Der stille Amerikaner

Graham Greene Ein Roman, der wie kaum ein anderer die Gefährlichkeit der USA-Politik, die ihre Ziele hinter einem, meist sogar selbst geglaubten, Idealismus tarnen, darstellt

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Graham Greenes schon 1955 erschienenen Buch Der stille Amerikaner ist auch heute noch spannend und beklemmend. Wenn man z. B. die verbale Reaktion des früheren Präsidenten George W. Bush auf die Veröffentlichung des CIA-Folterreports betrachtet, kann man schockierend erleben, welches monströse Sendungsbewusstsein sich da zeigt. Er "würdigt" die Folterer als treue Diener am Vaterland.

Greenes Story handelt von dem britischen Auslandskorrespondenten Thomas Fowler, der in Vietnam während des Kolonialkrieges der Franzosen bemüht ist, so objektiv wie möglich zu berichten. Er trifft auf den jungen amerikanischen Handelsattaché Alden Pyle, der begeistert ist von einem Buch, das Rezepte anbietet, wie man den Konflikt in Vietnam lösen könnte. Dabei stört ihn nicht, dass dessen Autor keine Ahnung von Indochina hat. Dieser Pyle –ein getarnter CIA –Agent will diese Ideen umsetzen, indem er die örtlichen Warlords mit Sprengstoff für Anschläge auch gegen Zivilisten unterstützt. Fowler, der Pyles gefährlich-naives Agieren erst mit Besorgnis und dann Entsetzen beobachtet, entschließt sich, die neutrale Position zu verlassen und sich an einem Mordkomplott gegen Pyle zu beteiligen. Das Ganze hat auch zu tun mit Liebesrivalitälten zwischen beiden Männern, denn Graham Greene schreibt wie in all seinen Romanen über das ganze Leben, nicht nur über Politik.

Es gibt eine Szene, in der sich sowohl die Freundschaft zwischen beiden Männern, ihre Rivalität und am Ende die gewalttätige Grundierung bündeln: Fowler sitzt bei Pyle und die ganze Zeit streift Pyles Riesenhund durch den Raum als Symbol für Vorherrschaft und undefinierte Angst. Pyle redet begeistert von westlichen Werten und bringt damit Fowler, der das politische Geschäft schon länger kennt, völlig auf die Palme.

Es ist seltsam: Ich bin beim Recherchieren auf eine Rezension des Deutschlandfunks gestoßen, in der eine neue Übersetzung gewürdigt wird. Und auch dort wird mit Nachdruck auf die unglaubliche Aktualität des Buches verwiesen.

Die Zeiten haben sich geändert: Wenn z. B. US-Senator Mc Cain dieser Tage Deutschland und die Kanzlerin hart angreift, weil sie Waffenlieferungen an die Ukraine ausschließt und auf die „unschuldigen Opfer“ verweist, die diese Entscheidung mit sich bringt, dann trägt er - völlig deplatziert - diesen naiven Idealismus zur Schau. Aber dies wird von den meisten Beobachtern als ein verbales Instrumentarium betrachtet, das den jungen Pyle in Greenes Roman schon in ein diffus-gefährliches Licht tauchte, heute aber für einen alten, mit allen Wassern gewaschenen Politker eher peinlich und trotzdem gefährlich ist. Selbst wenn die USA Vertreter nicht an ihre eigenen Werte mehr glauben, sie wollen erzwingen, dass andere dies tun und ihre Führungsrolle damit anerkennen.

Übrigens: Der Realismus von Graham Greenes Roman wurde von der CIA „gewürdigt“, die ihn bis zu seinem Tode beobachten ließ.

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/pyles-blutverschmierter-schuh

Hier wird die 2001 entstandene Neuverfilmung des Romans mit Michael Caine in der Hauptrolle besprochen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden