Sinnlos in allen Lebenslagen*

Bücherkalender Von der Erdenschwere praktischer Ratschläge und Allgemeinplätze, die Margot Käßmann in ihrem Buch von sich gibt, zeigt sich Magda trotz Solidaritätsbonus ziemlich genervt

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Sinnlos in allen Lebenslagen*

Foto: jokebird/photocase

von Magda

Hin und wieder lese ich Ratgeber – z. B. Diätratgeber: Über Trennkost habe ich mal gelesen und über Lowcarb-Essen und über die Atkins-Diät und darüber, warum die Atkins-Diät nix taugt. Jetzt esse ich wieder - was ist eigentlich das Gegenteil von Trennkost? – Zusammenkost. Die Phase ist vorbei.

Beziehungsratgeber habe ich auch ne Weile mal gelesen. Was passiert, wenn Frauen zu sehr lieben oder wenn Männer lieben lassen oder wenn sie keinen Vater haben und all so ein Zeug.

Auch das ist eine überwundene Phase.

Der nächsthöhere Schritt sind dann die Ratgeber, die das Leben – meist einer ganzen Alterskohorte – im Blick haben. Sowas wie „endlich 40“ oder „endlich 50“ usw. bis ....“Endlich tot“ sind da die gängigen Titel.

Es hängt damit zusammen, dass ich noch in einem Buchclub bin. Und die schicken, wenn man nicht aufpasst, irgendwann automatisch ein Buch des Quartals. Vor einiger Zeit war das ein Lebensratgeber. „In der Mitte des Lebens“ von Margot Käßmann. Ich war ganz aufgeschlossen dafür, weil Frau Käßmann – zu Zeiten, da ich das Buch empfing – auch gerade übel von den Medien gezaust wurde, weil sie mit Alkohol im Blut Auto gefahren war und dabei eine Rote Ampel übersehen hatte. Wenn man – wie Frau Käßmann – den Krieg in Afghanistan nicht gut findet, dann darf man sich bei nichts mehr erwischen lassen, sonst erwischt einen eiskalt die Springer-Presse. Darüber müsste man mal einen Ratgeber schreiben. Wie vermeidet man von BILD erwischt zu werden.

Also einen Solidaritätsbonus hatte sie schon mal bei mir mit ihrer „Mitte des Lebens“. Aber, der war bald verbraucht, weil es ein ganzes Blech voll Allgemeinplätzchen war, das einem da wieder mal verabreicht wurde. Schon in der Einleitung jede Menge Einladungen, sich lustig zu machen. Mitte des Lebens, Balanceakt zwischen Standbein und Spielbein und all so ein Zeug. Und dann kommt noch gleich Martin Luther vor, der einst sagte: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ und ich fragte mich beim Lesen: Wo stand er denn – auf dem Standbein oder Spielbein. Bei Spielbein hätte er ja sagen müssen: Hier spiele ich, ich kann nicht anders.“ Na, ist doch wahr.

In der Mitte des Lebens sollen wir „Die Mitte finden“, „Neue Kräfte entdecken“, das Klimakterium nicht so ängstlich betrachten. Oder wir sollen „Lebenserfahrungen machen“ und auch lernen mit Verlust und Krankheit umzugehen und „Freundschaften stärken“.

Natürlich hat das bei Frau Käßmann einen theologischen Rahmen, klar. Wenn sie die Bibel anführt und auslegt – bitteschön, dann ist das halt eine schöne Predigt. Kann ja auch sein, dass sich Menschen gern schriftlich-christlich-abendländisch trösten lassen.

Mich aber nervt das sehr. Zwar tut auch Frau Käßmann hin und wieder so, als hätte sie einen persönlichen Draht zum Hergott und seinem Sohn, aber im Grunde knickt man ein unter der Erdenschwere der Ratschläge. Es liegt natürlich am praktischen Protestantismus, der so nüchtern und arbeitsam ist, dass es keinen Spaß macht, irgendetwas aus dem Sortiment zu glauben.

Ich bin schon reichlich „drüber“ über der Mitte des Lebens und fragte mich, ob ich diesen Ratgeber überhaupt hätte lesen dürfen. Vielleicht hätte sich meine Lebensmitte ganz anders gestaltet, wenn ich nach Käßmann gelebt hätte, Kapitel für Kapitel. Ein Buch der verpassten Chancen ist das jetzt, auweia.

Dann musste ich nochmal aufkichern. Der letzte kleine Abschnitt hat die Überschrift: „Mutig alt werden“. Ob mutig oder nicht, der Mensch altert, auch wenn das Alter „nix für Feiglinge“ ist, wie andere Lebenspädagogen erklären. Frohgemut zu sein, ist sicherlich eine Hilfe, aber aus dem drögen Text wird sich der Mut nicht schlürfen lassen. Eher hilft mir da mein Mann. Wenn der mich morgens weckt und ich maule, weil ich keine Lust habe, aufzustehen, sagt er manchmal: „Komm, fasse Mut“. Ein guter Ratgeber ist er da auf jeden Fall. Und sein Rat so schön kurz.

*Anmerkung: Die einzige Ausnahme, die ich bei Ratgebern mache ist Allen Carrs „Endlich Nichtraucher“. Nachdem ich das gelesen hatte, ist es mir leichter gefallen mir das Rauchen abzugewöhnen. Ich bestreite aber nicht, dass ich schon vorher die feste Absicht hatte.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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