Telefonscherze

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Immer mal wieder – manchmal vergehen Wochen, manchmal Monate – hören wir, wenn wir den Telefonhörer abnehmen, nichts als Eisenbahngeräusche. Das Rattern von Rädern und ein Zischen, wie es nur der Eisenbahnverkehr hervorbringt. Es kommt auch vor, dass wir beim Heimkommen den Anrufbeantworter blinken sehen und beim Abhören die gleichen Geräusche hören. Ein einziges Mal nur in der Vergangenheit hörte mein Mann Stimmen. Er sagte, es hörte sich an, als ob zwei ältere Menschen darüber stritten, welchen Knopf man drücken muss. Ansonsten immer nur das Rauschen.


Heute war es wieder mal soweit. Mein Mann nahm ab, meldete sich mit dem Namen und lauschte mindestens zwei Minuten, weil er rauskriegen wollte, ob sich da noch jemand meldet. Aber es war mal wieder die Eisenbahn.

Wir grübelten, wer solche Sachen macht und warum? Angenommen, es sind wirklich zwei lustige Pensionäre,die sich die Zeit mit solchen Scherzen vertreiben? Sie zwinkern sich irgendwann nachmittags zu und dann nehmen sie sich ein Gläschen zur Brust und dann das Telefon und drücken paar Knöpfe. Und dann freuen sie sich, wenn sich jemand mit dem Namen meldet und dann werfen sie ihre Eisenbahngeräuschmaschine an oder sie halten den Hörer aus dem Fenster, denn sie bewohnen eine „Kieckerille“ neben der Eisenbahnlinie Berlin-München und dann hören sie noch mal ein „Hallo und ein„Wer ist denn da“ und dann kommt vielleicht noch ein „Idiot“, „Witzbold“, oder auch nur ein verärgertes Allgemeinbrummeln und dann wird wieder aufgelegt.

So mag es sein – aber wie kommen die an unsere Nummer? Nach dem Zufallsprinzip? Und sind wir die Einzigen?


Oder, ist das eineartifizielle Langzeitperformance von irgendwelchen Kunstfuzzis. Irgendwann wird das Eisenbahngeräusch zusammen mit den Reaktionen der Angerufenen als Endlosschleife in einer Kunstgalerie auftauchen mit dem Titel: Kanalrauschen.


Und erfahrungsgemäß wird der erklärende Text zum Projekt „Kanalrauschen“ länger zu vernehmen sein als das Rauschen selbst. Man wolle damit die verhängnisvollen Missverständnisse und die Sprachlosigkeit in dieser modernen Welt darstellen. Das immerwährende Geräusch ohne Sinn und Botschaft wolle man künstlerisch hinterfragen – und all so ein Zeug.


Trotzdem – es muss doch zu beenden sein – grübelte mein Mann. Man muss doch erreichen können, dass die uns aus ihrem Verteiler nehmen.


Die Verhältnisse in Berlin rund um die S-Bahn gaben uns eine Idee ein: Wenn es das nächste Mal klingelt, dann nehmen wir ab und wenn wir das bekannte Rauschen hören, dann schreien wir in den Hörer: Schienenersatzverkehr!!!!




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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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