Von Internetrecherchen, „Russenfilmen“, Ludmilla und Eldar

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Zufall, dass ich gestern – ich habe manchmal solche Anwandlungen – nach einer russisch/sowjetischen Schauspielerin gegoogelt habe. Zum ersten Mal sah ich sie im Jahre 1956 – es war Tauwetterzeit weiß ich heute – und der Film hieß auf deutsch „Nun schlägts 13“. Er war ab 6 Jahren zugelassen, ich war zehn Jahre alt und habe diesen Film wohl auch zehnmal gesehen.

Die Handlung ist einfach. Ein sozialistischer Betrieb will endlich mal lustig Silvester feiern, aber der dogmatische Betriebsleiter will eine Propagandaschulung draus machen. Und da bekämpft man und überlistet den noch nicht „aufgetauten“ Genossen mit allerlei Tricks. Heldin ist die junge Gurtschenko, die viele hübsche Lieder singt und auch noch einen netten Ingenieur kriegt. Das war das Genre „heiterer Russenfilm“ – ich kann einige Lieder noch nachsingen, aber das, was im Link zu sehen ist, hatte ich vergessen. Regie führte Eldar Rjasanow.

Hier isse – typisch russisch-altmodische Plüschkunst

www.youtube.com/watch?v=U5TgsYUObCc&;;NR=1

Und ich merke beim googeln, dass da jemand den ganzen Sowjetfilm reinkopiert hat – beginnend mit dem berühmten Mosfilm Paar (Arbeiter und Kolchosbäuerin)Schöne Symbolik, dass Ludmilla Gurtschenko auch einen der – wie nicht nur ich fand – kritischsten Filme der Vor-Perestrojka-Zeit mit ihrer Schauspielkunst belebte. „Bahnhof für zwei“ wieder von Eldar Rjasanow.

www.ikdb.de/filme/film_bahnhof_fuer_zwei.html

Wie sind wir begeistert mit einem Gefühl vonDurchatmen und Befreitheit aus dem Kino gekommen.Mann, ging der los der Film. Endlich wurde mal das ganze alltäglich-ärgerliche, zermürbende sowjetische Leben mit seinen ständigen Mängeln, Gängelungen, der Schieberei und Unfreundlichkeit - und einer Mentalität, die wir sprachspielerisch „Savtra-Buddhismus“ nannten - gezeigt.

Dies war eine Anlehnung an die russische Wendung „Savtra budjet" (Morgen wird). Ach, es wurde immer Morgen aber nie wurde irgendwas Morgen.

Genau das hatte ich kurz zuvor– im Jahre 1985 – in Moskau erlebt und auch an dem Bahnhof gestanden hatte, der diesem Film als Kulisse gedient hatte. Wir haben uns vier Wochen in Moskau selbst ernährt und vier Wochen ohne warmes Wasser durchgestanden, man kriegt Pickel davon, weiß ich jetzt. Und dann – nach der Rückkehr – dieser Film. Damals erneuerte sich bei uns ein - heute fast begrabener Glaube - dass Kunst was bewirken könnte.

Nicht lange danach kamen wieder ganz andere historische Weichenstellungen. Die Züge fuhren und diesmal ahnte niemand mehr in der UdSSR, was morgen wird.

Die Gurtschenko aber ist noch immer zugange.

Im Jahr 2007 noch sang sie ein Lied aus diesem ersten Film von 1956, diesmal im inzwischen ukrainischen Fernsehen, denn jetzt ist sie Ukrainerin.

www.youtube.com/watch?v=mshAmYc6440&;;feature=related

Kunst ist meist kontinuierlicher als alles andere, auch wenn sie wenig bewirkt. Und das Internet weckt in mir hin und wieder einen temporären „Ewigkeits“–Schauer.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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