Warum mir ein Urschrei entwich

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Die Heilige Familie im Urwald

Wenn uns die Furcht übermannt, von der Zukunft begraben zu werden, suchen wir Trost in der Vergangenheit und gehen noch einmal zurück,dorthin wo wir die Wurzeln der Menschheit vermuten.

Der Ursprung, die gute alte Menschheitsfrage, scheint Halt zu bieten und darum lassen Nachrichtenmagazine und andere Bildungseinrichtungen ihre geeignetsten Wissenschaftsredakteure auf das Thema los, auf das sie Trost und Heil in die verunsicherte Menschheit tragen, die hier offensichtlich auch im wesentlichen aus Männern zu bestehen scheint. So tut es auch immer mal wieder „Der Spiegel“ und bei manchen dieser Beiträge wird mir eine gewisse Belustigung zuteil.

In der Urgemeinschaft

gabs keine Quoten...

Am Anfang stand Adam, der Mann - dafür kann er nichts, er ist dazu verdammt. Zwischendurch kommt mal eine weibliche Figur in den Forschungsberichten vor, aber um Himmels willen es ist nicht Eva, sondern Lucy, die in Australien gefunden wurde. Darüber, dass schon so viele Männer gefunden wurden, aber nur eine Frau, dürfte nicht mal eine eiserne Feministin, der die Patriarchatskritik in der Wiege gesungen wurde, meckern. Quoten in der Urgemeinschaft kann es nicht gegeben haben und vielleicht konservieren sich Männer ja besser.

...denn der Mensch war Mann

Andererseits: Der erste Mensch muss einfach ein Mann gewesen sein, denn wie die einschlägigen Forschungsberichte in hymnischer Form konstatieren: ":„Der Mensch lernte zu sprechen, er entwickelte Gefühle wie Mitleid, Scham und Hochmut. Er baute Pyramiden, schrieb den Hamlet und besuchte den Mond“.

Der Mensch als Mann und Krone der Schöpfung, Halleluja!! So sieht es aus in den Köpfen der Wissenschaftler, die ja eigentlich Pächter der Rationalität an sich sein müssten. Sie können nicht von sich wegdenken, die Männer. Und sie alle hätten gern den Hamlet geschrieben. Aber der Rest ist nicht Schweigen. sondern weiteres Kramen in Klischees, die auch schon eine Geschichte auf dem Buckel haben.

Denn man entgeht seiner Zeit und seinem Kulturkreis auch dann nicht,wenn man Forscher ist - die Ängste um den Verlust eines privilegierten Status in der Schöpfungsgeschichte und allen menschlichen Zusammenhängen trübt den Blick und verführt zu einer Weltsicht, die kaum in die Aufklärung führt. Probe aufs Exempel gefällig?

Wie entstand der

aufrechte Gang

Da nehmen wir die Debatte um die Frage: Wie entstand der aufrechte Gang? Die von Forscherinnen diskutierte These, dieser könne sich durch das Tragen der Kinder und gleichzeitige Sammeln von Nahrung entwickelt haben, hat selten eine Chance. Quatsch sagt der USA-Anatom C. OwenLovejoy und greift zu der These, die Männern wahrscheinlich auch am einleuchtendsten erscheint. Gingen nicht jene Zwergschimpansen bereits aufrecht, die Nahrungsmittel sammelten und sie den Weibchen als Tausch gegen Sex anboten? So muss es gewesen sein. Von ihnen stammt der aufrechte Gang,

Es fehlt nur noch

der „Urwaldstrich“

Dieser Lovejoy muss die Urgesellschaft als eine Art legitime Vorstufe des gottgegebenen christlich-abendländischen monogamen Familienverbandes betrachtet haben, denn seine Thesen besitzen diese heilige Einfalt, werden aber selten angegriffen. Der Lohn für die Versorgung des Weibchens durch die Männchen der Urzeit, sei die Treue gewesen. Eheliche Treue in der Urzeit – man fasst es nicht.

Auch den Urfrauen habe dieses Arrangement in den Kram gepaßt, weiß der Forscher, weil ihnen dann mehr Zeit für die Kinderaufzucht blieb. Klasse!!

Es gab offensichtlich schon eine Art von Urküche und Urkinderstube, in die es die Weibchen zog. Hingegen mussten die Urmännchen in den feindlichen Wald, um die Weibchen zu versorgen. Eine Idylle. Jetzt fehlt nur noch der Urwald-Strich für Männchen, die keine abbekommen haben fürs Leben oder wo in der Urküche gerade Stunk ist.

Bin ich wirklich

der Vater meiner Kinder?

Noch lustiger wird es dann mit dem Eisprung und der Treue. Weil die weiblichen Urmenschen im Gegensatz zu ihren Ahninnen, den Schimpansinnen den Eisprung verbergen, schließt Lovejoy messerscharf: „Wenn der Eisprung verborgen ist, dann hat nur ein Männchen, das regelmäßig mit einem Weibchen kopuliert, eine hohe Wahrscheinlichkeit, der Vater des Nachwuchses zu sein“. Lovejoy unterstellt damaligen männlichen Urwesen die Urängste, die auch heute noch jeden Mann zu plagen scheinen und die da heißen: “Bin ich wirklich der Vater meiner Kinder?“ Unverdrossen und von keinem Zweifel getrübt, legen Forscher von heute das Muster der christlich-gutbürgerlichen Ehe, in dem sie selbst aufgewachsen sind, den Verhältnissen von vor Millionen Jahren zugrunde. Das ist eigentlich zum Lachen, könnte aber Frauen manchmal zum Ausstoss eines Urschreis veranlassen.

www.spiegel.de/spiegel/print/d-13521205.html

Das ist nur einer der vielen Beiträge, die der Spiegel der merkwürdigen Monogamie-These von Lovejoy widmet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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