Tagebucheintrag

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Gestern ein Film auf ARTE am Vorabend des internationalen Holocaust–Gedenktages. „Zeugnis geben über Auschwitz“. Ich kam so von draußen, gerade noch rumgeblödelt mit den Frauen vom Beirat und habe dann eine Weile zugesehen, wie die Kamera über die Baracken fährt und die Wege und die Fußböden und die morastige Landschaft. Und zugehört in Zeiten, da Worte langsam zu fehlen beginnen und wir immer sagen: „Unvorstellbar“. Aber das sagt man eben so.

Ich, mit meiner Liebe zum Alltäglichen“, zur Sicherheit von Alltagsritualen zur Geborgenheit unter einem warmen Duschstrahl, denke, wie schrecklich es gewesen sein muss, wenn man zu Tode erschöpft eingeschlafen ist, vielleicht geträumt hat vom normalen Leben und dann vom schrillen Rufen und der Trillerpfeife geweckt wird und weiß vor einem liegt wieder der gleiche entsetzliche, endlose bedrohliche Tag wie gestern.

Vor 30 Jahrenwurde imFernsehen eine zweiteilige Serie von Karl Fruchtmann ausgestrahlt: „Zeugen“, in der Überlebende berichtet haben. deutsches-filmhaus.de/filme_gesamt/f_gesamt/fruchtmann_karl.htm

Die Kamera blieb auf den Gesichtern. Und ich erinnere mich, wie eine Zeugin berichtet, dass ein SS-Mann eine Frau an den Haaren über die Erde schleifte und sie die ganze Zeit schreit: „Schma Israel“. Meine Kollegen haben mich damals gefragt, als ich darüber sprach, warum ich mir das „antue“. Ich war erstaunt und empört darüber und dachte für mich: „Das ist das mindeste, das man tun kann und muss“.

Immer wieder lese ich Wiktor Frankls„...trotzdem Ja zum Leben sagen – ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“. Sein Rettungsanker, schreibt er, war der Gedanke, dass er eines Tage vor einem Auditorium stehen und über diese Erfahrung berichten wird. Und nicht über das große Heldentum und die Frage, „wo Gott ist“, sondern über das kleine, zähe unter ständiger Bedrohung durch die Wachen, die Kapos und die Mitgefangenen aufrechterhaltene Stück Leben. Über die Mechanismen, die Überleben helfen und jene, die der Zerstörung dienen. Die großen Fragen sind in den kleinen. Wir „sehen“ die KZ’s immer in den Momentaufnahmen des Schrecklichen.KZ – das war eine Ewigkeit des immer Gleichen. Für die, die noch lebten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden