Natascha Kampusch - Ohmacht und Zorn überleben

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Die Sendung über Natascha Kampusch - daserste.ndr.de/reportageunddokumentation/kampusch104.html ging uns lange nach. Meinem Mann imponierte vor allem die verbale Ausdrucksfähigkeit und mich die Fähigkeit zur Reflexion. Schon in den ersten Interviews nach ihrer Befreiung benannte sie das Radio hören, Lesen und Lernen überhaupt als wichtige Überlebenshilfen. Sie hat davon gelernt, sich hervorragend zu artikulieren. Was auch immer der Grund für diesen Film war - vielleicht die Hoffnung, danach in Ruhe gelassen zu werden – er war sehr bewegend. Sie selbst benannte gegen Ende der Sendung ihr inneres Ziel, unbedingt zu vermeiden, dass man sie als Opfer darstellt und dies von Anfang an, weil man sonst der Öffentlichkeit erlaube, sie weiter nach unten zu stoßen, immer und immer wieder. Das klang nach bitteren – auch medialen - Erfahrungen.

In der Gefangenschaft hat sie – wie sie berichtet – eine seelische Strategie entwickelt, die es ihr ermöglichte, sich innerlich von ihrem Entführer zu distanzieren und zu befreien. Sie nannte es, „Verzeihen“. In dem Moment wo ihr Gewalt und bösartige Willkür widerfuhren, verzieh sie ihm das schon. Sie betrachtete ihn als kranken Menschen, der nicht anders handeln kann. Nur so konnte sie sich vor den zerstörerischen Folgen von Hass und Ohnmacht retten. Sie meinte, mit diesen destruktiven Gefühlen im Herzen hätte sie nicht überlebt. Aggressionen, die man nicht ausagieren kann oder auch nicht will, brauchen eine Umwandlung. Mir fiel die christliche Strategie des „Verzeihens“ ein, oder auch dies „Die andere Backe“ hinhalten. Schafft man damit nicht auch genau die Gleiche ? Und – überhebt man sich damit nicht über jenen anderen Gewalttätigen, scheinbar Stärkeren?

Der Aggressive, der es nicht besser weiß und der Duldsame, unendlich Weisere, der seine Ohnmacht mit dieser Überlegenheitsstrategie bewältigt? Andererseits - ist Aggressivität nicht auch eine zutiefst menschliche Eigenschaft? Es gibt ihn eben doch, den Unterschied zwischen einfachem Verdrängen und Sublimieren - vielleicht.

In Kampuschs Fall war es auf jeden Fall eine wirksamer und weiser Umgang mit Ohnmacht und Ausgeliefert sein. Mir fiel noch vor dem Einschlafen das Buch von Viktor E. Frankl ein: „...trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“.www.amazon.de/trotzdem-Leben-sagen-Konzentrationslager/dp/3423301422

Er schreibt im Vorwort, der Gedanke, er stünde später einmal vor einem Auditorium und berichte über diese demütigende, entsetzliche Zeit aus wissenschaftlicher Sicht , habe ihm Kraft gegeben. Dieses objektivierende Beobachten schafft ebenfalls den Abstand, den die Seele braucht, um nicht zugrunde zu gehen. Wie lange aber der Mensch das durchhält, wer weiß es schon.

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Zum Schluss der Sonnenaufgang vom Tage zum Trost
und den Sonnenuntergang vom Tage (unten) gleich mit.
Das war ein irrer Aussichtstag.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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