Die Alma-Mahler-Werfel-Rezeption unter besonderer Berücksichtigung von Oliver Hilmes' Werk "Witwe im Wahn".
Eine rezensierende Schmähschrift.
Nachdem ich gerade im Buchladen gesehen habe, dass es inzwischen die Taschenbuchausgabe des als faktenreich und gründlich belobigten Buches gibt, kann ich meine Zeilen, geschrieben einstmals für virtuelle Freundinnen und Freunde, eigentlich hier noch mal einstellen. Es ist ein ganz hübsches Stück, denke ich. Mir hat’s jedenfalls viel Spaß gemacht beim Schreiben.
"Sie war eitel, selbstgefällig, hat sich und andere gequält mit ihren Launen und Stimmungen und war von einem tiefen Antisemitismus durchdrungen, den sie an ihren vielen jüdischen Liebhabern, einschließlich Mahler, ausließ." So ungefähr schrieb eine Rezensentin, nachdem sie das Buch von Oliver Hilmes "Witwe im Wahn" gelesen hatte.
Wer mag diese Nichtswürdige sein?, fragt man sich, wenn man diese Zeilen liest. Eine Circe, eine Xanthippe, eine Frau, die Menschen ins Verderben stieß und Männern nichts als Unglück brachte? Die Männer, das waren – legitim – Gustav Mahler, Walter Gropius und Franz Werfel. Andere wie Oskar Kokoschka hatte sie nebenher noch. Eine Frau die nicht nur von einem tiefen Antisemitismus durchdrungen war, sondern ihn auch noch ausließ, statt ihn, wie es sich heute gehört, im Geheimen zu pflegen und nur hin und wieder "blitzen" zu lassen, wie einen alten Unterrock. Eine Frau, die - Gipfel der Geschmacklosigkeit - diesen Antisemitismus nicht nur bei Gleichgesinnten anklingen, sondern auch noch an Juden selbst ausließ. Und gleich noch eine weitere Ungeheuerlichkeit: Sie ließ den Antisemitismus auch noch an solchen Juden aus, die sie vorher zu ihren Liebhabern gemacht hat. Abscheulich, abscheulich. Diese armen Männer gehören gerächt, rückwirkend, durch die Zeiten.
Posthume Rettung aus den
Klauen des Monstrums
Man muss diese armen Opfer - wenn auch mit historischer Verspätung - aus den Klauen eines solchen Monstrums retten. Zu diesem Zweck muss man dieses Monstrum und Miststück entlarven. Und zwar mit Nachdruck und zum wiederholten Male, wie es der Musikwissenschaftler und Autor Oliver Hilmes mit seinem Buch "Witwe im Wahn" tut. Erneut muss man aufdecken, auf welche verabscheuungswürdige Weise Alma Mahler-Werfel von ihrer Schönheit Gebrauch machte. Wie sie diese ins Spiel brachte zu niederen Zwecken. Wie stillos, wie unsozial, wie unfein, wie charakterlos. Denn heute wie vor hundert Jahren säuseln die Heuchlerinnen und Heuchler, wenn schon Schönheit, dann bitte stille Schönheit ohne Kohlensäure, ohne Gluckern ohne Aufstoßen. Erneut ist zu enthüllen, dass Alma Männer durch diese Schönheit, und allerlei andere weibliche Tricks, die nur sie kennt (wahrscheinlich eine Hexe), in ihren Bann geschlagen hat.
Mit immer wieder neu anzufachender Empörung ist auf die Ungeheuerlichkeit zu verweisen, dass sie einige ihrer Opfer heiratete und dies zu dem einzigen Zweck, ihnen das Leben schwer zu machen. Ja, hatte diese Frau nichts Besseres vor, als die Empörung ordentlicher und gut erzogener Frauen und feinsinniger wissenschaftlich gebildeter Männer hervorzurufen? Konnte sie nicht eine der vielen unbekannten stummgebliebenen Gefährtinnen werden, die segensreich und unauffällig an der Seite ihrer kreativen Männer wirken? Nein, das konnte sie nicht, sie hatte ganz offensichtlich andere Bedürfnisse und damit macht sie durch die Zeiten Skandal, dieses weibliche Untier. Nicht nur, dass sie einen gewaltigen Geschlechtstrieb hatte, was bei Frauen immer verdächtig ist. Sie war auch noch eine veritable Geltungstriebtäterin.
