Wie in einer Drückerkolonne

Friedensfreunde Es gibt keinen rechten oder linken Frieden. Frieden ist unpolitisch. Das postulierte kürzlich einer der momentan gerade gängigen Welterklärer. Ist das wirklich so?

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Es habe noch nie jemand einen Frieden inszeniert, um ihn politisch auszunutzen, erklärt der gleiche Mensch. Stimmt das? Nein, noch jeder verhandelte Frieden wurde auch politisch genutzt und verhängnisvoll ausgenutzt. Man denke nur an den Frieden von Brest-Litowsk, der als „Raubfrieden“ in die Historie einging.

Gibt’s nicht doch so Begriffe wie pax americana? Oder wie die - einstmals inkriminierte - pax sovietica? Gibt’s nicht auch einen „Friedhofsfrieden“, den keiner will? Oder den Begriff „Frieden“ hinter dem man sich und die eigentlichen politischen Ziele prima verstecken kann?

Peitschenknall-Ton

Allein schon der Peitschenknall-Ton mancher Weltanalysen erzeugt innere Abwehr. Der aufgebaute Druck, die Unterstellung, man sei keine Friedensfreundin, wenn man nur den Hauch eines Unbehagens formuliert. Unter diesen Friedensfreunden ist die Atmosphäre ein bisschen wie in einer Drückerkolonne. Draußen lauert der Feind, dem wir was aufschwatzen müssen und auch du bist ein Feind,wenn Du nicht ordentlich mitdrückst. Du willst doch nicht sein, wie die Ahnungslosen da draußen. Oder, es wird die alte divide et impera Regel aufgerufen. Wenn Du Dich teilen lässt, wirst Du beherrscht. Druck, Druck, Druck...

...erinnert an die DDR

Manches an diesen Friedensfreunden erinnert mich an die DDR. Jaja, die hatten auch immer den Frieden im Gepäck, Manchmal stimmte das und manchmal war es nur der Knebel für abweichende Meinungen. Es ging – bei allem – immer um den Frieden. So wurde der Begriff entwertet und die Leute verdrehten die Augen, wenn mal wieder „der Frieden“ dran war. So wurde das Wort manchmal auch zur Metapher für einen ziemlichen Druck, wie bei den Friedensfreunden der Gegenwart.

Wer nicht für den Frieden war, war verdächtig und bestimmt auch nicht für die DDR. Wer heute abseits steht von dem Getöse ist bestimmt auch nicht für den Frieden und gegen KenFM.

Unfrieden um diese Friedensaktivitäten -demos und -winter gab und gibt es und höchst berechtigten Streit. Am Anfang hatte auch ich widerstreitende Gedanken. Ich will ja keine Friedenssaboteurin sein. Aber ich will auch nicht Leuten folgen sollen, weil das für den Frieden gut ist obwohl die mir so auf den Geist gehen mit ihrem Friedensheroldismus. Ich frage mich dann immer, ob hier die Form nicht den Inhalt entlarvt. Muss man sowas ertragen, wenn man friedfertig sein will?

Friedens- und Politikgurus

Und eines das kommt immer wieder raus bei diesen Friedensfreunden. Du sollst für den Frieden sein, aber darüber diskutieren sollst Du nicht. Dafür gibt’s Friedens- und Politikgurus der besten Sorte, die – wie inzwischen bei den Evangelikalen – irgendwelche Hallen füllen. Die schnurren die ganze Welterklärung herunter und nennen das Aufklärung. Und da stimmt ja dann manches, aber vieles auch nicht.

Es stimmt ja, dass die USA-Strategen Szenarien entwickeln für ihr weltweites Agieren und für ihre weitere Dominanz. Daraus machen die auch gar kein Hehl.

Es stimmt ja, dass Israels Politik international immer mehr unter Druck gerät wegen seiner Politik gegenüber den Palästinensern und wegen der Abwesenheit wirklichen Willens zum Frieden in der Region

Es stimmt ja, dass die Finanzoligarchen der Welt die Staaten immer mehr im Griffe haben und demokratische Mechanismen bedrohen

Aber

Es stimmt nicht, dass die USA immer Erfolg haben, wenn sie Staaten zu Marionetten machen wollen. Die Staaten haben selbst einen eigenen Willen, die Völker dort rebellieren zu Recht und sind nicht nur Figuren im Machtspiel. Die USA setzen sich oft erst dann gewissermaßen auf die Bewegungen und das ist verhängnisvoll.

Es stimmt nicht, dass Israel ein neues Nazireich ist nur weil Leute diese Zuschreibung brauchen, um sich hierzulande besser zu fühlen

Es stimmt nicht, dass Putin überhaupt keine Schuld trägt an den Verwerfungen in der Ukraine

In all diesem Grübeln fiel mein Blick auf die Nachdenkseiten. Die verlinkten auf einen sehr sehr klaren und guten Beitrag, der mich in so manchem bestätigte und beruhigte.

Ressentiment vs. Aufklärung schreibt Paul Schäfer und beleuchtet all diese widersprüchlichen Entwicklungen. Woran es mangelt sind in der Tat Aufklärung, Analyse und politische Wachheit. Nicht festgezurrte und verschraubte Weltbilder. Und nicht Analyse-Surrogate, die befriedigend wirken,weil sie die Welt so schön vereinfachen. Immer was Wahres dran, aber eben nicht die Wahrheit.

Aber die Welt ist nicht einfach. Nein, man muss sich nicht mies vorkommen, weil man mit diesen „Simplify Policy“- Leuten nicht Frieden will. Daran ändert sich für mich auch nichts, dass sich durchaus wohlmeinende und sachkundige Leute via mancher Friedensmedien äußern. Es wird als Chance gesehen, Botschaften und Fakten unter die Menschen zu bringen in diesen Zeiten. Das Risiko, dass man vor eine Karre gespannt wird, muss man dann in Kauf nehmen.

Es stimmt nicht: Frieden ist nicht unpolitisch. Er ist immer politisch vor allem, wenn er nur als schiefe Metapher für allerlei Sendungs- und Sammlungsbewegungen durch die Gegend schwirrt. Dann ist sein Gebrauch eher gefährlich.

Wenn es aber schon einfach sein soll, dann ist dieser Trost zu empfehlen.

Ein Lied aus der DDR. Es schildert eine Alltagsszene und Alltagswünsche. Das war ein stiller Protest gegen die inflationäre Verwendung des Wortes „Frieden“.

Der einfache Frieden

Wenn ein Gras wächst, wo nah ein Haus steht,
und vom Schornstein steigt der Rauch,
soll'n die Leute beieinander sitzen,
vor sich Brot und Ruhe auch,
und Ruhe auch.

(Refrain:)
Das ist der einfache Frieden,
den schätze nicht gering.
Es ist um den einfachen Frieden
seit Tausenden von Jahren
ein beschwerlich Ding.


Wo ein Mann ist, soll eine Frau sein,
dass da eins das andre wärmt,
solln sich lieben und solln sich streiten,
von der Angst nicht abgehärmt,
nicht abgehärmt.

Wo ein Ball liegt, soll nah ein Kind spiel'n,
das zwei gute Eltern hat,
und soll alle Aussicht haben,
ob im Land, ob in der Stadt,
ob in der Stadt.

Wo ein Leben war, da soll ein Tod sein
unter Tränen still ins Grab,
wo der Nachfahr manchmal hingeht
zu dem Menschen, den es gab,
den es gab.

(Gisela Steineckert)

https://www.youtube.com/watch?v=rkE3uNyT7y4

Hier kann man auch hören. In der Kirche ab 2. Minute

Sonst gibt es das nur als Pionierlied.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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