Wiederlesen macht Freude

Notizbuchernte Man müsste mehr aufschreiben, sage ich mir, wenn ich am Sonntagmorgen durch die Gegend ziehe, mich über den Tiefsinn meiner Überlegungen hin und wieder arg täuschend.

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Gerade gab es – beim Deutschlandfunk – die Lange Nacht des Wanderns mit vielen Texten über den Nutzen des Voranschreitens und seine Bedeutung für die Beschleunigung von Gedankenströmen, was bei mir ohnehin offene Türen einrannte.

So manche Gedanken entstehen beim Gehen, manche ordnen sich beim Gehen und bei manchen wird man sich darüber klar, dass man sie besser wieder vergisst.

Trotzdem stimmt es, man sollte mehr notieren, nicht nur zur Verewigung oder Fixierung, auch zur Warnung beim Wiederlesen. Manche Geistesblitze waren nur Theaterdonner – na egal.

Ich habe ein rotes Notizbuch – das ist viele Jahre alt. Es war ein runder Geburtstag, als es mir geschenkt wurde und schon rundet es sich bei mir wieder. Da steht alles mögliche drin. Und ich frage mich: Wenn ich es denn da aufgeschrieben habe, warum ich es nicht verwende. Für oder gegen mich. Das ist besser als ein Tagebuch, das ich auch führe, aber das immer mehr zu einem Wetter- und Zustandsbericht verkommt. Ohne jeden Tiefgang – den die Berliner immer als Karl Gustav von Tiefsinn verspotten. Dafür läuft manches auf Grund, was eigentlich schweben sollte. Naja, wie es eben so ist.

Nun denn: Das Notizbuch wird abgeerntet. Auch Stilblüten, die noch nicht zu stilistischen Unheilsfrüchten gereift sind sollen ihre Bestimmung finden.

Alles, was mir so als Ausbeute geeignet scheint.

Für diesmal ist es eine Notiz über den

Bachmannpreis 2006

Da hat der Autor Norbert Scheuer aus seinem Buch ein Kapitel gelesen. Das Problem dabei war, er lispelt so unglaublich, dass man bei jedem Wort zusammenzuckt. Schon der Titel Überm Rauschen scheint wie eine Kampfansage an die eigene wortspritzende Vortragsweise, die er immer mal wieder versucht zu kanalisieren, aber es funktoniert nicht. Nach einer Weile musste ich laut lachen, ich konnte nicht anders. Allein das Wort „Leichensack“, ließ mich kraftlos in den Sessel fallen.

Ist das gefühlsroh? Ich weiß nicht.

Es gibt eine sehr schöne kleine komödiantische Szene, die der österreichische Regissseur Otto Schenk wohl verantwortet hat. Da erhebt sich ein wild lispelnder Adliger mit Wucht über sein Gebrechen. Lispelnde Maiden werden sowieso gern verballhornt, weshalb „Susie sag mal saure Sahne“ zu den entsprechend beliebten Aufforderungen gehört.

Es gehört nun mal zu den Sitten des Bachmannpreises, dass der Autor selbst vorliest. In diesem Falle hatte das die entsprechenden Folgen. Im Saal dort lachte natürlich niemand, aber ich zu Hause konnte mich mehrmals schallend erleichtern.

Scheuer hat sein Buch inzwischen veröffentlicht. Ich weiß nicht mit welchem Echo. Aber, es ist zu wünschen, dass er es nicht als Hörbuch aufnimmt.

Und zum Schluss ein paar Proben aus meiner Sammlung von Eigengewächsen, Gedankensplittern aber auch Zitaten, die natürlich dann auch gekennzeichnet werden.

1. Frage an einen Fertigteil-Redner: Wo bitte lassen Sie formulieren

2. Ein Student zu seinem Professor: Ich lerne gern von Ihnen, am besten lerne ich immer aus Ihren Fehlern.

3. Sie war ein ziemlich melancholischer Mensch - eigentlich schon immer so gewesen, gewissermaßen naturtrüb

4. Sein Gesicht war vom Leben nicht gezeichnet, sondern karikiert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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