Sie wollte nicht auf
ihrem Platz bleiben
Mit physischer Liebe habe all das nichts zu tun gehabt, schränkte ein Zeitzeuge ein. Woher er das wusste, wird nicht dokumentiert, aber es gehört zu den Gesängen, die von ängstlichen Männern immer angestimmt werden, wenn es um eine Frau geht, die nicht auf ihrem Platz bleiben will, wie sonst bei Raubtieren, die der Dompteur gezähmt hat. Sowas erzeugt offensichtlich bis auf den heutigen Tag in Männern Aggressivität oder Ängste. Eine Abart von Lulu, fleischgewordene Natur und Subversion, schrecklich.
Furcht bei Heteros
und Homos
Sie ängstigt die Heteros, die sich überfordert fühlen und sich von ihr als verschlungen und gefressen erleben. Sie ängstigt die Homos, die ihre Ikonen der Weiblichkeit stilvoll aber ohne Sexualtrieb wollen, als Kunstfiguren eben. Oder sie ekelt Männer an, denen die Natur eine gewissen, sagen wir mal, erotische Dünnlippigkeit mitgegeben hat. Sie ekelt auch Frauen an aus verschiedenen Gründen: Aus Neid, aus Furcht vor einer solchen "Überfrau".
Was macht man nun mit dieser Person, die von einer Fleischlichkeit und Erotik, war, die heute nur noch in gezüchteter, medial gezähmter, silikongestärkter Form vorzukommen scheint. Was macht man mit einer Frau, die so was wie weibliche Waffen wirklich besaß und zu führen verstand und nebenher auch noch Geist hatte. Doppelt böse und gefährlich so was. So was gehört gezähmt, gehört eingeordnet auf dass sie - wie einer ihrer Feinde, der Übersetzer und Analytiker Hans Wollschläger forderte - "dann endgültig abgelegt werden kann" Ja, genau:
Standrechtliche Einordnung
und verschärfte Ablegung
"Wir fordern ihre standrechtliche Einordnung und verschärfte Ablegung", dröhnt der Chor der Quellenkundigen und bibliographischen Pfennigfuchser mit ordentlichem wissenschaftlichen Apparat. Wie ordnet man sie ein und wie legt man sie ab - die Frauen von diesem Kaliber? Genau, man legt sie auf die Couch. Man legt ihnen ein Korsett an. Bei Alma ganz wichtig, denn sie prahlte einmal, sie brauche keinen Hüfthalter. Die beinernen Stäbe der Psychoanalyse - jener Krankheit als deren Therapie sie sich ausgibt, wie Karl Kraus lästerte - legt man an. Damit entlarvt man sie. Und als was entlarvt man sie? Völlig klar: Man entlarvt sie als Hysterikerin. Frauen, die auffällig werden, sind im Zweifelsfall immer Hysterikerinnen. Denn einer, wie das Wiener Würstchen Freud, der selbst einräumte, er wisse nicht, was es will, das Weib, kommt immer auf Hysterie. Eigentlich aber, so mag man vorsichtig einwenden, ist die Hysterie meist als Symptomatik bei einem ziemlich gestörten Geschlechtsleben definiert worden. Hier ist nun mal eine, die immerhin ihre erotischen Wünsche kannte, sich sexuell durchaus definieren konnte, die Triebe auch überhaupt nicht verdrängte und sie ist dennoch hysterisch? Das macht nichts, wenn es nicht der Geschlechtstrieb war, dann war es eben der unerfüllte Geltungstrieb, der sie zur Hysterikerin machte. Ist doch egal. Bei Frauen ist immer Hysterie dran. Und wenn alle Stricke reißen, mit denen man Alma einordnen und binden will, dann kann man noch die schlimme Mutter hinzutun, gleich zwei Frauen eingeordnet und abgelegt. Basta. Und wenn sie abgelegt und eingeordnet ist - was macht man dann mit einer solchen Person?
