Herbstgedanken

Nebel und Kraniche Der Vogelflug war schon immer ein gern gewähltes Symbol für Sehnsucht, für Entkommen und Bleiben müssen. Die Kraniche sind unterwegs. In Brandenburg und weiter im Norden.

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Der Herbst ist schon von weitem zu sehen. Vom Fenster aus fotografiert, sieht er aus wie ein Gemälde. Nebel verfängt sich in den Baumgruppen und hängt dort zäh meist bis zum Mittag.

Seltsam im Nebel zu wandern

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

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Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

(Hermann Hesse)

"Die Kraniche ziehen" - einer der Filme, die alle in meiner Generation bewegt haben. Eine Formensprache, die neu war Regisseur Kalatosow versuchte Unkonventionelles und auch für andere Regisseure Inspirierendes.

Er kommt mir jedes Jahr im Herbst in den Sinn, wenn die Vögel wieder am erscheinen.

"Die Kraniche ziehen“ ist von solch beeindruckender Intensität, dass es nicht lange dauert, herauszufinden, weshalb dieses bahnbrechende Werk zu den Lieblingsfilmen von Francis Ford Coppola und Martin Scorsese zählt."

heißt es in einer filmrezension

Der Liedermacher Kurt Demmler belebte in den 70er Jahren die Debatte in der DDR mit dem Lied von den Kranichen.

Die Kraniche

Die Kraniche fliegen im Keil,
so trotzen sie besser den Winden.
So teilen sie besser die Kräfte, weil
Die Stärkeren fliegen im vorderen Teil,
und die Schwachen, die fliegen hinten.

Und kommen die Kraniche an
Am Ziel ihrer Reise, dann haben
Die Stärkeren größere Arbeit getan
Und loben die Schwächeren hinten an,
die doch auch ihr Bestes gaben.

Dann essen die Kraniche Fisch
Soviel, wie die Mägen verlangen.
Die Stärkeren, die haben nicht mehr für den Tisch als
Die Schwachen vom guten, silbernen Fisch
In den Teichen am Ziel sich gefangen.

Laßt uns wie die Kraniche sein,
dass wir unser Möglichstes geben:
Die Starken in Groß und die Schwachen in Klein
Und trinken am Abend den gleich teu’ren Wein
Auf ein noch viel besseres Leben.

Kurt Demmler

Ich erinnere mich aber auch, dass ein junger Brite, der in der DDR lebte und an der Universtität Englisch lehrte, sich energisch gegen diesen "zu gleichmacherischen" Text wandte. Mir gefiel er, denn er hatte was allgemein-menschliches.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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