Vom Duschen oder Sprayen

Wasser Es sei gar nicht so gut, wenn man jeden Tag duscht, erklärte mir eine Freundin überraschend. Die Haut verträgt soviel ständiges Auslaugen nicht

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Und während sie das so erklärt, denke ich daran, dass sie ihr Wasser mit Gas aufheizen muss und das ist teuer. Die gesamte Gasetagenheizung ist ein Eurograb. Das ist traurig, denn sie hat eine fantastische Eckbadewanne. Bis die voll ist, das zieht sich hin. Und auch der Raum, den diese Wanne ausfüllt, ist im Sommer wie im Winter ziemlich kühl. Also braucht man tröstliche Begründungen für den Verzicht auf diesen Luxus.

Noch während unseres Gedankenaustausches fiel mir eine alte Fernsehserie ein, gedreht nach Hans Falladas „Ein Mann will nach oben". Da erzählt die Vermieterin des Zimmers, das der Held in dem alten Berliner Hinterhaus bewohnt, auch so etwas. Die tägliche Ganzwäsche sei gar nicht gut für die Gesundheit. Man trockne aus und der Körper sei dann weniger gefeit gegen Bazillen und andere schädliche Einflüsse. Und man erkälte sich ja so leicht. Auch früher gab es also zum Mangel an sanitären Anlagen und fließendem Wasser die passende Lehrmeinung, die es leichter macht, das genießerische Räkeln in der Badewanne zu unterlassen.
Wasser ist inzwischen ein umkämpftes Gut, wie die jüngsten Streitereien im Europäischen Parlament um die Privatisierung des Elements demonstrieren. Gerade wurden die Versuche, das Wasser generell zu privatisieren, abgeschmettert.

Aber, es wird nicht locker gelassen, wie in der Frankfurter Rundschau und anderen zu lesen ist. Berlin hat inzwischen die Privatisierung der Wasserversorgung rückgängig gemacht, weil sich die Kosten enorm gesteigert hatte.Hier ist der Hintergrund ausführlich berichtet

Dialektik: Schmutzbakterien

erhalten die Menschen sauber

Da passt es doch gut, wenn gerade eine bahnbrechende neue Entwicklung in den Medien verkündet wird. Es gibt einen Chemiker aus den USA, der sich seit 12 Jahren nicht mehr geduscht hat, berichtet der Stern. Er besprüht sich zweimal täglich mit einem Bakterienspray, das ihn sauber hält. Es sind Bakterien aus dem Schmutz. Und flugs fällt mir ein, dass Kinder aus der DDR meist weniger infektanfällig waren, eben weil es nicht so überhygienisch zuging und überall Sagrotan verwendet wurde wie im Westen. Das Böse - also, die Bakterie - vertreibt das Böse, in diesem Falle den bösen Körpergeruch. Ob man sich dann frischer fühlt, ist schwer zu sagen. Das aber nur am Rande. Die Entwicklung ist inzwischen als „Mother Dirt“ auf dem Markt. Man muss aber ein paar Tage zu Hause bleiben, weil man erst stinkt, bevor man sauber wird, ist zu lesen. Irgendwie hat das was Homöopathisches. Es weckt auch eine Assoziation um den Begriff "Kosmetik". Reinheit als kosmetische Anwendung. Ob das wirklich so gut und gründlich ist, wie eine Dusche oder nur ein Ersatz.

Rituale werden durch

Sprays ersetzt

Eine Erfindung also, die Wasser spart, sieh' einer an. Aber auch eine Entwicklung, die die guten alten Menschheitslegenden und -rituale entwertet und trivialisiert. Das Reinigen – mit Wasser – es ist ja nicht nur ein Symbol für die Reinwaschung von allen Sünden, sondern überhaupt für einen Neubeginn. Es ist in allen Menschheitserzählungen wichtig – es fließt, es kann sogar die Steine verformen, es nimmt die Sünde und den Schmutz mit sich fort. Und - es kann viel viel Geld bringen für den, der es sich aneignet. Für die Taufe z. B. gibt es dann vielleicht statt des Wassers einen Taufspray. Die Kinder würden nicht so weinen, wenn sie besprüht statt begossen werden. Der Kampf ums Wasser aber ist mit Spray nicht zu lösen.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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