TV-Dokumentation: Merkel gegen Steinbrück

Das Duell Die Dokumentation "Merkel gegen Steinbrück" von Stephan Lamby war spannend und fair. Es sagte auch viel über die Politik generell und sie begleitende Kommentatoren aus.

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Trüber, etwas regnerischer Morgen. Trotzdem ein bisschen wandern gegangen. In Gedanken an diese Dokumentation "Das Duell" von Lamby, die vorgestern in der ARD lief. Durchaus fair, dennoch den beiden Wahlkämpfern Merkel und Steinbrück intensiv auf den Pelz rückend, sie kenntlicher machend und gelegentlich demaskierend.

Jakob Augstein, gleich zu Beginn befragt, meinte, Merkel könnte auch in der SPD sein, Horst Seehofer wunderte sich hingegen, dass Steinbrück in der SPD ist bei seiner Wirtschaftsnähe.

Merkel als autistischer
Machtschwamm

Augstein erklärte (sich) Merkel als eine, die - aus dem Osten kommend - als Mitte 30jährige alles, worauf es ankomme, Machtgewinnung, -erhalt und -verteidigung aufgesaugt habe wie ein Schwamm, fast wie ein Autist.

Meine Erinnerung - ich hatte damals kurz mit ihr zu tun - ist eine andere: Sie hat ziemlich geschwankt, wie sie sich entscheiden soll. Erzählt hat sie, die CDU habe ihr die Kandidatur im Norden angetragen. Sie sinnierte noch, ob sie an die Akademie zurück geht. Niemand konnte wissen, was daraus wird. Sie war eine sehr ungeschickte und unwillige Frauenministerin - da war sie sehr Osten und sehr unerfahren. Sie hat nicht "aufgesaugt", sie hat nur schnell gelernt, wie der Laden läuft.

Horst Seehofer meint, Merkel habe den Blick wie auf eine Computertomographie. Sie sehe das Ganze, die anderen sähen immer nur die Details.
Es gibt noch andere, sehr interessante Sichten auf beide Kandidaten, die beiden Raum lässt.

Merkel selbst verweist in einer humorigen Rede
auf Hans-Dietrich Genscher, dem sie die Kunst des Unbestimmt bleibens bei gleichzeitiger Zufriedenstellung der Journalisten abgeschaut habe.

Und da gabs diese Szenen noch: Beide Kandidaten haben sich Filme ausgesucht, die sie dann gemeinsam mit allerlei politischen und privaten Freunden ansahen.

Zwei Filme

zwei Kulturen?

Bei Steinbrück war der Film der Wahl: "Die durch die Hölle gehen" - ein USA-Opus über den Vietnam-Krieg. Des Kandidaten Kommentar dazu: Er sei beim Anblick des Filmes dankbar gewesen, dass er - 1947 geboren - nicht in einem europäischen Krieg verheizt wurde. Mir fiel ein, dass Europa inzwischen wieder Kriege führte und führt. Und ich fragte mich auch, ob nicht auch heute wieder junge Männer "verheizt" werden in einem ganz sinnlosen Krieg. Sowohl in den USA als auch - wenngleich in geringerer Zahl - in Deutschland.

Merkels Filmauswahl: "Die Legende von Paul und Paula" war auch Gegenstand der Kommentierung. Die "Zeit"-Journalistin, Elisabeth Niejahr meinte: Das scheine schon sehr prototypisch: Der Kandidat, der Mann, wählt einen "Kriegsfilm", die Frau einen "Liebesfilm".

Jakob Augsteins
hochgezogene Braue

Und Jakob Augstein erkärt mit hochgezogener Braue: Wenn man die beiden Filme nebeneinander lege, wüsste er schon, welchen er für den bedeutenderen hält. Und das sei keine Oberflächlichkeit und keine Petitesse. Sondern es zeige einen anderen kulturellen Prägungshorizont.

Zu bedenken ist sicherlich Merkels Kalkül, eine sonst selten gezeigte Nähe zu den Ossis zu demonstrieren, was hier komplikationslos möglich war. Was hätten die Medien und die Menschen und westlich sozialisierte, schöngeistige Kulturträger bloß angemerkt, wenn sie sich einen der grandiosen sowjetischen Kriegsfilme ausgesucht hätte "Die Kraniche ziehen" oder "Im Morgengrauen ist es noch still". Eine Riesendebatte hätte das aufgeworfen. Jakob Augstein hat aber vom Osten einfach keine Ahnung.

Chapeau
Gertrud Steinbrück

Sie sei eigentlich nicht vorhanden, sagt und klagt er und rechnet das zu den Defiziten. Frau Steinbrück zollt der politischen Gegnerin hohen Respekt. Sie schaffe es, sich fast unsichtbar zu machen, darüber definiere sie sich ja auch. Und sie mache das hervorragend und sensationell gut, aber - Gertrud Steinbrück - sie hätte halt gern ein anderes politisches Ergebnis. Chapeau Frau Steinbrück kann ich da nur innerlich ausrufen.

Fairness in diesem Film, wohin das Auge blickt, nur nicht bei Jakob Augstein. Für ihn muss die Nichtvorhandene unendlich präsent sein. Er, der eine Zeitung erworben hat, die sich dem Brückenschlag zwischen Ost und West einmal verpflichtet fühlte, will auf der einen Seite eine - wie mir scheint eher unpolitische, abgrundtiefe Merkel-Abneigung - ausagieren. Dass er sich dabei auf Herablassung und die Verwendung von Klischees nach Himmelsrichtung verlegt, hat mich schon sehr erstaunt. Allerdings ist das auch bei bei anderen Kommentatoren im Netz zu beobachten und führt mich zu der Frage: Ist das manchen Männern-West so fürchterlich, dass an der Spitze eine Frau und auch noch eine aus dem Osten steht?

Ausdrücklicher Dank geht an Herrn Augstein für die ungewollte Hilfe. Ohne seine Kommentare wäre mir nicht so viel Klarheit zuteil geworden.
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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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