Warnung vor Illusionen und Waffen

USA-Ukraine Die Dramatik des Ringens um Waffenlieferungen an die Ukraine ist inzwischen bekannt. Sie spiegelt sich auch in den Medien der USA wider. Ein Blick in die NYT

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Konzeptlos?
Konzeptlos?

Bild: Alex Wong/Getty Images

Während es hierzulande Stimmen gibt, die Waffenlieferungen als fast schon beschlossene Sache ansehen und Angela Merkels Mission als reine Diplomatie-Imitiation verwerfen, betrachten ernsthafte politische Beobachter das Engagement als einen Versuch, in letzter Minute noch die Missgriffe einer abenteuerlichen Politik zu mildern.

Zwei Stimmen aus der NYT haben das Pro und Contra der Rüstungslieferungen im Blick

Westliche Illusionen über die Ukraine

So ist ein Beitrag von Roger Cohen, außenpolitischer Publizist, überschrieben, der reichlich polternd Russlands Weltsicht auf dem gleichen Stand wie vor 25 Jahren sieht und rigoros erklärt, Außenminister Lawrows Rede spiegle das „Paralleluniversum“ wieder, in dem sich die Russen gegenwärtig bewegten. Das Gespenstische daran ist, dass Cohen - stellvertretend für andere Falken in den USA - den gleichen Stillstand der Außenpolitik bestimmter USA-Kreise deutlich macht, wenn es um Russland geht.

Natürlich hält Cohen die Vorwürfe des russischen Außenministers für völlig aus der Luft gegriffen und plädiert natürlich für Stärke, Stärke. Fast wie in alten Zeiten - könnte man diesen Text kommentieren. Der Kalte Krieg beim Münchner Kalten Buffet.

http://www.nytimes.com/2015/02/10/opinion/roger-cohen-western-illusions-over-ukraine.html

Bewaffnet die Ukraine nicht

Mit dieser ernsten Warnung hingegen ist die Kolumne überschrieben, die John J. Mearsheimer, Professor für Politikwissenschaft an der Universität von Chicago, ebenfalls in der New York Times veröffentlich hat.

http://www.nytimes.com/2015/02/09/opinion/dont-arm-ukraine.html?_r=1

Mearsheimer resümiert darin noch einmal die Geschichte des Konflikts und widerspricht energisch den drei „Thinktanks“ und auch dem designierten Verteidigunsminister Ashton B. Carter, die sich in ihren Verlautbarungen und Stellungnahmen für diese Richtung entschieden haben.

Waffen für die Ukraine wären ein großer Fehler, denn sie würden deren Armee nicht retten, sondern zu einer Eskalation der Kämpfe führen. Für besonders gefährlich sei dies auch deshalb, weil Russland Tausende von Kernwaffen besitzt und seine strategischen Interessen verteidigen wird. Interessant ist daran, dass heute z. B. auch der Grüne Cem Özdemir in einem Gespräch mit dem Deutschlandradio auf diese Kernwaffenpotenz verwiesen hat. Es weckt den Eindruck als drängten die Gegner Russlands gerade zu in diese Richtung und es ist noch nicht klar, wozu das dient. Der Abschreckung der eigenen Falken oder der Warnung für Russland, seine Atombewaffnung nicht ins Spiel zu bringen. Mearsheimer meint dazu in seinem Beitrag, die Möglichkeit, dass Putin am Ende doch noch die nukleare Bedrohung ins Kalkül zieht, mag zwar abseitig erscheinen, aber angesichts der Bedrohung durch die USA Waffen, könnte Moskau durchaus irrational reagieren und nukleares Säbelrasseln für ein Mittel halten.

Meaersheimer argumentiert weiter: Da das ukrainische Militär den Separatisten stark unterlegen sei, sei auch eine große Menge an Ausrüstung nötig. Und das würde nichts weiter als eine Eskalation der russischen Gegenangriffe bedeuten.

Mearsheimer hält sich allerdings nicht weiter mit einer Unterscheidung zwischen den ukrainischen Separatisten und Russland auf, aber, seine Schlussfolgerung ist realistisch.

Die Befürworter der Bewaffnung räumten ja auch die Gefahr der Eskalation ein, aber sie verbänden mit diesem Schritt andere Ziele. Sie meinen, das würde die Kosten des Konfliktes so erhöhen, dass dies Putin in seine „Höhle“ zurücktreiben könnte. Im Grunde steht das "gute alte" Wettrüsten bei solchen Überlegungen Pate.

Ironisch merkt er an, die Hoffnung, der Schmerz würde Moskau zwingen, seine Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen und zuzulassen, dass es sich der EU und der NATO anschließt, sei ein sehr unwahrscheinliches Szenarium.

Was die Befürworter solcher Bewaffnung aber nicht sehen wollten, sei, dass die russische Führung ihre strategischen Interessen auf dem Spiel sieht und das bedeute, dass sie nicht nachgeben weüden, ganz gleich was es kostet.

