Ideologischer Ballast

Der Fall Hagedorn Kürzlich haben wir im Fernsehen betrachtet, wie es in Eberswalde in den Jahren 1969-1971 aussah. Einfach kriminell. Dort spielte der Mordfall Erwin Hagedorn

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Ideologischer Ballast

Screenshot: ARD.de

Den hat die ARD – begleitet von breitem Medienlob - groß angekündigt. „Mord in Eberswalde“ behandelt die reale und dramatische Geschichte um einen sadistischen Serienmörder, der drei Jungen grausam tötete und nach langer Suche dann auch gefasst wurde.

Viel Detailtreue bei

trüben Tapeten

Es geht nicht darum, dass so ein Film nicht mehr "1:1 DDR“ sein kann, auch wenn man sich bei den trüben Tapeten viel Mühe mit der Detailtreue gegeben hat. Aber, warum dann bitte immer diese dicke, dicke Tinte, wenn es um Ideologie geht. Der reine ideologische Ballast, den man früher immer in DDR-Filmen so blöde fand, ist hier versammelt. Es ist nicht glaubhaft, dass die DDR-Untersuchungsorgane - sei es die Volkspolizei oder die Stasi - ideologisch so verbohrt waren, dass sie einen Serientäter nicht erkennen wollten, weil es „das im Sozialismus nicht gibt.“ Viel wahrscheinlicher ist die Abneigung gegen neue Methoden in der Tätersuche damit zu erklären, dass es zu jener Zeit das „Profiling“, wie es hier zum ersten Male - angeblich gegen den Widerstand der „Genossen“ - versucht wurde, weder im Osten noch im Westen so umfänglich gab.

Dr. Hans Szewzcyk

der erste Profiler?

Es war eine neue Methode . Es gab damals den sehr renommierten Gutachter der DDR Dr. Hans Szewzcyk, über den auf einer informativen Website die Frage gestellt wird, ob er nicht der erste moderne Profiler war. Szewzcyk war mit dem Fall Hagedorn befasst, worauf auch ein Beitrag in der FAZ, der die gleiche Website als Quelle verwendet hat, verweist, um dann dennoch festzustellen, dass der Film sich sehr genau an die Tatsachen hielte.

Szewzcyk erkannte sehr bald – wie später der westdeutsche Journalist Friedhelm Werremeier - die Ähnlichkeiten mit dem Vorgehen des Kindermörders Jürgen Bartsch in Westdeutschland. Er besorgte sich entsprechende Akten und Literatur und dies mit Hilfe des MfS. Da gab es möglicherweise weniger klandestines Getue als im Film angedeutet. Anzunehmen ist, dass die westdeutschen Ermittler damals „kollegial“ Material zur Verfügung stellten. Wäre mal ein spannendes Thema, ob und wie man zu jener Zeit – die nicht mehr wie davor und heute wieder - so „kaltkriegerisch“ war, zusammenarbeitete.

Es ist legitim, dass im Spielfilm ein junger Polizist an die Stelle des Gutachters tritt und versucht, mit diesen neuen Methoden zu arbeiten und sie durchzusetzen, aber dazu brauchte er nicht heimlich den „Spiegel“ zu lesen oder gegen Mauern anzurennen. Das ist so hirnverbrannt, dass man nur mit dem Kopf schütteln kann. Szewczyk übrigens hatte schon 1966 einschlägig über Sadismus gearbeitet. Darum ist das Film-Stasi-Gerede, dass der „antifaschistische Schutzwall uns vor solchen Tätern“ schützt, ein völliger Blödsinn. Die fürchterliche Borniertheit lag bei der Stasi und der gesamten DDR ganz woanders.

Das wirkliche Problem

war die Öffentlichkeitsarbeit

Das wirkliche Problem war der Umgang mit der Öffentlichkeit in der DDR. Es gab zu wenig Aufklärung und die Bevölkerung blieb lange uninformiert. So ist zu erklären, dass ein Film über den Fall Hagedorn, der als Polizeiruf laufen sollte, im Jahr 1974 nicht ausgestrahlt wurde. Man wollte – wie so oft – „unsere Menschen“ nicht beunruhigen. Der Mangel an Öffentlichkeit war eines der Grundübel in allen DDR-Zusammenhängen.

Einige Jahre später aber gab es einen DDR-Polizeiruf über einen ähnlichen Fall, den „Kreuzworträtselfall“. Es ging um den Mord an einem Jungen, dessen Leiche in einem Koffer am Bahndamm gefunden wurde. Die These, dass dies der Beginn von Serienmorden sein könnte, stand da sofort im Raum. Ein Fall mit der umfangreichsten Schriftenanalyse, die je durchgeführt wurde und dies mit Erfolg.

Ins Konzept des gegenwärtigen Filmes passt natürlich, dass die Vollstreckung des Todesurteils an Hagedorn höchst dramatisch in Szene gesetzt wurde. Er war der letzte zivile Delinquent, darauf wurde noch einmal verwiesen. Aber das wusste man natürlich auch schon aus einem guten Dokumentarfilm zum Thema. Die Debatte um Schuldfähigkeiten wäre ein nützliches Anliegen gewesen, aber im „Mord in Eberswalde“ blieb sie am Ende auch auf der Strecke.

Es ist legitim, reale Geschichten zu fiktionalisieren, aber ich wüsste rasend gern, wieso ich mich bei solchen Filmen dermaßen veralbert fühle.

Schon zu DDR-Zeiten hatte ich ständig das Gefühl, dass der Polizeiruf uns irgendwie veralbert und mit der Realität nicht so viel mehr zu tun hat, aber jetzt in solchen Schrott-Retrospektiven ist es fast schlimmer.

Das Gestern in der

Sprache von heute

Ich kann mich auch nicht daran gewöhnen, dass niemand auf die Sprache achtet, in der das alles abgehandelt wird. Keiner hätte zu DDR-Zeiten gesagt, dass etwas „lecker riecht“. Die „russischen Waffenbrüder“ wurden im Osten immer leicht ironisch als „die Freunde“ bezeichnet. Oder, die Wendung: „Schlimme Sache, das“ ist erst seit einigen Jahren im Schwange. Früher hätte man in Ost und West und gesagt: „Das ist schlimm oder “das ist eine schlimme Sache. Keine Gattin eines SED-Genossen hätte zur Begrüßung „Hallo“ gesagt.

Und dann das Beiwerk zu diesem Film - zutiefst albern und oberflächlich. SM-Szenen zum Aufmotzen und als empathische Übung für den Polizeihauptmann im heimischen Bett. Polizeihauptmann und Stasi-Major in Rivalitätsstreitigkeiten um eine Frau. Was bloß ist daran so toll, dass alle sich – mit Ausnahme der taz – vor Begeisterung kaum einkriegen.

Passend zum Film könnte man mit etwas Zynismus sagen: Prima ausgeschlachtet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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