Es ist schon gut, dass die Debatte „durch“ ist – ich meine um tragische Krankheitsgeschichten und ihre literarische Verarbeitung.
Im nachhinein sage ich mir: Man soll kein Urteil fällen über ein Buch und seine Intentionen, wenn man noch nichts davon gelesen hat.
Jetzt habe ich mir Christoph Schlingensiefs Buch vorgenommen: „So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein.“ Schon nach einigen Seiten war ich ziemlich geplättet, vor allem was den Stil betrifft. Da ist jemand ganz ganz traurig und irgendetwas ist supertoll ,er hat auch in seinem Leben immer lecker gegessen und außerdem bastelt der Autor an einer Aufführung. Um Himmelswillen – welche Sprache wird hier geführt. Eine Mischung aus Kleinkinderduktus , nachgemachtem Roggenfänger-Caulfield und Boulevard. Ich bin enttäuscht. Jaja ich kenne den Hintergrund: Das sind Aufzeichnungen, die eigentlich nicht veröffentlich werden sollten. Trotzdem: Ich hätte dran gearbeitet.
Was ich auch merkwürdig finde: Der Autor – einer von Milliarden Menschen auf dieser Erde -„telefoniert“, wie es einst Alma Mahler Werfel über Gustav beklagte – dreimal täglich mit dem lieben Gott. Über das Leiden. Und zwischendurch dann kriegt er Einsichten: Nämlich, dass es mit Gott vielleicht ginge, aber nicht mit seiner Vertriebsmannschaft. Kurzerhand: Ein kranker Künstler, ist ein kranker Künstler, das ist zutiefst traurig und man weiß nicht, wie man selbst auch ohne künstlerische Ambitionen...Aber er ist eben auch ein sprachohnmächtiger Künstler, der Schlingensief. Und hat mit Gott, mit dem man auch mal ordentlich deutsch reden muss, noch eine Rechnung offen. Ich denke an Kurt Tucholsky, der über diese Endlichkeitsfragen und des Sichverlierens in der Ewigkeit auch mal meditiert hat und den Spruch fand: „Ich werde mir doch sehr fehlen“.
Es ist abendländisch, die eigene persönliche Existenz bedroht zu sehen, andere Religionen mögen sich trösten mit dem Eingehen in ein Ganzes, Ewiges, Unvergängliches.
Männer des westlichen Kulturkreises nehmen Gott und Jesus am Kragen und fragen nach, was das denn nun soll. Ich weiß es nicht, was da soll. Es ist ungerecht und es ist Schicksal, dass eine böse Krankheit Menschen heimsucht ohne Botschaft von oben und ohne Sinn. In Afrika werden sie mehr davon wissen....
Kommentare 1
Der Spruch von Tucholsky ist sehr humorvoll!
Schlingensief verdient für sein kulturelles Lebenswerk Respekt. Hoffentlich geht es für ihn weiter. Gleichsam glaube ich nicht, dass Du mit Deinem Blog zu weit gegangen bist. Der Tod macht jedem Menschen Angst. Eine vernünftige Einstellung dazu zu finden, ist sehr schwer. Mit einer schweren Krankheit ist es noch schwerer. Schlingensief hat ein Recht auf seinen Schmerz. Es tut aber weh zu sehen, dass ihm dieser Schmerz vermutlich nicht weiter hilft. Ich wünsche ihm ganz viel Kraft und liebe Menschen, die ihm mit gutem Rat beistehen, ihn trösten und stützen. Möge er die Kraft haben, seinen Weg mit Selbstvertrauen weiter zu gehen.