Glaube und Kirche in der DDR

Religion Die folgende Szene stammt aus dem DEFA-Film „Einer trage des anderen Last“ von Lothar Warneke, der den Auftakt einer Reihe über "Glaube und Kirche" in DDR-Filmen bildet

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Der evangelische Vikar erklärt seinem Zimmergenossen in der Lungenheilstätte, dem jungen Volkspolizisten: „Mein Vater ist Anfang 1946 zur Kommandantur bestellt worden und nie zurückgekommen, meine Mutter kriegt neunzig Mark Rente, meine Braut ist fast noch ein Kind gewesen, aber von dem was sie auf der Flucht zwischen Kattowitz und Merseburg erlebt hat, ist ihr das Haar weiß geworden“. Er sei für „eure Sache“ nicht zu gewinnen und stößt bei seinem Mitbewohner auf die Bereitschaft zu einer Art Waffenstillstand.

Eine solche Szene war bis dato in einem DEFA-Film undenkbar.

Hier die gesamte Szene

Den Film haben wir 1988 mit großem Interesse gesehen. Geärgert hat mich – wenn ich mich recht erinnere – die dem progressiven jungen Polizisten zugeneigte Parteilichkeit. Um den Film ist lange gekämpft worden, kann man in einem informativen Flyer erfahren. Dennoch erschien er nicht nur mir als Versuch einer ernsthaften und auch Konflikte nicht aussparenden Debatte. Es gab nicht nur diesen Film, der eine „Öffnung“ signalisierte.

Kirchenfeindliche
50er Jahre

Als ich in den fünfziger Jahren zur Schule ging – damals noch sehr katholisch und zum Bekenntnis angehalten – war das wirklich eine Last. Es gab stets und ständig Auseinandersetzungen, wenn ich – z. B. Fronleichnam – von der Schule fernblieb, weil das ein offiziell zugestandener Feiertag war. Ich stritt mit dem Klassenlehrer, der mir ausdauernd und aggressiv erläuterte, wie unwesentlich die Religion sei. Aber für den Religionsunterricht durfte die Gemeinde die Räume der Schule neben dem Pfarrhaus nutzen.

Ich erinnere mich auch an einen Geschichtslehrer, der uns erklärte, was wir den Mönchen und Klöstern an Kultur verdanken. Er ging bald nach dem Westen, so wie mancher Lehrer. Es war eine konfliktreiche Zeit, in der oft von Toleranz geredet, aber im Alltag nicht ausgeübt wurde.

Die Jugendweihe
als Bekenntniszwang

Ich erinnere mich an die Kampagne zur Jugendweihe Ende der fünfziger Jahre, an der ich nicht teilnahm. Ich hatte einige Nachteile deswegen, aber nicht deshalb löste ich mich von der katholischen Kirche. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat verfolgte ich später auch aus beruflichem Interesse. Die Formel von der „Kirche im Sozialismus“, die Anfang der siebziger Jahre eine Entspannung wenigstens zwischen der Evangelischen Kirche und dem Staat einleitete, verbesserte die Beziehungen. Die katholische Kirche freilich forderte nach wie vor eine strenge Abgrenzung und fragte nicht weiter, wie ihre „Schäfchen“ das mit ihren Wünschen nach Studium und weiterer Entwicklung unter einen Hut bringen konnten. Andererseits war dieser Tage zu erfahren, dass der DDR-Staat die christlichen Kinderheime und caritativen Einrichtungen – auch die katholischen - finanziell unterstützte. Das hätte ich nicht gedacht. Ich war als Kind in Intervallen mehrere Monate in einem solchen Heim in Leipzig-Engelsdorf, weil meine Mutter schwer erkrankt war. Mir ist es dort auch gut gegangen.

Ständige Konflikte
und Kompromisse

Aber es gab durch die Jahre ständig Konflikte. Die Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz z. B. war ein solcher dramatischer Konflikt. Die gesamte Auseinandersetzung um die Friedensbewegung – Stichwort „Schwerter zu Pflugscharen“ - das alles war Begleitung der Versuche einen modus vivendi zu finden und einen Kompromiss. Am Ende bot die Kirche vielen Oppositionellen Schutz unter ihrem Dach. Aber auch Zähmung und Besänftigung der immer lauter werdenden Proteste werden ihr heute angelastet.

Von daher ist eine solche Filmreihe ein gutes Projekt. Im Fernsehen sieht man diesen und eine Reihe wirklich guter DEFA Filme immer seltener. Es ist offensichtlich probater und mehr opportun, alte Polizeiruf Krimis und Märchenfilme abzuspulen, andere Filme bieten am Ende noch gar nicht erwünschten Diskussionsstoff.

Die Reihe beginnt morgen im „UCI Kinowelt Colosseum" in Berlin.

Hier weitere Details über diese Filmreiihe

Was mich persönlich betrifft: Ich habe den Glauben längst verloren. Nicht aus Trotz oder Enttäuschung über einen "Lieben Gott", der nicht eingreift und nichts verhindert. Ich habe solche Fragen wie: Wo war Gott in...nie gestellt. Der Mensch hat einen freien Willen. Ich aber kann nicht glauben, so jedenfalls nicht mehr. Aber manchmal schmerzt mich das wie jeder Verlust.

Noch eine Anmerkung: Ich war lange Zeit mit einen katholischen Priester – einem niederländischen Dominikaner – befreundet. Er gehörte zum Umfeld des Theologen Edward Schillebeeckx in Nijmegen (nach Hinweis korrigiert-M.), war sehr kirchenkritisch, sehr „links“ und, weil er die DDR häufig besuchte, zu Hause sehr angefeindet. Er ist vor einigen Jahren gestorben. Er verblüffte auf seiner Beerdigung alle mit der Verfügung, dass er verbrannt werden wolle und seine Asche verstreut. Wer katholisch ist, weiß, was das bedeutet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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