es gibt – seit vielen Jahren – immer wieder die Forderung nach mehr verlässlichen Daten – auch was die Geschlechter betrifft. Man braucht sie für die Planungen der Zukunft . Man braucht sie für bessere Prävention und für die Verhinderung von pauschalen biologischen Vorurteilen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden