Transeamus - lasst uns gehen

Weihnachten Als Kind ging ich selten in die Mitternachtsmesse, aber immer am ersten Weihnachtstag ins Hochamt in die Liebfrauenkirche Leipzig-Plagwitz.

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Wir waren katholisch – in Sachsen, mitten in der Diaspora – das förderte die Glaubenstreue. Vielleicht, weil die Pfarrei in Plagwitz – umgeben von „Ungläubigen“ kommunistischen Atheisten – was von einer „Festen Burg“ hatte, obwohl der einschlägige Choral von Martin Luther stammt. Für die katholische Welt hatte „Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land“ eine ähnliche Bedeutung.

Wie auch immer – ich ging damals dort gern hin. Ein Bedürfnis nach Erhebung – nach Levitation - erfüllte mich. Deshalb liebte ich an den hohen Festtagen vor allem die Rituale, die Musik, die Lichter und den Weihrauch. Die Predigten weniger.

Und sehr oft, wenn wir die Kirche verließen, klang mir die Orgel ins Ohr: Das „Transeamus“. Eine himmlische Weise. Manchmal sang es auch ein Chor wie hier der Groote Chor

Was immer in den Jahren sich für mich veränderte, von der Kirche entfernte ich mich, aber das Transeamus blieb für mich die eigentliche Verheißung. Vielleicht,weil es in der Lautmalerei und Wortverwandschaft zur „Transzendenz“ liegt. Transeamus – Transzendenz – vielleicht Bewegen und Überwinden.

Die einfachen Glaubenswahrheiten kann ich nicht mehr finden und erlebe das manchmal als Verlust, vor allem, wenn rationale Erkenntnisse immer wieder nur das bestätigen, was man ohnehin schon weiß oder geahnt hat.

Dieser Tage lauschte ich – mal wieder – einem Fontane-Roman. Da sinniert ein Gymnasialprofessor über Glaubensfragen. Und ohne Glauben an uns und unsere Sache, keine rechte Lust und Freudigkeit und auch kein Segen, am wenigsten Autorität. Und das ist es, was ich beklage. Denn wie kein Heerwesen ohne Disziplin, so kein Schulwesen ohne Autorität. Es ist damit wie mit dem Glauben. Es ist nicht nötig, daß das richtige geglaubt wird, aber daß überhaupt geglaubt wird, darauf kommt es an. In jedem Glauben stecken geheimnisvolle Kräfte und ebenso in der Autorität.“. Ach, wie schön und ach wie verführerisch und am Ende verderblich. Eine einfache Welt ist immer gefährlich.

Als ich schon in Berlin studierte, besuchte ich, wenn ich nach Hause kam, gern den alten Pfarrer Theo Gunkel, der in seiner Menschenfreundlichkeit und Herzensgüte ein tröstlicher Gesprächspartner war.

Von ihm stammt das Wort: Der schönste Gottesdienst 'ist nichts' ohne die Liebe - aber auch die Caritas, das vornehmste Ziel der Seelsorge, verliert ihren Charakter und ihre Orientierung, verflacht und verkümmert, wenn sie nicht mehr mit der Quelle verbunden ist“.

Theo Gunkel kannte die Sorgen der Menschen in Plagwitz, diesem Arbeiterbezirk. Er half in der Nazizeit Bedrängten. Er war in den 50er Jahren ein kritischer und streitbarer Gesprächspartner für die örtlichen Behörden im Interesse der Gemeinde.

An ihn und auch seinen Nachfolger, den Pfarrer Clemens Rosner, denke ich gern. Auch an die langen Jahre in der katholischen Jugendgruppe. Es ist vorbei, aber halt dem Weihnachtsfest geschuldet, dass ich dran denke. Transeamus usque Bethlehem. Gehen wir ...bitteschön nach Bethlehem, in die von Unruhen heimgesuchte Stadt oder wo auch immer hin. Bewegung ist gut.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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