Kafka in Löbau und Hamburg - Hartz IV oder Hatz gegen die Vernunft

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1. Kafka in Löbau

Vor einigen Jahren ging folgender Sachverhalt durch die Medien: In Löbau im Oberlausitzer Dreiländereck gibt es viele Arbeitslose. Das Gebiet ist beim Strukturwandel nicht gut weggekommen. Und weil das so ist, sind viele weggezogen. Viele kriegen Hartz IV. Und die wohnen in den Plattenbausiedlungen von Löbau. Die Miete übernimmt die Arbeitsagentur. Einige aber wohnen -weil die Kinder ausgezogen sind - in Wohnungen, die ein wenig zu groß sind. Sie bemühen sich um eine Alternative, aber die kleineren Wohnungen werden knapp.

Also grübelte die dortige Wohnungsverwaltung, was man da machen könnte.

Sie kamen auf die Idee, den Leuten ,die mehr Wohnraum haben, als sie Miete von der Agentur bewilligt kriegen, den zusätzlichen Wohnraum abzusperren. Meist ist das ein Zimmer.

Die Mieter räumen dann die Sachen aus diesem Zimmer in die verbliebenen Räume, wenn das geht. Wenn es nicht geht, müssen sie die Sachen woanders einlagern oder entsorgen. Damit das alles klappt, kommt alle paar Wochen eine Kontrolleuse und guckt, ob der abgesperrte Raum auch wirklich nicht benutzt wird.

Die Vertreter dieser Wohnungsverwaltung räumen ein, dass sie - außer ein paar Mark Heizungskosten - keinen Pfennig sparen, aber sie finden diese Regelung gerecht. So sind sie – die Herren der Plattenbauten. Ich fragte mich als ich mir diese Tatsachen im Fernsehen des MDR besah, ob meine Schilddrüse wieder verrückt spielt oder ob die alle dort einen Sparren haben.

Das ist Kafka, so sieht das im wahren Leben aus. Die Leute müssen ihre Möbel verkaufen, weil ein Zimmer – aus Gerechtigkeitsgründen – abgesperrt wird. Diese Plattenbausiedlung hat einen hohen Leerstand. Es schadet keinem Menschen, wenn sie die ein bisschen die Miete mindern, aber nein, aber nein...

Früher war in Löbau mal die „Offiziershochschule der Landstreitkräfte der DDR: Ernst Thälmann“. Ich stellte mir vor, wie die einstigen Lehrkader heute unter den Bedingungen der real verschwundenen Arbeitsplätze, des real verschwundenen Einkommens der Menschen und des deshalb real schrumpfenden Wohnungsbestandes über real zu exerzierende Gerechtigkeit nachdenken.

Und sie kamen zu dem Schluss, man sollte den Mietern entgegenkommen, aber nicht ohne Unterwerfungs- und Demutsgesten.

Nur klein gemachte Leute, sind willig. Das war früher so, das ist eine Erfahrung, die sich nahtlos in den real existierenden Kapitalismus einfügt.

2. Teilkafka in Hamburg

Über diese Löbau-Wahnsinn berichtete auch das Hamburger Abendblatt beifällig, aber wie aus einem fernen, putzigen Land und versicherte, dass so etwas in der Hansestadt natürlich nicht praktiziert würde.

Aber dort hat man andere kafkaeske Einfälle, wie ich nach Ansicht einer Sendung bei fakt feststellen konnte. Sie beschäftigte sich mit einem Projekt für Hartz IV-Empfänger.

Es ist ein Kaufhaus – nicht für bedürftige Arbeitslose. Nein, es ist ein Modellkaufhaus, in welchem die dem Arbeitsmarkt entfremdeten Hartzies, wieder arbeiten lernen sollen. Mit Waren, die gekauft und dann wieder in die Regale gestellt werden. Also vorn kaufen, hinten wieder einräumen.

Mit „Spielgeld“, einschließlich Falschgeldalarm, mit Eiern, die keine sind. Und vor allem mit Teilnehmern, die sich den Sinn dieses Irrsinnsspieles auch nicht erklären können. Obwohl – hier gibt es einen Sinn: Der Träger der Maßnahme ist der TÜV Nord. „Und der lässt sich das mit bis zu 800 Euro vergolden - pro Teilnehmer, pro Monat. Im Moment üben 45 Personen das reale Leben. Da kommt ganz schön was zusammen.“ meinen die Autoren des Berichts.

Also Hamburg ist nur Teilkafka, weil Geld macht immer Sinn.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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