Prost auf Alma
(Tom Lehrer: You've got Gustav and Walter and Franz)
Was macht man mit dieser, Frau die zum "Reflexions-Körper ihrer männlichen Künstler-Egos" wurde und "selbst kaum künstlerische Werke" hinterließ?", wie ein Rezensent des Alma-Buches von Oliver Hilmes in der "Welt am Sonntag" so treffend schrieb? Genau: man nutzt ihn gleich selbst noch einmal, diesen Reflexionskörper. Sie eignet sich ja ganz hervorragend dafür. Und wenn man ein ganz ordentlicher Wissenschaftler ist und bisher einige nur der Fachwelt bekannten, ganz soliden aber unauffälligen Sachen geschrieben hat, dann eignet sich der "Reflexionskörper Alma" noch einmal hervorragend zur Ausschlachtung nicht nur für ein Künstler-Ego, auch für ein Wissenschaftler Ego. Man braucht ihn nur benutzen und hat für eine geraume Zeit all die Aufmerksamkeit, die man braucht. Dann wird man nicht abgelegt und eingeordnet als einer mit Spezialwissen, sondern kann sein Buch prima verkaufen und ist "in".
Gute alte Alma - wieder jemandem kreativ beigestanden. Prooossstttt!!!. Getrunken hat sie wirklich eine ganze Menge. Und dann auf zur nächsten Einordnung und Ablegung.
www.lyricstime.com/tom-lehrer-alma-lyrics.html
Die Briten haben mehr Humor, darum ein Link zu diesem herrlichen Lied.
Refrain:
Alma, tell us!
All modern women are jealous.
You should have a statue in bronze
For bagging gustav and walter and franz.
Kommentare 5
Ich claqu', claqu', clatsche Beifall. Langsam wird's langweilig, ich weiß, aber es warum soll ich so tun als ob...
Huch, so schnell. Ich war gerade dabei, einzufügen, mit wem die alles verheiratet war. Aber - ich finde selbst, man merkt dem Beitrag an, dass er mir viel Spaß gemacht hat. Sie werden mich wahrscheinlich rupfen. Andererseits - es ist vielen wahrscheinlich gar nicht so gegenwärtig, das Almalein. Es gibt ja in Wien glaube ich sogar ein Musical über sie.
Gruß Du Schnellleser
[Zitat] Denn einer, wie das Wiener Würstchen Freud, der selbst einräumte, er wisse nicht, was es will, das Weib, kommt immer auf Hysterie.[/Zitatende]
Kannst Du mir ersparen, dieses Buch selbst zu kaufen, um nachzuprüfen, ob das da wirklich drin steht. Wird denn dort ein Fakt oder ein Fund präsentiert, aus dem hervorgeht, dass Freud Alma wirklich diese Diagnose gestellt hat?
Ich meine aus meiner Studienzeit, auch wenn die lange her ist, das komplette Werk des Wiener Würstchens gut zu kennen, aber keine Stelle darin, die das belegt. Überliefert ist nur - ich meine bei Ernest Jones - der Spaziergang mit Gustav Mahler, bei dem Freud jene Deutung des Werkes gelingt, die noch heute die musikwissenschaftliche Erklärung gewisser Brüche und abrupter Umschwünge ins beinah Triviale in seinen Werken erklärt: Elternzoff in der Kindheit. Und auf der Straße, wenn er auf dem Höhepunkt des Dramas flüchtete oder rausgeschickt wurde, stand immer dieser Mann mit dem Leierkasten. Erst durch dieses Gespräch sie ihm bewusst geworden, was er da fortwährend komponierte.
