Therapeutische Bücher III - Glück für Jim

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(Wish I could find a good book to live in)

Im Dezember1988 notiert der Schriftsteller und Dichter Peter Rühmkorf (1929-2008)

in sein Tagebuch TABU I: „Das Gefühl, dass etwas zu Ende geht, Zur Hälfte bereits abgestorbenes Zeug, das man mit sich herumschleppt. Erledigte Stoffe. Hadesgepäck. Und kein tröstliches Buch, in dem man rückstandlos verschwinden kann.“.

Bisher hatte ich in dieser Reihe vorgestellt:

Gabriele Wohmann „Frühherbst in Badenweiler“

www.freitag.de/community/blogs/magda/wish-i-could-find-a-good-book-to-live-in

Carolina Maria de Jesus „Tagebuch der Armut“

www.freitag.de/community/blogs/magda/therapeutische-buecher

Nun also:

Kingsley Amis „Lucky Jim“

Warum ich dieses Buch des britischen Autors Kingsley Amis so liebe, will ích nicht nur mit nostalgischen Gründen erklären. Aber, es stimmt schon: Als ich es kennen lernte, war ich selbst gerade Studentin. Schon deshalb war mir interessant, wie sich so der akademische Betrieb an einer Universität– speziell im Fachbereich Historie - in England abspielte.

Held ist der junge James Dixon, nicht besonders schön oder attraktiv, sondern – in seinen Worten - „ehrlich und freundlich“. Und wie ich beim Lesen fand, von äußerst origineller Verhaltens- und Geistesart.

Der hadert mit dem Mittelmaß in seinem Fachgebiet, aber auch mit der Unansehnlichkeit der höchst neurotischen Kollegin Margaret, mit der er aus Gründen des Mangels an ansehnlicheren Frauen, aber auch aus eigener Gutwilligkeit und Freundlichkeit so etwas wie ein Verhältnis hat.

Seine Aufgaben sind bestimmt von ständiger zeitraubender Zuarbeit für den irren Prof. Welch,– ein mediokres, dafür aber besonders aufgeblasenes Mitglied des akademischen Betriebes - der das aufwändige Bibliographieren gern delegiert.

Alles spitzt sich zu als dieser zerstreute, ausbeuterische und kunstbeflissene Professor einen künstlerischen Abend organisiert, bei dem der dorthin zum Singen beorderte Jim die bildschöne Freundin des Professorensprosses Bertrand, Christine, kennen lernt.

Völlig versengte Bettwäsche

Es gibt eine herrliche Szene, in der dieser hektisch von der Kunstausübung entwischte Jim von einem Besäufnis zurückkommt, sich ins Gästezimmer-Bett schmeißt, eine Zigarette anzündet ...und am nächsten Morgen aufwacht,in einem angesengten Bett, mit angesengter Bettwäsche - ein Sündenfall, der ihn das ganze restliche Buch durch völlig fertig macht. Er findet – Gott sei dank – in Christine eine freundliche Komplizin, die mit ihm zusammen die Bettwäsche mittels einer Rasierklinge ausschneidet und ausfranst, damit man glauben soll, es seien Ratten oder irgend so etwas gewesen.

Eine wichtige Rolle spielt Christines reicher Onkel und Kunstmäzen, Gore Urquart, der einen Superjob als Privatsekretär zu vergeben hat, auf den das verwöhnte Professoren-Söhnchen aus ist. Aber auch allerlei andere höchst skurrile Protagonisten beleben das Buch mit irrem englischen Humor.

Es ist diese herrliche Ironie und - natürlich - eine Szene, in der der Protagonist eine Festrede halten soll, sich dabei zuviel Mut ansäuft und das Ganze in ein restloses Chaos stürzt, die ich immer wieder gern lese.

Am Ende aber wird er die schrecklich neurotische Kollegin aus dem akademischen Mittelbau los und bekommt diebildschöne Buchhändlerin aus London sowie die Stelle als Privatsekretär. "Glück für Jim" eben.

Kinsgley Amis – Vater des heute als Schriftsteller eben so bekannten – Martin Amis, ein literarischer Scherzbold, der mir immer mal wieder des Alltags Grau mit seinen Schilderungen des akademischen Alltags in den 50er Jahren erhellt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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