Biographie erschien schon 2014
Als im Jahr 2014 eine Biographie über den ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera erschien, erregte das kaum Aufsehen. Der Historiker an der Freien Universität, Grzegorz Rossoliński-Liebe, hat sie veröffentlicht. Er ist ein Experte für die jüdische, ukrainische, polnische und russische Geschichte sowie die Geschichte des Holocaust, Faschismus, Antisemitismus und Nationalismus.Erst in diesen Tagen, da Banderas Name anklagend, bezichtigend oder denunziatorisch genannt wird, wird deutlich, dass die Figur dieses Mannes, eines glühenden Nationalisten und Antisemiten, aufgeladen wird mit Ressentiments aller Seiten in diesem Krieg.
Gregorz Rossolinski-Liebe hat in verschiedenen Beiträgen erklärt, wie das Leben dieses Politikers verlaufen ist, der in Mordpläne aller Art verwickelt ist, auch die geistige Verantwortung für Judenmorde trägt, 1942 in KZ Sachsenhausen verbracht wurde, nach seiner Freilassung in Deutschland von einem KGB Agenten ermordet wurde. Nach 1945 interessierten sich auch der MI6, die CIA und der BND für den ukrainischen Kämpfer, aber seine zu extremen Ansichten ließen das Interesse an ihm dann wieder schwinden.
Gregorz Rossolinksi-Liebe hat dieser Tage der Berliner Zeitung zum Thema ein Interview gegeben.
Wie auch immer: Bandera, der in er Ukraine mal verstärkt verehrt und mal kritisch diskutiert wird, ist - wie die Asow-Kämpfer - zu einer Figur geworden, auf die alles, transponiert werden kann, was an der Ukraine doch die Zuschreibung nazistisch legitimiert.
Bandera Verehrung hatte ihren Höhepunkt
unter Viktor Juschtschenko
Dennoch: Im Gegensatz zu rechtsextremen Bewegungen hierzulande, die - wenn sie einen Naziführer öffentlich ehren - schnell verurteilt werden, scheint Bandera für manche in der Ukraine ein Bindeglied zu sein, ein Symbol nationaler Einheit für die er mit allen Mitteln gekämpft hat. So wurde die Bandera-Verehrung wurde vor allem in den Jahren der Regierung von Wiktor Jutschtschenko (2005-2010) ausgeweitet, später zunehmend auch hinterfragt und höchst kritisch diskutiert.
Unter der Präsidentschaft von Wladimir Selenskyj legten sich die Schwerpunkte eher auf das Gedenken an den Holocaust und die Gestaltung entsprechender Gedenkorte wie Babyn Jar.
Fragen der Kollaboration in der Zeit des nazistischen Krieges blieben aber nach wie vor tabuisiert.
Die provozierenden Aussagen des ukrainischen Botschafters Melnyk zu Bandera sollen offensichtlich immer wieder Öl ins Feuer gießen. Aber, er erweist seinem Land damit einen Bärendienst.
Das Außenministerium der Ukraine hat sich von seinen Statements inzwischen distanziert. https://www.spiegel.de/ausland/andrij-melnyk-aussenministerium-in-kiew-distanziert-sich-nach-aeusserungen-von-botschafter-a-7b8dfe04-535a-4140-921b-fda7f6f110ab
Putins Verehrung für Anton Denikin
Aber, weil Whataboutismus so sehr "in" ist, wenngleich umstritten, hier ein Verweis auf Putins Verhältnis zu historischen Gestalten.
Ein Zitat aus der Zeitschrift Jacobin: ++ " Auch Wladimir Putin bedient sich antisemitischer Idole, um seinen großrussischen Chauvinismus zu stützen. Dabei bezieht er er sich besonders auf Anton Denikin, den Führer der Weißen Armee in Südrussland und Hauptverantwortlichen der Judenmorde von 1919. Denikin war 1947 in den USA verstorben und mit militärischen Ehren begraben worden. Auf Anordnung Putins wurden seine Gebeine 2005 nach Moskau überführt und auf dem Donskoj-Friedhof bestattet. Im Mai 2009 betonte Putin in der Kyiv Post, wie lesenswert Denikins Tagebuch sei, das gelte ganz besonders für die Stellen, in denen Denikin die Ukraine als einen untrennbaren Teil Russlands beschrieb.
In den Jahren 1918/1919 war die Ukraine unter wechselnden Regierungen Hauptschauplatz des russischen Bürgerkrieges, bevor Ende 1919 Trotzkis Rote Armee die Weißen unter Anton Denikin besiegte und 1920 das gesamte Territorium einnahm. Den blutigen Massakern an Jüdinnen und Juden, die überwiegend von der weißen Armee und marodierenden Banden begangen wurden, fielen bis zu 150.000 Menschen zum Opfer – es war die größte Vernichtungswelle vor Auschwitz.
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