Verweis auf die Monroe-Doktrin

Mearsheimer tut einen Blick in die Geschichte und erinnert an die schlichte Wahrheit, dass Großmächte immer heftig reagierten, wenn entfernte Rivalen sich militärisch in ihrer Nähe ansiedeln. Und noch weniger würden sie akzeptieren, wenn der Versuch gemacht wird, ein angrenzendes Land zum eigenen Verbündeten zu machen.

Mearsheimer rief die Monroe –Doktrin in Erinnerung und stellte fest. Noch heute duldet kein amerikanischer politischer Führer, dass Kanada oder Mexiko z. B. sich am Militärbündnis eine anderen Großmacht beteiligen.

https://amerika21.de/2013/11/94373/kerry-vor-der-oas

Dass Außenminister John Kerry im Jahr 2013 einmal gegenüber den Staaten der OAS das Ende der Monroe-Doktrin verkündete hatte keine wirklichen Konsequenzen. Die Monroe Dokrin war die Grundlage des Verhaltens gegenüber Süd- und Lateinamerika und auch gegenüber Kuba. Die Kuba-Krise erinnert daran.

Russland habe zwar keine solche Doktrin, aber sehe die Dinge wohl ähnlich und sei ähnlich empfindlich. Und auch aus diesem Grunde brächten die Sanktionen Putin kaum zu Zugeständnissen, auch wenn die Kosten der Kämpfe in der Ukraine „erhöht“ werden.

Die große Gefahr, die heute alle in Furcht versetzt ist, dass dieser Erhöhung des militärischen Einsatzes in der Ukraine auch zu einer weiteren Eskalation führt und sich ausweitten könnte. Die Folgen wären für die Ukraine, die ohnehin schon wirtschaftlich am Boden liegt, fatal.

Auch, dass die Befürworter der Bewaffnung rein „defensive“ Waffen liefern wollen, sieht Mearsheimer als reinen Etikettenschwindel. In der Praxis gäbe es keinen Unterschied zwischen defensiven und offensiven Waffen. Der Westen kann ohnehin sicher sein, dass Moskau keine Waffe als defensiv betrachtet, sondern als Angriff auf den Status Quo im Osten der Ukraine.

Merkels Konzeptlosigkeit

Dass Angela Merkel den einzigen Weg für die Lösung der Krise in der Ukraine in der Diplomatie sieht, erkennt Mearsheimer an, aber er konstatiert auch, dass sie überhaupt kein Konzept hat, wie das geschehen soll. Noch immer hätte sie die Illusion , dass man die Ukraine aus dem russischen „Orbit“ ziehen und in den Westen integrieren könne. Aber, das ist ein Irrtum.

Brzezinski und Kissingers Vorschlag

Mit dem Vorschlag, der Westen sollte versuchen, die Ukraine in einen neutralen Pufferstaat zu verwandel, greift nicht nur Mearsheimer einen Vorschlag des bei politischen und Friedensaktivisten einzig und allein als finstere Gestalt gehandelten Zbigniew Brzezinski und auch Henry Kissingers auf.

Er schlug einen Status wie den Finnlands vor, Mearsheimer hat das Österreich der Zeit des Kalten Krieges im Sinn bei seinem Vorschlag. Auch Professor Anatol Lieven, auf dessen Beitrag ich kürzlich verwies, sieht in der Neutralität der Ukraine die einzige Chance.

https://www.freitag.de/autoren/magda/stimme-der-vernunft-und-nuechternheit

Mit diesem Ziel sollten die Ideen der EU-Mitgliedschaft und der NATO-Erweiterungen vom Tisch genommen und das ZIel einer blockfreien Ukraine, die Russland nicht bedroht ins Auge gefasst werden. Auch in der Wochenzeitung Die Zeit wird auf die Tatsache verwiesen, dass selbst erbitterte Hardliner wie Henry Kissinger und Zbigniew Brzezinski auf diese Option verweisen.

Die USA und ihre Verbündeten sollten nicht gegen sondern mit Herrn Putin zusammenarbeiten, um die ukrainische Wirtschaft zu entwickeln, ein Ziel das im Interesse aller liegen müsste.

Es sei wichtig, Russland zu helfen, die Kämpfe im Osten der Ukriane zu beenden und Kiew sollte wieder die Kontrolle über diese Region erhalten.

Substantielle Autonomie

für Donezk und Luhansk

Aber, - das sei der Kompromiss - dennoch sollte den Provinzen Donezk und Luhansk substantielle Autonomie gegeben werden. Dabei sollte der Schutz der russischen Sprache oberste Priorität sein.

Die Krim - ein Opfer des westlichen Versuchs, die NATO und die Europäische Union bis zur Haustür Russlands marschieren zu lassen, ist bestimmt für immer verloren.

Es sei Zeit, eine unkluge Politik, zu beenden bevor noch mehr Schaden für die Ukraine und die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen angerichtet sei.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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