Zum Beispiel Irmgard Keun

Bücherverbrennung Zu den Werken, die bei der Bücherverbrennung im Jahre 1933 in die Flammen geworfen wurden, gehörten auch die Romane der Schriftstellerin Irmgard Keun.

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Aus diesem Anlass erinnerte deutschlandradio kultur heute an sie. Hervorgehoben wurde ihr erster Roman Gilgi, dessen Heldin sich als moderne Frau in der Weimarer Zeit behaupten will. Es war dieses neue Bild der unabhängigen Frau, das den Zorn der Nazis auf sich zog. Irmgard Keun ging drei Jahre nachdem die Nazis an die Macht gekommen waren, nach Ostende ins Exil.

Johannes Tralow, ihr 27 Jahre älterer Gatte, blieb in Deutschland zurück, während ihr Geliebter, der jüdische Arzt Arnold Strauss, in Amerika auf sie wartete. Eineinhalb Jahre war Irmgard Keun die Gefährtin des österreichischen Schriftstellers Joseph Roth, mit dem sie quer durch Europa reiste. Nach der Trennung von Roth verschlug sie das Leben nach Amsterdam, wo sie, als 1940 die Deutschen einmarschierten, ohne Geld und Pass lebte. Sie kehrte mit Hilfe eines falschen Passes, den sie besorgen konnte, nach Deutschland zurück, wo sie illegal und anonym das Ende des Krieges abwartete.

Nach dem Krieg versuchte Irmgard Keun mit Feuilletons und einem Roman wieder Fuß zu fassen.
Aber nur das 1936 im Ausland erschienene Buch „Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften" fand Widerhall. Sie hatte massive Alkoholprobleme und lebte sechs Jahre in einer Anstalt bis sie 1982 in Charlottenburg starb. Erst in den späten 70er Jahren wurde sie wiederentdeckt, ihre Werke wurden neu aufgelegt, und sie erhielt, ein Jahr vor ihrem Tod, den ersten Marieluise-Fleißer-Preis der Stadt Ingolstadt.

Eine kleine Reprise

"Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften" habe ich vor einiger Zeit schon mal besprochen, aber der Anlass rechtfertigt eine Reprise:

Irmgard Keuns Buch ist zwar als Jugendbuch getarnt, aber es ist nicht für Kinder gedacht. Der trickreiche Einsatz der Kindersprache für höhere Wahrheiten ist das Beste daran. Heutzutage gibt es viele Nachahmer und Nachahmerinnen dieser Technik, aber sie ist der Prototyp.

Das Buch handelt also von einem sehr kleinen Mädchen, das im Köln des vergangenen Jahrhunderts lebt und seinen Eltern andauernd die irrsinnigsten Überraschungen beschert.

Das herrliche Schreckensgeschöpf legt sich mit streberhaften Musterkindern an, zum Beispiel mit dem dicken Trudchen Meiser, dem es eine Tüte Waschblau auf den liebevoll aufgedrehten Haarschopf schüttet, es schwänzt pausenlos die Schule (auch darum liebe ich das Buch, ich war auch eine Schulschwänzerin). Es schreibt mit seinen Freunden einen Brief an den Kaiser und rät ihm in aller Freundschaft, er möge abdanken. Das bereitet den Eltern reichlich Ärger. Es besucht einen stadtbekannten Heldentenor und gerät in den Ruf, dessen "frühreifes Liebchen" zu sein, was aber alles gelogen ist. Außerdem bringt es eine einwohnende Tante um deren Heiratschancen. Ein wunderbares Kind, ich habe es ins Herz geschlossen. Das Beeindruckende ist, wie schon geschrieben, diese halb naive und dann wieder altkluge Kindersprache, die ihre Umwelt entlarvt, aber nicht menschenfeindlich oder zynisch ist.

„Ich will nicht weinen. Die Erwachsenen lachen, wenn ich weine. Und wenn ich lache, ist es ihnen auch nicht recht, weil ich dann was getan habe, was ihnen nicht passt. Ich soll nämlich den Ernst des Lebens begreifen lernen. Was ist das?“ Eine Frage, die mir persönlich auch als Erwachsene heute öfter noch in den Sinn kommt und zwar mit zunehmendem Alter in zunehmendem Maße.

Das Buch hat mir eine Freundin geschenkt, als ich schon ein Teenie war und deshalb legte ich es erst einmal empört beiseite. Aber dann las ich es und las es immer wieder. Es ist sehr lustig, sehr tröstlich und mir einleuchtender als dieses allseits bewunderte Pipi Langstrumpf-Gör. Bei einem Umzug habe ich das alte Exemplar verloren und freute mich, als ich vor einigen Jahren ein Mängelexemplar bei „Joker“ fand.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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