Immer mal wieder wird einem in Zeiten, da alle das bestehende System kritisieren und aus den Höhen der eigenen Einsichten alle jene verdammen, die - vielleicht - noch ein bisschen praktisch denken, auch wieder Trost zuteil.
Vor einiger Zeit habe ich schon mal über den Nutzen der Naivität gedichtet und damit sehr sehr viel kritische Kommentare geerntet.
Heute habe ich mir zweierlei angetan:
Erstens - ein Video gesehen, bei dem ein gewisser Helmut Roewer ,der bis 2000 Präsident des Verfassungssschutzes in Thüringen war und ein elender Schwadroneur ist, mit dem Betreiber eines höchst zeitkritischen Videokanals namens Michael Friedrich Vogt über das Elend der Zeiten spricht. Die Politsendung "Panorama" hat sich damit befasst
Es kommt alles vor, die Merkel, die Flüchtlinge, die Political Correctness, die Genderfrage am Rande. Bald gibt es einen Umsturz. Es zieht sich so hin.
Und wieder ist es so, dass viele, von denen, die mit diesem Roewer nun wirklich nichts zu tun haben wollen, bei einigen seiner Aussagen zustimmend und wissend nicken könnten: Wenn er so vom Verschwinden des Rechtsstaates jammert oder dem Versagen der politischen Eliten. Ausgerechnet Roewer, dem der Ruf nacheilt, ein Versager, ein exzentrischer Wirrkopf gewesen zu sein. Egal, egal ...er stimmt ein in den Chor derjenigen, die alles in diesem Lande als in "Endzeit" befindlich verstehen.
Als es mir zuviel wurde, habe ich mir ein schönes Interview in der Taz angetan; Das Resultat ist Selbstzerfleischung.
Es geht um den Autor Thomas Edlinger, der in seinem Buch Der wunde Punkt über die Besserwisser und Nörgler im Netz geschrieben hat.
Ich habe ihn im oben verlinkten Beitrag schon mal erwähnt.
Er nennt das Miserabilismus.
Der Interviewer Peter Unfried fragte Edlinger, worum es dem Miserabilisten geht:
Der Kern dieses Miserabilismus ist, dass die Problemlagen so hochgehängt werden, dass sie bitte schön verlässlich nicht lösbar sind. Der Miserabilist fühlt sich erst richtig wunderbar, wenn er vor Weltekel fast zerplatzt. Je schlimmer, desto besser. Berechtigte Kritik am vergitterten Weltbild des Miserabilisten selbst aber wird vom diesem ignoriert oder als angeblich unkritischer Reformismus abgetan.
Das hat gutgetan.
Und noch ein hervorragender Satz, der auch in diese Flüchtlingsdebatte passt
Man kann selbstverständlich die Flüchtlingsströme von heute in Grundsatzartikeln mit Jahrhunderten des Imperialismus, Kolonialismus, Kapitalismus verbinden. Da spricht viel dafür. Dennoch ist es womöglich sinnvoller zu sagen, wie viel Geld wir jetzt für wen zur Verfügung stellen, wie wir Unterkunft, Transport, Arbeit, Bildung organisieren, ohne den Kapitalismus abzuschaffen und die Spätfolgen des Kolonialismus nachträglich ausbügeln zu wollen, sondern indem wir konkrete Handlungen vollziehen.
Yepp, Gottseidank, da sagts doch mal einer. Man muss in diesem Meer an falsch verstandener und wohlfeiler Systemkritik, die alles will, nur nichts wirklich anpacken, nicht hilflos herumpaddeln, man kann auch Gleichgesinnte treffen, die schändlicherhweise in dieser schlimmen Welt ohne Gewissensbiss an das Gute glauben.
Man ist kein böser Komplize des Kapitals, wenn man auch einmal auf die "Verdienste" und manche Errungenschaften des Kapitalismus verweist, das hat übrigens auch schon Gregor Gysi getan. Man ist in guter Gesellschaft, wenn man sich jetzt erstmal fragt, wie man helfen kann.
Manchmal denke ich wirklich, man kann den Untergang nicht nur herbeireden, sondern ihn auch herbeiplappern statt sich nützlich zu machen.
Kommentare 29
der in seinem Buch Der wunde Punkt über die Besserwisser und Nörgler im Netz geschrieben hat.
Man muss ja nicht jede Nörgelei mitlesen. ;-)
Aber ab und zu tue ich es sogar ganz gerne, lesen oder nörgeln - ich darf nur keine Überdosis kriegen.
