Männer als Welterklärer

Gender Es gibt Erfahrungen, die machen viele Frauen, aber sie denken dabei, es ginge nur ihnen allein so. Das stimmt aber meist nicht.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Es ist schon eine Weile her – Anfang der 90er Jahre – da fuhren wir in den Urlaub nach Tirol. Eine hübsche kleine Pension mit netten Leuten. Einmal saß ein freundlicher, älterer Herr – mein Mann war irgendwo unterwegs – mit mir zusammen und als er erfuhr, dass wir aus dem Osten kommen, unterhielten wir uns darüber. Das heißt, ich wollte mich unterhalten, aber ich kam nicht dazu. Er erklärte mir – durchaus freundlich und zuvorkommend - wie er die Dinge in der ehemaligen DDR sah und was er davon hielt usw. usw. Er kam aus Pirmasens glaube ich. Seine Überlegungen waren auch interessant, aber außer freundlich blicken und nicken hatte ich keinen Part in dieser Show.

Ich kam einfach nicht zu Wort. So blieb das alles ein Monolog bis mein Mann erschien, eine Weile stumm zuhörte und mich dann zum Aufbruch drängte.

Damals war mir das noch sehr ungewohnt, aber inzwischen hatte ich dieses Erlebnis häufiger: Ich will mit einem Mann was bereden, aber es kommt zu keinem Dialog, es kommt meist zur längeren Monologen, die kaum zu unterbrechen sind. Das kannte ich vor der Wende eigentlich nur von Vorgesetzten. Die hatten auch die Lizenz zum Reden ohne Unterbrechung. Manchmal auch noch Ärzte und Lehrpersonal.

Aber in der Gegenwart ist es mir komischerweise bisher immer nur mit Männern aus dem Westen so gegangen. Die verbreiten die seltsame Überzeugung, dass es eine männliche Obliegenheit ist, der Welt die ihr gemäße Deutung und den Dingen ihre Einordnung zu geben. Ich dachte lange Zeit, das sei vielleicht mein Problem. Vielleicht, dass ich die entsprechende Lücke im Gespräch nicht finde oder was weiß ich

Die penetrante

Redelust der Männer

Jetzt aber wurde mir Erleuchtung zuteil. Ein Buch ist gerade erschienen, das bei deutschlandradio kultur besprochen wurde und Von der penetranten Redelust der Männer handelt.

Es stammt von der US-amerikanischen Essayistin Rebecca Solnit und hat den schönen Titel: Wenn Männer mir die Welt erklären.

Ausgangspunkt des Buches ist genau die Situation, wie ich sie in Tirol und dann immer wieder mal erlebte. Sie nennt dieses Verhalten das provokative Unwissen der vollkommen Unwissenden was mich grimmig erheiterte, weil mir auch das irgendwie bekannt vorkommt.

Es geht dabei natürlich nicht allein um diese smalltalk-Geschichten, es geht um die – immer wieder in der Debatte stehende und umkämpfte – Definitionsmacht.

Natürlich können – unabhängig vom Geschlecht - Menschen aufeinandertreffen und einer oder eine behält die Oberhand im Gespräch. Aber, es ist mir schon sooft eigentlich zu oft passiert , dass ich mich ärgern musste über Vorträge zu Dingen, mit denen ich mich gut auskenne. Auch in Talkshows sind es immer die Männer, die mehr und ausdauernder reden und ihre Redezeit verteidigen. Frauen kommen seltener zu Wort, wenn sie nicht inzwischen auch eine gewisse Durchsetzungskraft entwickelt haben.

Frau sein bedeutet offensichtlich für manche Männer Gefäß männlicher Weisheit zu sein.

Und mehr noch – in einer Welt, in der Männer bestimmen, worüber zu reden und worüber zu schweigen ist, bleiben wichtige Frauenthemen nach wie vor unbeachtet oder marginal.

Darum empfiehlt die Autorin: Die Frauen sollten“ der Verlockung zu Schweigen“ niemals erliegen, im smalltalk nicht und schon gar nicht wenn es um die Dinge dieser Welt geht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden