Twittern - Was sagt die Krankenkasse?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Twittern als Zwangsstörung

(Statt ordentlicher Arbeit)

Ich sehe vor meinem geistigen Auge und höre mit dem virtuellen Ohr, wie es beim Psychiater klingelt und wie da vor der Tür ein Mensch steht, der um eine Notfallbehandlung bittet. Sein Problem ist, dass er bei allen Worten, die er spricht, mit den Fingern mitzählt, weil er Angst hat, die 140 Zeichen Grenze zu überschreiten. Ich sehe tragische Patientengeschichten. Zum Beispiel sehe ich einen erbarmungswürdigen Mann, der andauernd seiner Geliebten erklären will, dass er sie eigentlich verlassen will. Und immer, wenn er soweit ist, dann ist eine Twitter-Einheit vorbei und er traut sich nicht, eine neue Runde zu eröffnen.

Ich sehe auch einen spannenden Romananfang:

„Dr. Seidel, ein stadtberüchtigter Seelenklempner, hatte gerade seine Sprechstunde begonnen. Es begann immer mit einem Privatritual. Er schritt die Treppe hinab und setzte sich schon einmal auf den Sessel hinter der Couch, auf die seine Patienten sich ergeben legten, wenn er sie hineinkomplimentiert hatte.

Sonor erklang der therapeutisch eingestellte Eingangstürgong. Er fuhr dennoch zusammen, denn eigentlich erwartete er keinen Patienten um diese Zeit. Er hasste unangemeldete Zwischenfälle. Er öffnete, da seine Assistentin noch nicht eingetroffen war, und sah sich zwei Herren gegenüber, die beide reichlich therapiebedürftig aussahen. Der erste, ein jugendlich gestylter aber nicht ganz taufrischer Herr wandte sich an ihn und fragte, ob er Notfallpatienten aufnähme. Schon bei dieser Frage fiel dem Therapeuten auf, dass der Herr während des Wortes „Notfallpatienten“ die Finger mit bewegte. Der andere sagte gar nichts, so dass nach wie vor Unklarheit herrschte, wer sich behandeln lassen wollte.

Es stellte sich dann doch bald heraus, dass der bislang schweigende Herr zu behandeln war. Mühsam erläuterte er, dass es ihm nicht mehr gelänge, zusammenhängend zu sprechen. Er müsse bei allen verbalen Äußerungen die Buchstaben mitzählen. Und wenn die Zahl 140 erreicht sei, dann habe er eine Todesangst weiterzusprechen.

„Wie ist das möglich“, fragte der Therapeut . Ihm antwortete ein ängstliches Ttttttwwwwiiiitttteeeerrrr.

Psychiater macht Euch schon mal gefasst auf vor sich hinmurmelnde Twittergeschädigte, die überall mit den Fingern in der Luft herumstolpern und mitten im Satz aufhören. Ein deprimierendes Signal für die Kommunikationsstörungen in unserer modernen.....äh Ende.

Und welche Kasse bezahlt so was nachher? Das ist ja eine Frage der Eigenverantwortung, wie man sich diesem Zwittertwang, nee Twitterzwang entzieht. Twittern als Zwangsstörung. Was sagt die Krankenkasse?

(Diesen Beitrag bitte nicht ändern, es sei denn es erfolgt eine ausdrücklich Erlaubnis. Alle Fehler sind künstlerische Eigenheiten und...äh)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden