Kunst

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Wenn ich mich mit bestimmten Feldern der Kunstausübung beschäftige, befällt mich ein schmerzhaftes Gefühl des Ungenügens. Und ich denke, dass dieses Gefühl ein Bestandteil dieser ganzen Installations-, Performance- und was weiß ich noch -branche der Kunst ist. Daraus saugen die ihre Existenzberechtigung – die wollen mich nur ärgern.

Das kam mir in den Sinn, als ich in der Wisbyer Straße in Pankow auf die Bäume neben der Straßenbahntrasse starrte. Die sind mit Blümchen tapeziert. Wirklich, Blümchen in weiß.


http://static.twoday.net/magda/images/Wisbyer-2-Kunst.jpg

Und sogar das Fernsehen hat darüber berichtet. Es ist dies die Kunst einer Künstlerin, der es gelungen ist, der für Kultur und Kunst zuständigen Abteilung in Berlin-Pankow einen Haufen Geld aus dem Kreuz zu leiern.

Was soll ich daraus lernen? Dass Blumen auf Baumrinden gut sind? Ich soll mich an der Zweckfreiheit freuen, die mir da weiß entgegenguckt, ich soll an „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein“ denken. Genug. Genug.

Auch Installationen kreieren in mir nichts weiter als eine gewisse Ratlosigkeit. Lustig fanden wir bei einem Besuch in Köln das „Portable War Memorial“ von Edward Kienholz, das im Museum Ludwig zu besichtigen ist und reine, bittere Ironie transportiert.

Malerei – ob konkret oder abstrakt -das ist immer verständlich fürs Auge. Auch so schöne Sachen wie ein farbreines kobaltblaues Sofa, das an der Wand eines Kölner Museums hängt, kann ich mir beschwerdefrei angucken. Die Fettecke von Beuys – die finde ich schon nur noch mit langen Erklärungen gut. So, wie sie da so ist, sagt sie mir nichts. Ich will ja auch gar nicht, dass mir Kunst was sagen will . Im Gegenteil: Wenn es in Bereiche geht, die mir persönlich nahe rücken wollen, mir was entlocken oder mich schwer „betreffen“ wollen, dann befällt mich ein spießbürgerlicher Abwehrreflex.

Es ist ein Segen dass manche
Leute nur Künstler geworden sind

Dann sage ich mir bitterböse: Es kann ja durchaus ein Segen für die Menschheit sein, dass diese Kreativen, die sich als Performer und Action Künstler in die Welt einschreiben und einprägen wollen, am Ende wirklich bei der Kunst gelandet sind. Denn, was passiert, wenn jemand mit starkem Ego und großem Willen, der Welt was beizubringen, nicht an der Kunstakademie aufgenommen wird, das weiß die Welt schmerzlich. So einer findet verheerende, sehr dekonstruierende Gestaltungsmöglichkeiten. Obwohl – aus einem Maler wird vielleicht niemals ein Performer – oder doch?

Aus dieser Schreckensgeschichte muss die Welt gelernt haben, weshalb die Künstler eine große Freiheit und Toleranz erfahren. Meistens jedenfalls.

Die ist auch nötig, die Toleranz. Zum Beispiel, wenn jemand eine tote Kuh irgendwo runterwerfen will. Wo war das gleich?

www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2001/0720/berlin/0062/index.html

Ach ja, zur Einweihung der neuen Backfabrik im Prenzlauer Berg. Da wollte der Künstler Wolfgang Flatz, den Umgang der Menschen mit Fleisch thematisieren. Die Kuh – der Künstler hing auch irgendwo mit am Kran – knallte dann runter. Der autoaggressive Künstler hat auch schon mal als Fußabtreter gedient, las ich im „Spiegel“. Aha, ein Rindviech von oben ein Ochse von unten.

Diese Kunst braucht
Die Kritik der Unkundigen

Aber, so leichtfertig-unkundige Kritik gehört zu diesem Kunstkonzept mit dazu. Sie wirft ein entlarvendes Licht auf mich und meinen kleinen Geist, während der Scheinwerfer die tote Kuh anstrahlt. Furchtbar ist so etwas. Aber, es gehört zur Freiheit der Kunst.

Dass unterdrückter Kunstwillen Diktatoren erzeugen kann, kam mir auch noch bei einer anderen Kunstaktion in den Sinn. Was bewegt einen Menschen, andere Menschen zu bewegen, sich nackig zu machen und hinzustellen. Ist das nicht ein Milgram Experiment? Obwohl – nee, die kommen ja freiwillig dahin. Milgram ist es nur, wenn sie alle angezogen kommen und dann zieht sich einer aus und alle machens nach. Das kann der Künstler Spencer Tunick ja als nächstes mal angehen -schöpferisch.

Dass eine Frau wie Marina Abramovic Kunst machen darf, erfüllt mich immer mit Erleichterung, obwohl ihre Kunst mich immer wieder ärgert. Ich möchte nicht wissen, wozu die fähig wäre, wenn sie nicht der Welt ihr Leiden zeigen oder Beklemmungen erzeugen könnte angesichts pausenloser Selbstqälereien. Zum Beispiel:

www.kunstwissen.de/fach/f-kuns/o_pm/abramo0.htm

In der Performance Dragon Heads sitzt die Künstlerin auf einem Eisenbett, das auf vier Eisblöcken ruht, während sich um ihre Mitte Boa-Schlangen winden.

Ich fühle mich immer sehr klein und anfechtbar, wenn ich ihre Performances begucke. Oder ich könnte rasend werden und transponiere mich ins Avantgardefeindliche. Dieses Rasend werden nehme ich persönlich, das ist etwas, was Frau Abramovic ja in mir erzeugen will, vielleicht auch etwas frei legen in mir und mich damit zum Zubehör dieser Performances machen. So sehr tun mir die Haare weh, wenn ich sie auf Bildern sehe mit dem Rücken zu und an den Haaren zusammengeknotet mit ihren einstigen Kunstkomplizen Ulay. Diese bösen Vereinnahmungen.

Wenn ich nicht weiter weiß mit meinem Latein, lese ich – aus therapeutischen Gründen - mal wieder Ireneus Iredynskis Buch „Manipulation“.

Da hängt einer am Ende den Besuchern seiner Performance lauter blutige Kaldaunen um die Hälse. Die finden das alles irgendwie interessant und es endet trotzdem chaotisch und das entspricht so ungefähr dem Grad meiner Ratlosigkeit Diese verringerte sich, wenn ich das alles als riesengroße Veralberung zu den Akten legen könnte. Bis dahin aber verharre ich – von dieser Ausnahme jetzt mal abgesehen – in vorsichtigem, Ehrfurcht heuchelndem Schweigen vor dieser Kunst.

Oder ich denke mir auch eine tiefsinnige Performance aus:

Ich bastle mir ein Transparent in dieser altdeutschen reaktionären Schrift. Und darauf steht dann:

Der Führer ist ein Künstler.

Er hat die Welt nur deshalb in Brand gesetzt, um uns zu mahnen und zu zeigen:

So ist es, wenn Menschen die Welt in Brand setzen.

Wäre er Künstler geworden, hätte er das alles nur gemalt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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