Wir haben nicht fertig - wir machen fertig

Christian Wulff Seltsam einhellig sind die Medienstimmen zur Eröffnung des Verfahrens gegen Christian Wulff. Selbstkritik ist kaum zu vernehmen

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Wir haben nicht fertig -  wir machen fertig

Foto: Nigel Treblin/Getty Images

Er habe es verdient, meint die FR, es geschieht im recht, titelt der Tagesspiegel. Er ist kein Vorbild meinen viele Schreiber. Andere, wie der Focus - lassen aber auch "wider den Einheitsstachel" löcken.

Mir scheint vor allem, dass die Medien mit der Wulff-Berichterstattung ihre Meinungsbildungsfunktion ins Trübe ausgedehnt und ihre eigene ohnehin anfechtbare Vorbildfunktion komplett eingebüsst haben. Verdikte reihten sich an Verdikte wie Bobbycar an Bobbycar.

Ich frage mich; Ist der eitle Freiheits-Prediger Gauck mit dem richtigen Repertoire besser und stilvoller als der angeblich kleinkarierte Wulff, der - wie viele - "sah wo er blieb" und sich für einen Film, der in der NS-Zeit spielte verwendete? Etwas, das als Vorteilsnahme gilt, aber nur bei entsprechender höchst fragiler rechtlicher Interpretation.
Komisch, mir wird immer übler, je mehr ich drüber nachdenke.

Und allen voran ein gewisser Nikolaus Blome, auch so ein Feldwebel der moralischen Einheitsentrüstung, der mit Biedermannsmiene bei Jauch erklärte, wie sehr der Bundespräsident schon am Sturz ist, und im Nebensatz auch mal ein bisschen drohte. Übel, das Ganze.

Und jetzt kommentiert Blome auch wieder:

Aber ebenso egal, wie es ausgeht: Das politische Urteil über den Bundespräsidenten Christian Wulff wird Bestand haben.

Ganz zufrieden einer, der weiß: Wulff ist erfolgreich aus dem Amt gehebelt und erledigt: Mission accomplished, das hat Bestand.
Aber auch das Urteil über die Medien wird Bestand haben.
Die unabhängige Justiz - mit der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft als Einfallstor - erweist sich als Werkzeug der Politik. Mir kommt da der Fall Mollath in den Sinn.
Die Staatsanwaltschaft konnte gar nicht wieder aufhören zu ermitteln, auch wenn man schon downgraden musste auf ein weniger schlimmes Delikt.

Wulff ist kein

deutscher Berlusconi

Wulff hat mit seinen Reden und Auftritten als Bundespräsdent durchaus eine gute Figur gemacht, er war kein "deutscher Berlusconi", wie der Freitag-Herausgeber kühn erklärte. Er war irgendwem im Wege und deshalb wurden seine Kleinkariertheiten und Ungeschicklichkeiten an den Tag gebracht und solange hin und hergewendet bis er mürbe war. Die Attacken gegen seine Frau kamen noch dazu.

Frühere und gegenwärtige Bundespräsidenten wurden da besser behandelt. Sicher, sicher, wir leben in anderen Zeiten.

Telepolis aber stellt fest: Eher geht es im Verfahren um die Gesichtswahrung der Staatsanwaltschaft, die dem öffentlichen Druck in der Hetzjagd auf Wulff nachgab, anstatt zuvor mit den Betroffenen, also Wulff, Geerkens und Groenewold gesprochen zu haben. Der nun nicht mehr unwahrscheinliche Freispruch für Wulff könnte nicht nur für die Staatsanwaltschaft Hannover, sondern auch für Bild und Spiegel sowie alle, die Wulff der Korruption und Lüge bezichtigten, eine bittere Lektion bieten.

Vorher aber werden die Medien nochmal einen ordentlichen Kessel bilden und das Treiben wird beginnen. Denn dann geht sie weiter, die damals begonnene Umarmungsserie zwischen BILD und "seriösen" Medien, die mit der Blome-Berufung zum "Spiegel" ihren jetzigen Höhepunkt hat.

Überlegungen, die auch das Weblog Altpapier anstellte

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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