Freud wunderte dran nur - nach meiner Erinnerung -, dass Gustav, der natürlich immer auf Seiten seiner Mutter stand, dann später eine Frau mit einem deutlich anderen Vornamen geheiratet hatte. Denn seine Mutter hieß - wie, weiß ich nicht mehr - aber jedenfalls nicht Alma. Da offenbarte ihm Mahler, dass Alma noch einen zweiten Vornamen habe, nämlich den seiner Mutter, und dass er sie privat gar nicht Alma nenne, sondern so, wie seine Mutter hieß.
Ob die Geschichte wahr ist, kann ich nicht prüfen. Nicht einmal, ob ich sie richtig erinnere. Denn hier, außerhalb von Berlin, im schönen Nordfriesland, habe ich momentan nicht mal den Jones zur Hand. Wenn sie aber stimmt, könnte das in zumindest einem Fall ein Licht darauf werfen, was Mahler bei ihr gesucht haben muss: einen Widerpart im wiederbelebten, spannungsreichen Geschlechterkampf seiner Eltern - über und unter der Gürtellinie. Nicht alle Männer mögen solche Frauen, und noch weniger Frauen vermögen die paradoxen Erwartungen solcher Männer zu befriedigen. Immer vorausgesetzt, das Würstchen hat Recht.
Lieber Christian,
ob ich das belegen kann, weiß ich gar nicht mehr. Aber ich kann es mir leicht machen und den Satz in den Konjunktiv setzen.
Es ist schon ein bisschen her, dass ich mich mit dem Buch von Olliver Hilmes und der Rezeption befasst habe, dass ich mir nicht mehr sicher bin, wo das stand. Es ist dieses ja auch keine wissenschaftliche Arbeit, sondern eine polemische Rezension. Und eines ist ganz sicher, dass Hilmes die Hysterie von Alma Mahler Werfel beim Wickel hatte.
Nebenher wird aus diesem Buch - wie auch aus anderen - nie und nimmer klar, worauf die Wirkung von Alma Mahler Werfel auf Männer beruhte. Man muss sich nur mal Oskar Kokoschkas Briefe an sie angucken, da merkt man, dass die Männer geradezu von ihr "gezehrt" haben. Sie wird aber immer nur angefeindet. Es gab auch mal ein von einer Frau, Françoise Giroud, geschriebenes Buch über sie. Aber das wurde dann als zu feministisch kritisiert. Wenn ein Mann sich über eine Frau so hermacht, dann ist das aber nicht mysogyn, sondern eben objektiv.
Was Mahler bei ihr suchte, ist nicht ganz deutlich, nur was er nicht suchte. Er wollte auf keinen Fall, dass sie ihm künstlerisch Konkurrenz machte, sie hatte immerhin auch kreative Ambitionen.
Sie rächte sich sicherlich, indem sie ihn ein bisschen "geknechtet" hat. Und - es gibt eine schön- böse Anmerkung über seine Kompositionen:
"... Ausserdem bin ich mit seiner Musik keinesweg so vollkommen einverstanden. Die 6. und 7. (Symphonien) gehen mir ganz nah, an und für sich. Aber wenn mann alle Symphonien hintereinander hört, geht einem das ewige Telephonieren mit dem lieben Gott mit der Zeit auf die Nerven."
Das bringt mich drauf: Sie war ironisch und sowas mag ich nun wieder.
Siehste Christian, jetzt habe ich Dich als Reflexionskörper missbraucht. Das ist der Geschlechterkampf.
Diagnose 'Hysterie', nicht sehr originell von Herrn F., aber noch Lehrmeinung zu der Zeit. Therapie: Heiraten oder/und Genitalmassage. Bis 1869 vom Arzt handwerklich ausgeführt, dann erfand ein George Taylor eine Maschine dafür. Der Vibrator war geboren.
Good Vibrations!