Rüttgers Entgleisung

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Manchmal ist mir eine Entgleisung wie die von Rüttgers lieber, als die eher verdeckten Ausrutscher in Richtung – ich will nicht gleich Rassismus sagen – aber Schüren von Fremdenfeindlichkeit. Da weiß man, woran man ist.

Dass sich Rüttgers im Mainstream wähnt, ist möglicherweise mit mangelnder Sensibilität gegenüber der Art, wie man sich bei solchen Fragen artikuliert oder dem demagogischen Handwerkszeugen, die man da einsetzt, zu erklären.Koch ist da gerissener mit seinen ausländerfeindlichen Anklängen. Der lässt sich nicht so einfach kriegen.

Aber in diesem Lande muss man sich nicht wundern. Klischees bestimmen die wesentlichsten Sendungen auch des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Und viele sind einfach durch ihre Häufung fremdenfeindlich.

Taucht ein Migrant in einem Tatort auf: Dann ist er – damit es Korrekt zugeht – jetzt auch mal Kommissar.

Wenn er das nicht ist, dann ist er:

Wenn er Türke oder Türkin ist: Verwickelt in Ehrenmorde oder Zwangsheiraten, vielleicht auch ein Problemkind in einem Problemkiez. Auch islamistische Umtriebe werden jetzt manchmal gern genommen.

Wenn er Russe oder Russin ist: Verwickelt in Mafia –Geschäfte, überhaupt in die OK mit allerlei Gangsterattitüden

oder:als Zwangsprostituierte ausgebeutet.

Als Balkaneuropäer oder –europäerin: als minderjähriges Klaukind unterwegs, oder als Securitate-Mitglied bei der Installierung von effektiven kriminellen Banden tätig.

Als Pole – verwickelt in allerlei grenzüberschreitende kriminelle Handlungen, zum Beispiel Menschschmuggel über die deutsch-polnische Grenze. Oder als schwarzarbeitender Bauarbeiter in der Bredouille.

Es geht dramaturgisch vielleicht gar nicht (mehr)anders: Wenn ein Türke, zum Beispiel als Zeuge auftritt, dann erwartet man, dass er auch in den Kriminalfall verwickelt ist – in der ethnisch-klischierten Weise. Wozu nimmt man da sonst einen Türken? Dass es einfach ein Zufall sein kann, dass da ein Türke Zeuge war, glaubt niemand so richtig.

Als Afrikaner oder Afrikanerin wird man glaube ich bisher ziemlich in Frieden gelassen mit der Einordnung. Die kommen auch selten vor. Oder - wie Pierre Sanoussi-Bliss in „Der Alte“-als inzwischen schon völlig verwurzelte Deutsche. Oder in einem älteren Tatort als Voodoo-Meister oder –meisterin oder so ähnlich. Frauen aus Schwarzafrika – sind oft durchaus schmückendes Beiwerk, haben aber keine richtige Zuschreibung, glaube ich. Eher gelten sie als gut integriert.

Man muss aufpassen in diesem Lande. Klischees sind gang und gäbe. Und da hat der Rüttgers gedacht, er blickt nach seiner Aussage über die Rumänen in die Runde und alle sind einverstanden. Waren sie sicher auch in vielen Fällen, aber so direkt darf das nicht demonstriert werden.

Dass die Medien und vor allem die politischen Kontrahenten so was aufgreifen – gehört zu den gängigen Ritualen. Aber im Grunde sind auch jene, die sich jetzt so aufregen, nicht ganz frei von Anwandlungen zweifelhafter Art. Schon seit dem merkwürdigen taz-Titel, in dem das Weiße Haus als „Onkel Baracks Hütte“ bezeichnet wurde und – noch krasser – seit dem Ausdruck „gaskammervoll“ in der gleichen Zeitung ist klar, dass man auch da hin und wieder mal ein bisschen politisch inkorrekt sein will,Und- wenn’s ungefährlich sein soll, dann geht es auch gut gegen Ossis. Na und Lafontaine hatte auch zwischendurch mal Zungenschläge auf der Pfanne, die demonstrieren: Auch er kennt die diffusen Ängste der Menschen und hat sich Gedanken darüber gemacht, in welche Richtung man die kanalisieren kann.

In der politischen Mitte mag man das nicht. So was weckt Empörung, vor allem, weil es Sprachregelungen missachtet. Und das ist eine Sünde gegen das Stilgefühl. Dass man den Unwillen, seine Kinder in eine Schule mit zuviel Migrantenzu schicken, sorgfältig und semantisch abklopfbar formulieren muss, weiß jeder in diesem Milieu. Oder dass die Ablehnung von unterschichtigen Einrichtungen (Obdachlosenheime z. B:) in einer etwas bessersituierten Gegend sorgfältigen Umgang mit dem Wort braucht, ist auch Allgemeingut in diesen Kreisen. Man schmettert so was mit der Wendung ab: „Dann stimmt die soziale Mischung nicht mehr.“.

Also der Rüttgers-Aufreger ist wohlfeil, aber wenn ich der politische Kontrahent wäre, würde ich mich auch dieser prima Vorlage bemächtigen. Aber man muss eine Menge an Hypokrisie dabei verdrängen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden