Grammatische Dampfplauderei

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Der Berliner kennt – nicht nur Kurt Tucholsky hat es mal dingfest gemacht – ein erzählendes Futur. Er verwendet diese Zeitform auch für Ereignisse aus der Vergangenheit. Wenn er also sagt: „Dann werde ich dem natürlich eine knallen“, dann kann die Keilerei lange zurückliegen. Meine erzählfreudige Kollegin verwendete vor allem das Berlin-Brandenburgische Imperfekt. „Das war schön jewesen“, sagt sie dann. Oder sie war vor langer Zeit mal in Neukölln gewesen oder so ähnlich.

Sie war also mal Wäscherin in einer Wohngebietswäscherei „gewesen“. Über den Arbeitsablauf dort informiert sie auf Nachfrage. Es gab große industrielle Waschmaschinen, die mit Gas beheizt wurden. Sie waren für ungefähr 12 Kilo Wäsche ausgelegt, sagt sie. Aber ich denke, es waren mehr (gewesen). Kam aber eine Kundin an, von der man wusste, dass deren Wäsche bei der Ablieferung ziemlich sauber war, dann stopfte man glatt das Doppelte hinein und konnte eine Maschine „gut“ schreiben. Denn es wurde nach Leistung bezahlt. Es war schwere Arbeit, die Wäsche aus der Maschine zu wuchten. Die Wäsche von jeweils einem Kunden kam in ein Netz. In großen Wäschereien wurden mehrere Netze in die große Maschine getan. So vermied man, dass die Wäsche vermengt wurde. Aber ganz gelang das nie, was jeder Wäschereikunde weiß.

Die Handtücher kamen in den sogenannten Föner, die Bettwäsche wurde gemangelt, eine körperlich anstrengende Arbeit. Es war sehr heiß und dampfgeschwängert. Aber es habe auch Spaß gemacht, denn es sei eine Arbeit gewesen, bei der man sah, was man getan hatte, meinte sie. Das war das Problem mit dieser Kollegin gewesen, denn Arbeiten, deren Sinn sie nicht erkennen konnte, die kein materielles Ergebnis haben, galten für sie nicht. So war sie nun mal gewesen.

Ich fragte nach, ob sie jemals in der großen Wäscherei in Berlin-Spindlersfeld beschäftigt war und sie verneinte ein wenig indigniert. Erst da fiel mir wieder ein, dass sie da ja immer strafgefangene Frauen eingesetzt haben. Als die DEFA den Film „Die Verlobte“ produziert hat, da drehten sie die Szenen, die in der Gefängniswäscherei spielen, in Spindlersfeld. Frauen badeten in den großen Wäschezubern und die besonders ausgekochten (sic!) spannen Intrigen darüber, wie man zu mehr Verpflegung kommen kann, wie man eine unbeliebte Mitgefangene schikaniert oder eine nette belohnt und es bahnten sich Liebeleien an.

Bei der Erinnerung an diesen Film schoss mir in den Sinn: Wenn es in der Hölle einen Wellnessbereich gäbe, dann wäre der vielleicht dort zu finden: In diesem düsteren Waschkesselhaus in Berlin-Spindlersfeld.Da könnten sich die vom Feuer verbrannten armen Seelen in kochendem Wasser abkühlen. Denn: Immerhin ist kochendes Wasser nicht so heiß wie Feuer. Wie komme ich jetzt da drauf? Ach ja, ein Film und der Gedanke, dass Waschen ja auch immer was mit Reinwaschen oder Sünden wegwaschen zu tun hat – das wird mich drauf gebracht haben. Das werd’ ich meiner Kollegin nächstens mal erklären. Und etwas später werde ich sagen: „Das werde ich ihr natürlich erklären“, dann war das aber schon lange gewesen.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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