Spaziergang mit Bequemschuh, mp3 player und Mozart

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Seit ich im Besitz eines mp3 players bin, erlebe ich die Wege meines Sonntagsspazierganges abwechslungsreicher. Nicht nur das Wetter, die Jahreszeit oder die eigener Stimmung färben alles ein, nein vor allem die ausgewählte Musik bestimmt den Film, der beim jeweiligen Spaziergang abläuft.

Also dann, hinein mit den Stöpseln in die Ohren. Heute soll es was Klassisches sein. Mozart soll mich begleiten. Zuerst ein Sängerinnenporträt.

Eine Auswahl der bekanntesten Arien von Erna Berger, die im Jahre 1990 gestorben ist, hochbetagt und geehrt. Sie rückte mir nahe durch ein bezauberndes Buch. „Auf den Flügeln des Gesangs“ . Darin schildert sie ein wahrhaft abenteuerliches Leben und eine Technik, mit der es ihr gelang, ihre alternde Stimme noch einmal „rauszureißen“ und ihr neuen Glanz zu verleihen. Sie hat eine leichte, etwas spitze Stimmlage. In den Mittellagen – wie alle Koloratursopranistinnen - ein bisschen trivial, aber mit schönen strahlenden Höhen.

Der erste Track ist: „Martern aller Arten“, die Arie der Constanze aus der „Entführung aus dem Serail“. Ach, die Martern werden so frohgemut und keck verlacht, dass es eine Freude ist.
Mir fiel bei diesem Gesang gleich eine herrliche Aufführung der jüngeren Gegenwart ein, bei der Klaus Maria Brandauer den Bassa Selim gibt. Der macht das entsprechende Gesicht dazu und man weiß wie das alles gemeint ist. Er wendet sich rettungslos bezirct, ans Publikum und sagt: „Auch wir wissen, was Liebe ist“. Und er guckt, als wollte er noch dazusetzen: „Und nun wollen wir aber in die EU“, denn eigentlich spielt das alles ja angeblich in der Türkei.

Bei: „Lass Dich bewegen verschone mich“ fiel mein rückwärtsgewandter Blick auf den hinter mir herangeprescht kommenden Fahrradfahrer. Aber so direkt und platt passen die Situationen nicht immer zur Musik. Ach – die ganze Breite dieser Musik und die Breite der Auffahrt auf den Autobahnzubringer nach Hamburg/Prenzlau – sie begegneten sich in dem Moment ,da sich die gefangene Constanze und ihr Geliebter Belmonte ebenfalls wieder begegnen. Ich blicke auf die schnellen Fahrzeuge, die mir entgegen rasen und höre, wie sich Constanze und Belmonte versichern, dass mit der Geliebten sterben ein seliges Entzücken ist. Irgendwie passt das, denn sie singen - so ist eben Mozart – dass man genau weiß, es geht nicht um den Tod oder doch schon, aber eher um den „kleinen Tod“.

Dies alles im Sinne und in den Ohren biege ich in eine kleine Siedlungsstraße ein. Eigentlich ein bisschen öde, aber so mit der Arie der Susanne, der Rosenarie aus „Figaros Hochzeit“, da fällt der Blick in dieser Jahreszeit automatisch auf die roten Rosen im Vorgarten der Bewohner. Jeder schmiedeeiserne Zaun wird zur zierlichen Kulisse, die eine Mozartsche Oper dekorieren könnte.

Und da ist sie schon die „Die Zauberflöte“, die Königin der Nacht naht mit der „Hölle Rache“, die in ihrem Herzen kocht. Passt gut, denn die wärmende Sonne kommt heraus und erleuchtet die Szene wie ein Scheinwerfer .

Mein Spaziergang ist vorangeschritten, aber mir scheint fast, als sei meine letzte Musikauswahl ein bisschen selbstdisziplinierend und wollte etwas zurechtrücken. Vielleicht habe ich zuviel neckisches über die jeweiligen Mozar–Opern gesagt. Das ist ja immer nur die eine Seite bei diesem Musiktitanen.

Das Klavierkonzert Nr. 20 in D Moll, das ich mir im Mozart-Übermut noch gewählt habe, schlägt voll zu und ruft mich ernst zur Ordnung. Als wollte der Maestro mir sagen: Ich bestimme, wann getändelt wird und wann nicht. Wie ein schicksalhafter Backenstreich - der erste Satz. Schluss – aus jetzt –nach Hause.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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