Internationaler Tag der Demokratie

Eine Ermutigung Ein Aktionstag bewegt zu eigenen Gedanken und Überlegungen. Demokratie ist nicht nur in der Krise. Sie beginnt an der Basis und ihre Instrumente sollten genutzt werden.

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Wussten Sie, das heute „Internationaler Tag der Demokratie“ ist? Ein Glück, dass ich das - noch im Bett liegend – erfahren habe, denn sonst wäre ich ohne aktualisiertes demokratisches Bewusstsein ins Badezimmer geschlurft. Es gibt offiziell dazu kaum Stellungnahmen. Der Brandenburgische Landtagspräsident rief aus diesem Anlass zu größerer Beteiligung bei der kommenden Bundestagswahl auf. Auch Dirk Niebel ruft – wahrscheinlich eher als „Pfeifen im Wald“ – zu mehr Teilhabe auf und meint damit sicherlich die Wähler der FDP.

Das alles ist wohlfeil und gehört nun mal zu den Ritualen. Ich lauschte im Bett einem interessanten Gespräch im Deutschlandfunk, in dem ein Schweizer Politikwissenschaftler über die Defizite der Demokratie in Deutschland sprach. Alle vier Jahre nur die Politiker mit seiner Stimme zu legitimieren, das sei doch zu wenig. Es mangele an direkter Demokratie. Und – mal wieder und zu Recht – es fehle an plebiszitären Elementen. Mehr Volksbefragungen sind nötig, wobei, so der Wissenschaftler, diese Befragungen auch ein Bild des Volkswillens liefern, das nicht immer hoffnungsfroh stimmt. Das „Volk“ sieht bei Befragungen in der Schweiz oft in einen hochkonservativen Spiegel. Noch der größte Hymnus über diese direkte Beteiligung kann darüber nicht hinwegsehen.

Wie auch immer: Die deutsche Parteiendemokratie, diese Vier-Jahre-Ermächtigung – sie ist ja zu Recht in der Kritik, wenn man die obere Spitze ansieht.

Ein sehr hierarchischer Blick

Aber, haben da nicht auch alle und voran die Medien nicht mal wieder einen ganz hierarchischen Blick? Mir fiel beim Zuhören ein, dass ich gar nicht vorkomme mit meinem bescheidenen politischen Engagement. Ich bin Mitglied im Frauenbeirat Pankow. Wir haben mit unseren Aktivitäten auch Anteil an Entwicklungen im Bezirk. Wir haben Straßenbenennungen und andere Ehrungen für Frauen angeregt und durchgesetzt. Es gibt einen Wettbewerb für familienfreundliche Unternehmen und einen sich langsam entwickelnden guten Kontakt zu den Ausschüssen des Bezirksamtes. Der Frauenbeirat ist nur ein Teil von Vernetzungen aller Art. In der Bezirksverordnetenversammlung arbeiten zahlreiche Beiräte, die dem Bezirksamt kritisch und beratend zur Seite stehen.

Problemfelder wie

Arbeit, Soziales, Gesundheit, Senioren

Integration

Kinder und Jugend

oder

Kultur

werden da nicht nur diskutiert, sondern auch immer Dinge bewegt, Anstöße gegeben.

Es gibt also auf dieser Ebene Möglichkeiten, die es auf Landes – und Bundesebene nicht gibt. Und hier ist die Zusammenarbeit auch viel parteiübergreifender als „weiter oben“.

Die Ausschüsse können sachkundige Bürger – die nicht parteimäßig gebunden sein müssen – zu ihrer Arbeit hinzuziehen.

Auch die DDR kannte

Bürgerbeteiligung

Übrigens fällt mir dabei noch ein, dass es auch in der DDR auf dieser Ebene ein Mitspracherecht und Mitwirkungsrecht der Bürger gab. Sicherlich politisch eingeengter, als es anderswo war und ist, und oft misstrauisch „von oben“ kontrolliert. Aber, trotzdem: Alltagssorgen und –fragen wurden dort auch behandelt.

Anfang der 90er Jahre nahm ich an einem umfangreichen Projekt der Jakob-Kaiser-Stiftung teil. „Frauen ins politische Ehrenamt“ war das Motto. Ich habe dort viel Interessantes gelernt und erfahren. Auch, wo dieses Mitwirken seine Hindernisse und Grenzen hat, andere als ich sie kannte , aber die es auch gibt.

Es herrschte Aufbruchstimmung. Sie hat sich gewandelt, das stimmt. Es gibt Desillusionierung. Auch in die kommunale Ebene regiert das Finanzwesen hinein. Die Auseinandersetzungen um die Privatisierung kommunaler Betriebe, die Fallstricke der einstmals hochgelobten Public-Private-Partnership (PPP), die Verzockereien von Städten und Gemeinden, die einige Jahre auch das großen Rad mitdrehen wollten und in neuen Schulden und Verlust endeten – das alles zeigt, dass der Trend eher zu Finanzbeteiligungen als zur Bürgerbeteiligung ging. Das hat sich jetzt wieder gewandelt.

Macht bei Hannah Arendt

und Max Weber

Auch grundsätzliche Fragen besprachen wir: Was ist eigentlich Macht? Da gibts eine Definition von Hannah Arendt, die Macht als Zusammenwirken von freien Menschen im freien Raum definiert, während Max Webers bekannte Aussage mit Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ meint.

In Königswinter traf ich die junge und aufmüpfpige Kerstin Köditz, die sehr aktiv Politik betreibt und für DIE LINKE im Sächsischen Landtag sitzt. Auch andere Teilnehmerinnen sind später politisch aktiv geworden, ich– in kleinerem Ausmaße – ja auch und das gern.

Dies alles ging mir durch den Kopf, während ich mir selbigen wusch. Demokratie beginnt aber nicht am Kopf, sondern immer weiter unten, an der Basis. Sie wird ja auch zunehmend von unten formuliert und infrage gestellt. Die Stichworte dazu sind bekannt. Die vorhandenen „Instrumente“ sollten dabei auch noch mehr genutzt werden und mehr Druck aufgebaut werden. Denn: das war eine meiner interessantesten Erfahrungen. Politiker und Politikerinnen, die etwas bewegen wollen, bitten manchmal händeringend um mehr Druck von der Straße, mehr Protest von den Bürgern. Also los: Mehr Demokratie wagen, auch wenn das heute manchmal fast beschönigend klingt. Ich erinnere trotzdem gern an diesen alten Willy Brandt Spruch. Ist doch ein guter Anlass.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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