"Der Kern dieses Miserabilismus ist, dass die Problemlagen so hochgehängt werden, dass sie bitte schön verlässlich nicht lösbar sind. "
Das ist glaube ich ein Urrtum des Autors. Wenn überhaupt, geht es bei dem Miserabislisten wie bei dem Kritikassen, sprich Kriechkritiker (Begriff bei Pter Schneider) darum, darum, sich jeder wirklichen politischen Entscheidungen, Meinung, konkrete Forderung im Für oder Wider ins Wolkenkukusheim des unverbindlich Kategorischen zu entheben.
Gerade wurden 47 politische Gefangene vom Verbüdneten Deutschlands Saudiarabien propagadistisch begleitet hingerichtet. Von Protesten der Bundesregierung im Vorfeld habe ich nichts gehört, geschweige denn von diplomatischen Bemühungen, das sunnitische Terror- Regime in Saudiarabeien von diesen Hinrichtungen abbzuhalten.
Was machst Du denn konkret an dem, was Du hier für alle eingefordert wissen willst?
Übrigens ein Gutes Neues Jahr 2016!
Zur Erläuterung:
http://www.taz.de/!5260602/
Debatte Verfolgung arabischer Autoren
Ensaf Haidar hält ein Bild ihres inhaftierten Ehemanns Raif Badawi in den Händen
Illja Trojanow 30.12.2015
Ensaf Haidar hält ein Bild ihres inhaftierten Ehemanns Raif Badawi in den Händen
Ensaf Haidar hält ein Bild ihres inhaftierten Ehemanns Raif Badawi in den Händen. Foto: dpa
Leserkommentare:
Joachim Petrick 1.1.2016.1.15 Uhr
Danke für diesen Artikel!
1977 im sogenannt "Bleiern deutschen Herbst" gab es noch keine Social Netzwerke, aber vergeblichen Protest westdeutscher Öffentlichkeit über das lange Schweigen der Bundesregierung Schmidt/Genscher und die Unterlassungen deren Staatssekretäre von Dohnanyi, Hamm- Brücher, des deutschen Botschafters in Argentinien in der Causa deutscher Studenten, Betriebsräte bei Daimler in Buenos Aires, voran Elisabeth Käsemann, die inhaftiert, gefoltert von der argentinischen Militärjunta unter Generalissimo Jorges Videla ermordet wurden, untätig bleiben, der Öffentlichkeit durch Verlautbarungen lügenhaft Aktivitäten vortäuschen, während Österreich, England ihre Staatsangehörigen aus der Haft, der spanische König Juan Carlos und Gattin gerade zwei Jahre nach der Franco- Diktatur im Amt persönlich spanische Bürger aus Argentinien mit ihrem Staats- Jet heimholten. Damit will ich sagen, dass die Bundesregierung, trotz allen Verkündigungen der Bundeskanzlerin "Wir schaffen das" im konkreten Fall immer noch verlogen untätig bleibt, wie 1977
"das gegen ihn gespritzte gift verwandelt der kapitalismus sogleich und laufend in rauschgift und genießt dieses."(b.b.)
beste magda. polit-kater/-frust ist eine häufige erscheinung beim zusammentreffen von immun-schwäche und klimatischen herausforderungen. ähnlich grippalen infekten sind sie bei zurücknahme von überforderndem streß leicht kurierbar, hoff ich:
humanitäres engagement, sozial-demokratisches reform-bemühen, traditions-kommunistischer subbotnik haben eines gemeinsam: sie lassen sich system-erhaltend prima nutzen.
denn ein (politisches/ökonomisches) system ist deshalb ein system, weil es keinen kopf hat, den man u.u. abschlagen könnte.
es hat zahlreiche köpfe, die für das system orientieren. sorgen, daß andere ihm zu-arbeiten, quer-treiber so wenig wie möglich stören. und wichtig ist, daß die, die vom system weniger profitieren, bei der stange bleiben: sie reproduzieren den reichtum des systems, sind national-stolz auf ihre "wir-ökonomie". keine alternative scheint praktizierbar, der spatz in der hand ist den genügsamen genug. die hegemoniale leitung der politik überlassen sie den von ihnen demokratisch ermächtigten führern, die sich da besser auskennen.
solang sie überzeugt sind/werden,daß ein optimum für sie vom - in privater regie - gesellschaftlich-produzierten großen kuchen abfällt, werden einwände relativiert und weiter gewurschtelt, bedrohlich-keiten mit opfer-sinn aus-gehalten, wenn auch mit murren.
