Traditionspflege durch die Jahrzehnte

Shistorm und Schmähung Fast jeden Sonntag folgen wir morgens einer bewährten Tradition. Wir verfolgen eine Sendung, die es schon seit Jahrzehnten gibt

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Wir beteiligen uns am Klingenden Sonntagsrätsel von Deutschlandradio Kultur. Das ist auch gut für den ehelichen Stressabbau, weil man sich über einige Fragen streiten kann und weil mein Mann, der als Protokollführer agiert, immer weniger übersichtlich arbeitet. Ich kann seine Schrift kaum lesen. Eingebetteter Medieninhalt

Und das zieht immer Streitereien nach sich, sehr kurz, aber doch erholsam.

Heute wurde u.a. nach einer sehr bekannten Kabarettistin gefragt, die lange Jahre das Düsseldorfer Kom(m)mödchen geleitet hat.

Das war für mich überhaupt kein Problem. Es gab Zeiten, da wurde das Programm des Köm(m)ödchens im Fernsehen übertragen. Und man konnte die beiden „Großen“ Kay und Lore Lorentz bei der Abarbeitung an bundesdeutschen Verhältnissen beobachten, wie ja auch die Münchner Lach- und Schießgesellschaft, die ähnliches bot.

Das war eine schöne Tradition. Heute kennt man von den „Düsseldorfern“ Christian Ehring, der mit seinem Extra3 inzwischen auch bei der ARD zu sehen ist.

Dass auch böse Traditionen durch die Zeiten gepflegt werden, wurde deutlich, als ich noch ein bisschen genauer nach Lore Lorentz forschte. Die war in den 60er Jahren Adressatin von Droh- und Schmähbriefen, wie Der Spiegel im Jahr 1965 berichtete.

Was war geschehen?

Sie hatte auf der Bühne den damaligen Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft Hans-Christoph Seebohm, kabarettistisch „gefragt", was die Sudetendeutschen denn bloß täten, wenn der (damalige) tschechische Staatspräsident Novotny ihnen anbieten würde, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Die Brief-Absender schmähten sie und ihren Mann als „Ostsäue“, drohten mit der Ermordung der Kinder und schickten giftiges Pulver.

Ein gutes Beispiel, wie der Shitstorm schon damals gepflegt wurde, nur dass man damals noch ein bisschen mehr Aufwand betreiben musste als heute. Aber, die Methode war die Gleiche. Die Inhalte des Programmes spielten kaum eine Rolle – es genügten die wenigen Stichworte, die in den Medien kursierten.

Kay Lorentz meinte damals, das ordne sich in die diffamierenden Bemerkungen des damaligen Bundeskanzlers Ludwig Erhard ein, der engagierte Schriftsteller als „kleine Pinscher“ bezeichnet hatte. Den Geist jener Jahre in der Bundesrepublik kann man in einem langen Beitrag der ZEIT aus dem Jahr 1965 verfolgen, der eine aktuelle Zitatensammlung zum Thema „Der Staat und die Intellektuellen“ abdruckte.

Die Richtung hat sich ein wenig geändert. Heute werden die Dichter und Intellektuellen weniger vom politischen Personal diffamiert, als von Shitstorm- Autoren im Internet, die in der Rolle des "Volkes" - manchmal auch schon "völkisch" auftreten.

Das heutige Rätselwort war: Reiter.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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