"Mahler auf der Couch" und ein Ehepaar im Sessel

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Wenn es jetzt nicht würde, würde es wohl nimmermehr, hatte ich angemerkt und gequengelt, es sei ja auch schon so lange her und es sei auch nicht "viel zu heiß" dafür. Und es täte uns beiden doch auch gut und bekräftige die Gemeinsamkeit. Wir sollten jetzt mal endlich wieder......ins Kino gehen. So hatte ich ordentlich Vorarbeit geleistet.

Wir machten uns auf bei strahlendem Sonnenschein und Schienenersatzverkehr Richtung „Kulturbrauerei“, wo in einem der zehn Kinos"Mahler auf der Couch" zur Vorführung kommen sollte.

Allerlei Verspätungsabenteuer hinter uns lassend, betraten wir das Kino. Und atmeten auf: Es war so herrlich klimatisiert, es waren zirka zehn Leute drinnen und die Sitze bequem. Ach und ein schönes kühles Wasser hatte ich auch erworben.

Los konnte es gehen mit der Anfangsszene, die einstimmte auf die künstlerische Intention des Vater- Sohn-Regisseurduos Adlon. Menschlich, ein wenig ironisch sollte es zugehen. Gustav Mahler (Johannes Silberschneider) - schwer geschockt von der Erkenntnis, dass seine Frau (Barbara Romaner) ihn betrügt – reist ins niederländische Leiden zu Freud (Carl Markovicz) - das ist ein einem anderen Blog schon ein bisschen beschrieben.

www.freitag.de/community/blogs/magda/gustav-mahler-gedenken-an-geburtstag-und-ehekrise


Wie Männer so "ticken"

Mahler also und Freud in der ersten Begegnung: Wenn ich was darüber erfahren konnte, wie Männer so „ticken“, dann schon bei diesem herrlichen „Sie sind Direktor und Sie Professor“ Kammerspiel. Es gibt ein schönes Gemälde "Zwei Männer, einander in höherer Stellung vermutend".

www.anerkennung.unibas.ch/konzept.html

"Zwei Männer einander in gleichrangiger Stellung wissend, um kleine Überlegenheitspunkte rangelnd." – so könnte man die Filmszene umschreiben.

Mahler will nicht auf die Couch

Freud will Mahler erst mal "niederlegen", auf seine Couch. Mahler findet, dass das so nicht geht und verlässt das Haus, sicher, dass ihm der Meister folgen wird. Und so durchkämmen sie das niederländische Leiden. Köstlich, wie Freud - angesichts der so viel jüngeren Alma - immer wieder nach dem ehelichen Verkehr fragt. Man weiß nicht, ob er therapeutische Bedeutung nur vorschützt, bloß neugierig oder ein bisschen "mitgeil" ist.

Das therapeutische Instrumentarium, es ist ein Witz. Irgendwann gelingt es Freud, den „teuren“ Patienten auf eine Feldbett-Ersatzcouch zu betten – denn er ist im Aufbruch nach Süden - und allerlei analytisches Brimborium mit ihm zu veranstalten.

Freud schreitet zu einer „Teilhypnose“, murmelt was vom Ich und Es und Über Ich und davon, dass wir „nicht Herr im Hause“ sind, will Mahlers eigene Schuld an Almas Fremdgehen durcharbeiten. Da ist es wieder das christliche Abendland - der Schuldbegriff kommt vor. Im Grunde ist das ganze therapeutische Drumherum nur behauptet, es ist ein "Gespräch von Mann zu Mann". Es kommen durchaus berührende Szenen vor, z.B. die Erinnerungen an die eigenen Mütter: Immer im Elend, immer schwanger, aber immer auch tröstlich da. Ich dachte daran, dass ein guter Freund wichtiger ist als ein bezahlter Therapeut. Was Freud über die Ehekrise meint, ist auch anderswo schon besprochen.

Fantastische Barbara Romaner

Durchbrochen ist die „Sitzung“ in Leiden von Episoden aus dem Eheleben mit der - fantastische Barbara Romaner - vor Sinnlichkeit fast zerschmelzenden Alma. Eine Künstleridylle sollte es sein - ein Gefängnis sei es geworden, schreit sie ihm entgegen.