wenn also eine allgemeine, massenhafte loyalität zum groben-ganzen, ob durch gedanken-armut oder ein-lullung getragen, eine mentalität des " weiter-so" vor-herrscht, bleibt die wirkung aufrüttelnder appelle, vor-bildlichen einsatzes, kleverer kritik merkwürdig unsichtbar. maulwurf-haufen werden platt-gemacht, -aktivitäten überwacht und/oder marginalisiert der verächtlich-machung ausgesetzt.
wer dennoch vor ent-täuschung-produzierenden, gut-gemeinten naiv-strategien warnt, glaubt,es besser zu wissen sollte nicht ungeprüft in einen pool geworfen werden, in dem sich kultur-kritisch-gebende misere-enthüller aalen, die sich auf die abschreibung ihrer hoffnungen verlegen und die ent-mutigung anderer zum erfolg erheben.
das recht auf vereinfachendes, personalisierendes, moralisierendes denken, das dürftiges differenzierungs-vermögen verdeckt, raum läßt für lern-unwillige naivität, das beharrliche reiten toter gäule heroisch gorifiziert, gehört leider zum grund-bestand unseres kultur-erbes und sollte nicht gedeckt werden, sondern gehört ent-zaubert.
Eine festgefahrene Einzelmeinung, die sich ganz offensichtlich daraus rekrutiert, die eigene Frustration und Nörgeligkeit als ”Miserabilismus" der Anderen external zu attribuieren. Nicht des Lesens wert.
das streiten ist in einem gemein-wesen, das durch burg-frieden-politik, volks-gemeinschafts-taumel, allgemein erlittenen welt-kriegs- und anderen katastrophen, getoppt durch lager-bildung hüben und drüben mit aparten zuschreibungen wie sozialismus bzw. anti-kollektivistischem freiheits-pathos, also durch permanente formierung sich auszeichnet, eine befremdliche tätigkeit.
sich zu einem größerem zugehörig-fühlen ist dagegen staatlich eingeübt. der prozeß: individuum contra gesellschaft/staat wird weithin als ungezogenes nörgeln ausgetragen und bewertet.
vergessen wird, daß gesellschaft nicht eine veranstaltung von freunden, sondern von fremden ist.
Ein schönes Wort: Miserabilismus. Es suggeriert nicht mal eine politische Richtung. Deshalb könnte es zur neuen Kategorie werden, um Linke und Rechte gemeinsam einzudosen. Damit bekommt die sich selbst bespiegelnde politische Mitte eine Wortwaffe in die Hand, die Positionen jenseits von ihr unbesehen auf den politischen Misthaufen verbannen kann. Das beste daran ist, dass die eigene schönfärberische aber radikale Position der Benutzer dieses Wortes zur politischen Vernunft erhöht wird.
Praktisch. Mit dem "Besserwisser" wird auch gleich der miterschlagen, der auch tatsächlich etwas weiß.
"Schoenes Neues" - Ebenso.
Der Begriff Miserabilismus ist eigentlich schon ein alter. Wie wir beide wissen, wurde er von dem Philosophen Eduard von Hartmann in seinem Buch Zur Geschichte und Begründung des Pessimismus, das 1880 erschienen ist, verwendet. Insbesondere gegen Kollegen, die er als Entrüstungspessimisten einordnete, argumentierte er:
Wenn der Entrüstungspessimismus pietätslose Dünkel eines abstracten Idealismus in unsrer Jugend grosszieht und sie zur Erschöpfung ihrer Kräfte in unfruchtbarer Negation des Bestehenden anleitet, so bildet der quietistische Pessimismus thatenlose Träumer aus und er tödtet die instinctiven Antriebe zur Verwerthung der Kraft, zum Wuchern mit dem geliehenen Pfunde. Ersterer verpufft die Volkskraft nach aussen, ohne sie zur inneren Entwickelung haben reifen zu lassen; letzterer verzehrt sie dadurch, dass er sie rein nach innen kehrt und ausschliesslich auf die spielende Beschäftigung mit sich selbst und ihrem Schmerz anweist.
Ersterer erzieht Zungenhelden und demagogische Querulanten, letzterer schöngeistige Schmarotzer. Die Fehler dieser beiden Formen vereinigt der Miserabilismus in sich, der geboren wird aus dem Zusammentreffen von angeborener Dyskolie, von krankhafter Reizbarkeit und Empfindlichkeit, von günstigen Lebensverhältnissen, von Ungeschicklichkeit in Benutzung sich darbietender günstigerer Chancen, von lebhafter Phantasiethätigkeit in Ausmalung künftiger Unannehmlichkeiten und Schrecknisse und von mangelnder Energie und Consequenz im Streben, Handeln und Wirken.
