Häuserkampf umgekehrt

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So kennt die Geschichte jeder: Ein böser, böser Vermieter kujoniert seine Mieter. Höhnisch lachend steigert er die Mieten in astronomische Höhen oder er versucht, die Mieter durch Luxussanierung zu vertreiben. Wenn es ganz schlimm kommt, lässt er sie von angeworbenen Strolchen schikanieren, bis sie das Feld räumen und das Haus endlich kostensteigernd "leer gezogen" ist.

Wir aber sind in der seltenen Lage, eine Geschichte erlebt zu haben, die genau andersrum geht: Als wir vor einiger Zeit aus dem Gründerzeithaus im Prenzlauer Berg auszogen, in dem wir über 13 Jahre gewohnt hatten, da hatten wir schon seit 10 Monaten keine Miete mehr gezahlt. Irgendwann war auf unser aller Kontoauszügen der Betrag mit dem Vermerk "Konto erloschen" aufgetaucht.

Wo war er abgeblieben, der freundliche Vermieter mit dem Vollbart? Wo versteckte er sich, der sanftäugige Mensch, der uns allen, nachdem man ihm das Grundstück zurückgegeben hatte, das seine Eltern schon erworben hatten, einen lieben Brief geschrieben hatte, in dem er eine gemächliche und für die Mieter zumutbare Sanierung angekündigt hatte.

Schon der erste Sanierungsschritt scheiterte. Es sollte der Einbau einer Zentralheizung sein. Von der Ankündigung bis zu dem Moment, da die Handwerker die ersten Rohre ins Haus trugen, verging ein Jahr, weil es mit der Finanzierung nicht so wie geplant klappen wollte. Das erfuhren wir, weil der Vermieter meinen PC nutzte, um einen Kostenvoranschlag abzurufen.

Von da an hörten weder die Handwerker noch wir etwas von ihm. Auch unser Nachbar, der stolz erzählt hatte, er kenne sogar noch die Eltern des Hausbesitzers aus der Kinderzeit, wußte nicht, wie man seiner habhaft werden konnte. Wir alle wussten zwar seine Adresse und auch, dass er bei einer Finanzbehörde arbeitet. Aber immer wieder kam die Post zurück. Also trugen die Handwerker die Rohre wieder aus dem Haus und dann geschah eine ganze Weile nichts.

Nach wieder einer Weilekam unsere eingezahlte Miete mit dem oben erwähnten Vermerk zurück. Die erste Mieterversammlung wurde fällig. Es gab natürlich Mieter, die sofort mit glänzenden Augen fragten, wie viele Jahre eigentlich vergehen müssen, bis so eine Forderung verjährt, aber wir Besonneneren und Gesetzestreuen sahen die Probleme, die auf uns zukommen würden. Und sie kamen. Die Wasserwerke drohten mit Absperrung, obwohl die Rechtsgrundlage dafür mehr als brüchig war. Auch die Stromwerke wollten nicht länger warten, der Hauswartungsdienst zog sich zurück und wir mußten zur Selbsthilfe greifen.

Wir hatten die Nase voll und zogen aus. Wir wollten – nebenbei auch – den seit einiger Zeit über uns residierenden Mietern aus Baden-Württemberg entgehen. Zwei Künstler, die diesen Umstand gern auch lautstark dokumentierten. Außerdem hatten die – fast jeden zweiten Tag – einen Spielabend in ihren Gemächern und wenn einer von denen den Stuhl vom Spieltisch wegschob, um sich zu erheben, schurrte es über die Dielen, dass wir fast aus dem Bett fielen. Die ersten Nachtstunden vergällte uns dieses Treiben. Dabei waren die sonst sehr nett. Immer wollten sie über alles reden, obwohl mein Mann die Konflikte am liebsten mit einem Tritt in den Hintern gelöst hätte und ich hätte ihn gern dabei angefeuert. Aber so was tut man nicht. Also verpfiffen wir uns.

Dem später eingesetzten Zwangsverwalter zahlten wir mit Abstrichen die aufgelaufene Miete und das war's.

In diesen Tagen rief uns ein Nachbar an. Es sei wieder soweit, sie hätten schon wieder seit Monaten keine Miete gezahlt, und wieder drohe unter anderem die Wasserabsperrung. Der Nachbar erzählte von einer Reise, die er - ausgestattet mit dem Votum der Mietervollversammlung aber auf eigene Kosten - nach H. durchgeführt hat. Stundenlang habe er vor demHaus des Vermieters gestanden, um zu erfahren, wie es um ihn steht und wie die Miete gezahlt werden soll. Aber er habe kein Glück gehabt. Also habe er noch einen Tag drangehängt, obwohl dadurch auch noch Hotelkosten angefallenwären und sei zu der Behörde gegangen, bei welcherder Vermieter arbeitet, was er von einem der Handwerker wusste. Er habe ihnauf dem Behördenflur "gestellt und überredet, ihn zu einem Cafe in der Nähe zu begleiten, um die Sache zu besprechen. Nein, er wolle sich wieder um das Haus kümmern und nicht verkaufen, habe der Vermieter beteuert. Er werde bald einen Brief an alle schreiben, es lägen schreckliche Zeiten hinter ihm - ein "Burn out" Syndrom habe ihn wirklich schwer mitgenommen, aber er sei jetzt über den Berg. Nach einer Stunde seien sie auseinander gegangen, der gestresste Vermieter und der zahlungswillige Mieter.

Seitdem ist das geschehen, was zu erwarten war, nämlich gar nichts.

Ein Vermieter, der sich vor seinen Mietern versteckt, der unter der Last seines Besitzes so gebeugt ist, dass er immer mal wieder verschwinden muss. Und Mieter, die Suchaktionen nach ihm veranstalten, damit sie endlich ihr Geld loswerden. Istdas nicht eine herrliche Umkehrung?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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