Alma Schindler, sehr theatralisch, sehr verrückt, sehr gescheit, ist eben kein geträumter Muttertyp, ganz und gar nicht. Dass sie Mahler eigentlich nicht "riechen" konnte, dass sie aber dann doch statt der sexuellen eher der künstlerischen Potenz und nicht zuletzt dem Status eines Mannes erliegt - alles wunderbar mitgespielt. Welchen Handel sie eingeht macht die Szene mit dem berühmten Brief Mahlers an sie - noch vor der Hochzeit geschrieben - deutlich. Das Komponierverbot, die Regeln des Zusammenlebens, der Verzicht auf Eignes, die Einordnung Almas in Mahlers Leben – eindringlich nahegebracht. Sie gibt sich drein und es wird eine Künstlerehe inszeniert: Mahler stürzt aus seiner schöpferischen Klause auf die sonnige Wiese und jubiliert "Die Sechste ist fertig" und Alma läuft ihm „hollywoodesk“ entgegen, man umhalst sich und ist glücklich.

So sollte es sein, aber die Wahrheiten dieser Ehe sind Zwänge für Alma, viel Arbeit um die schöpferische Ruhe nicht zu gefährden, Schwangerschaften, unausgelebte Leidenschaft und der schreckliche Tod eines der Kinder, das Mahler abgöttisch liebte.

Im Kurbad entflieht Alma in die Affäre mit Walter Gropius. Und es kommt zum Eklat.

Alma aber wird bei Mahler bleiben. Der entdeckt - auf einmal - Almas kompositorisches Talent, fördert sie und widmet ihr seine „Achte“.

Um viel Zeitkolorit und -hintergrund in den Film zu packen, wählten die Regisseure einen Kunstgriff. Almas Mutter (Eva Matthes), Gustav Mahlers Schwester (Lena Stolze) oder auch Bruno Walter (Michael Dangl) geben in einer Art journalistischer Stellungnahme ihren Senf zur Affäre und allerlei Klatsch aus der Zeit.

Wie es ausgeht, weiß man ja. Am Ende erkennt Mahler seinen Anteil an der Ehekrise, von Schuld kann man nicht reden. Am Ende versöhnt man sich, aber Mahler stirbt ein Jahr später an einer Herzerkrankung durch eine verschleppte Erkältung. Alma nimmt an der Beerdigung nicht teil, flüchtet in eine Wahnsinnsaffäre mit Oskar Kokoschka und von da erneut zu Walter Gropius. Aber auch diese Ehe hält nicht lange. Am Ende des Films fahren zwei Männer im Eisenbahnabteil –einander gleichrangig gegenüber sitzend – und bieten sich das Du an. Ja, der Sigi und der Gustl, die haben in einer Nacht die Welt und die Frauen mal so richtig durchgenommen. Jeder hat seine Zigarre gekriegt und nun fahren sie zusammen wieder in die Welt. Der eine nach Italien, der andere heim.

Milder kühler Abschluss

Wir sind nach dem Kino nicht gleich heim. Wir traten hinaus – die Schwüle hatte sich aufgelöst. Es war schattig und mild. Wir haben uns auf die Terrasse der Kneipe gleich vor dem Kino gesetzt, das Bier war kühl und tröstlich und die Stimmung zufrieden. Zwei Stunden Sessel-Therapie für uns. Sehr angenehm. Die Musik Mahlers werde ich mir wieder vornehmen. Im Film sind das Adagietto aus der 5. Sinfonie und das "Ruhevoll" aus der 4. Sinfonie sowie dererste Satz aus der unvollendeten 10. Sinfoniezu hören. Die Musik gehört dazu wie de grandiosen Berglandschaften und das Wien des Fin de siècle.

Er war ein Streber, ein Karrierist, nicht leicht mit ihm, Gustav Mahler. Sein Denkmal ist in der berühmten Novelle „Der Tod in Venedig“ gesetzt, dessen Held Gustav von Aschenbach Mahlers Züge trägt.

Wir tranken unser Bier aus und liefen noch ein bisschen durch den milden Abend. Ich dachte an Alma. Ihr ist ebenfalls ein stimmiges und faires Denkmal gesetzt mit diesem Film.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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