Das waren noch Zeiten, als man außerhalb der political corectness frei argumentieren konnte und andauernde Selbstzensur eher unbekannt war: Zungenhelden, thatenlose Träumer, demagogische Querulanten, schöngeistige Schmarotzer sind doch Begriffe, die Bedeutungsschwere vermitteln. Da darf der Miserabilismus nicht fehlen.
Schau mal hier. Dann klicke auf Read Online. Ist aber kein vollständiger Text.
Wunderbares Fundstueck, THX
Danke GEBE , dass Sie es doch gelesen haben. :-)
Frohes neues Jahr.
welch wunderbarer wort-baustein-kasten,einander unzulänglichkeiten auf höchstem bildungs-niveau um die ohren zu schlagen. die alt-vorderen haben auf dem pauk-boden ein arsenal an hieb-und stich-waffen erprobt. dezenz und pazifismus galten als schwäche,diskurse wurden mit dem hammer geführt, thesen-papiere nicht ertanzt.
Ich kann und will nicht auf alles eingehen. Einige Kommentare bestätigen auch meine obige Impression. Aber, ich erlebe die Art der Systemkritik, die ich lese auch als lähmend und eigentlich handlungsverhindernd. Mehr Selbstdarstellung und -bespiegelung. Das ist es.
Davon abgesehen habe ich ein ganz hervorragendes Feature zum Thema Medien entdeckt. Vielleicht ist es hier ja schon einmal verlinkt worden.
Vertrauen ist gut - zum Lesen
und zum Nachhören
das urteil über deutsche hieß: gedanken-voll und taten-arm. hölderlins diktum hat sich heuer bei vielen ins gegenteil ver-kehrt.
* * * * *
Gesegnetes Jahr.
@ Magda
Ich versteh das nicht. Statt sich mit den Argumenten zu beschäftigen und sie , wenns denn möglich ist, gnadenlos auseinanderzunehmen,
wird darüber genörgelt, dass genörgelt wird.
Irgendwas stimmt da nicht.
Auch das gehört zum politischen Leben. Ich rege mich eher darüber auf, in welcher Form worüber genörgelt wird. Denn das ist auch symptomatisch für das Zeitklima.
weiß nun,was magda-stöckchen be-sagen: mach einen bogen und paß auf: die nächsten sind schon auf-gestellt.
"ich muss dazu anmerkhen dassh ich ein abhsoluther 19. Jahrhundertfhan bin. Wer 19. Jahrhundhert nicht kaphiert, kaphiert weder den 1. noch den 2. Welthkriech..."
Aber schon Eddy von Hartmann wies -später oft kopiert- warnend darauf hin: "Wer sich an das 19. Jahrhundert erinnert, hat es nicht erlebet."
Ein frohes Neues mit Erkenntnis-Tatkraft-Abhäng-Drittelmix (der Wellnesscoach empfiehlt ein 15:15:70-Verhältnis) je nach eigener Vorstellung wünsche ich Dir & allerseits.
Helmut Roewer mit seiner unmittelbaren Verantwortung für das Abtauchen des NSU in den Untergrund als – zwischenzeitlich auch von Jürgen Elsässers Compact publizierter – »Experte« … ja, für was eigentlich? Jedenfalls: Wenn Experten für den Tiefen Staat plötzlich über Werte reden und sich zum Mahner aufschwingen, dann ist irgendwas schwer faul im Staate Dänemark.
Sicher ist auch der immer weiter ausufernde, konsequenzlos sich hinter Nicknames versteckende Web-Kritikismus mittlerweile eine veritable Seuche. Insofern sind Freitag und dFC – als Epizentren der von Edlinger kritisierten Nebenwiderspruchs-Verabsolutierung – gute Beispiele dafür, wie man via Verabsolutierung sechstrangiger Probleme das Ansehen der Kritik das Klo hinunterspült. Insofern – ein interessantes Buch.
Meines Erachtens jedenfalls wäre gegen den vom Autor aufgeführten Pragmatismus und das Plädoyer für die Wiedereinführung von Prioritäten null einzuwenden.
Shitstorm gegen evtl. von mir getätigte Aussagen --> unten auf Button mit der Sprechblase klicken und sich verbal die nötige Erleichterung verschaffen.
@ Magdas SWR- Link:
Oh Mann/Frau Magda. Soll ich jetzt 24 Seiten PDF lesen? So kurz vor dem Abendmahl? Kann aber sein, dass ich es selbst im Schwabenfunk gehört hab.
@ magda und "Form"
Eine spontane Gegenposition:
Manche vernachlässigen aber auch aufgrund des elfengleichen Klangs der Rede und der kunstfollen Feinziselierung ihrer genialistischen Grammatik auch die Beschäftigung mit dem Inhalt dessen, worüber sie eigentlich reden wollten. (-;
(Dies Lesende seeeeelbstverständlich ausgenommen)
Aber in einem Sinn haben Sie auch Recht: In der Kunst des tonal- emotionalen Ausdrucks, wo´s um Gefühle geht, da macht in der Tat der Ton (die Form) erst die Musik.
Wenn er so vom Verschwinden des Rechtsstaates jammert...
Also was den Rechtsstaat anbetrifft, da muss ich widersprechen. Der ist nicht verschwunden, sondern nur umgezogen: vom Schwurgerichtssaal, wo es auch nicht schön war, in die Registratur. Das sollte man als Ex-Verfassungsschützer wissen.
Ja, wo sind die guten Seiten des Kapitalismus (Verdienste, Errungenschaften), die die Bloggerin erkennt? Die mag es mal in Westeuropa gegeben haben - vor dem Mauerfall und dem Zusammenbruch des Ostbündnisses. Damals bestand noch eine gewisse Konkurrenzsituationen zwischen zwei ideologischen Systemen, die der Kapitalismus mit "rheinischen" Mitteln der Bonner Republik stützte. Heute sieht die Lage völlig anders aus. Der Ökonom Stephan Schulmeister beschrieb sie in einem Interview in der Frankfurter Rundschau so:
Die Finanzmärkte wurden liberalisiert, die festen Wechselkurse aufgegeben, Finanz-Derivate geschaffen, der Hochfrequenzhandel erlaubt. Dadurch wurden unendlich viele Möglichkeiten geschaffen, mit Spekulationen hohe Gewinne zu machen. Gleichzeitig wurde das Wirtschaftswachstum schwächer. Für Unternehmen wurde es schwieriger, mit der Ausweitung der Produktion hohe Gewinne zu erzielen. Also verlagerte sich ihr Gewinnstreben auf die Finanzmärkte. Das Kapital ist nun einmal ein nimmersattes Tier, das dorthin geht, wo es am meisten zu fressen gibt.
Da haben wir wieder einen, den der Gewährsmann Thomas Edlinger für die Thesen der anderen Seite des Kapitalismus einen Miserabilisten nennen würde. Diesen Begriff und die Definitionsgrundlage hat der ehemalige Student der Philosophie aus den philosophischen Diskursen des 19. Jahrhunderts übernommen. Das ist nicht anrüchig, aber in dem aktuellen Zusammenhang nicht ungefährlich, da dieses Wort zur Keule gegen die Kritik am Kapitalismus werden kann.
mis...-macher: geht doch nach drüben!
Wenn ich wüsste, wo das Drüben ist. Polen und Ungarn schaffen gerade bessere Voraussetzungen für die kapitalistische Wirtschaftsform, da sie demokratische Hürden wie die Teilung der Gewalten abschaffen. Und Russland? Da hält Snowden den Platz besetzt, da er wegen seiner Transparenzaktion gegenüber den wirtschaftspolitischen US-Gepflogenheiten ins Exil musste. Ich könnte mir höchstens die deutsche Exklave Mallorca vorstellen, bei Thomas Gottschalk, Dieter Bohlen, Jürgen Drews, Helene Fischer, Peter Maffey oder Florian Silbereisen. Die haben in besonderer Weise die guten Seiten des Kapitalismus kennengelernt. Vielleicht fällt da ein Krümel mehr für mich ab.
Magda kann ich ja noch ernst nehmen, indem ich mich über sie ärgere. An einer Stelle stimme ich ihr sogar zu: Wir bräuchten ein Mehr an Darstelungen hier in der FC, die zeigen, wo, wie und warum z.B. solidarisches Wirtschaften an welcher Stelle geklappt hat und welche Erfahrungen einzelne Foristen machen. Davon mehr wäre ein Neujahrswunsch meinerseits.
Im Gegensatz dazu kann ich Merkels (Entschuldigung Magda, das ist jetzt purer Zufall, dass mir diese Person in den Sinn kommt) Alternative zur Miserabilität nicht ernst nehmen. Sie gipfelt in dem Satz "Wir hatten fünf gute Jahre" oder so ähnlich, immer wieder, in allen erschreckenden Variationen. Das als Gegenstück zur Miserabilität mir vorzustellen, nein vorstellen müssen, lässt meine diabolischen Anteile geradezu aufjaulen, ich werde bekennende Grantlerin und Miesepetrin und was sonst noch.
Sind denn alle in der FC nur MaulheldInnen? ich ging bis jetzt davon aus, dass die große Mehrheit, in welcher Form auch immer, aktiv ist am Aufbau einer anderen Lebenskultur.