Zwischen Versuch und Irrtum

Justiz Er könne sich „freikaufen“ dichteten dieser Tage die Medien fast unisono über die Ermittlungen gegen Christian Wulff

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Zwischen Versuch und Irrtum

Foto: DAMIEN MEYER/ AFP/ Getty Images

Gegen eine Zahlung von 50.000 Euro könnte das Verfahren gegen ihn eingestellt werden.

Es mag ein Zufall sein: Dieser Tage entschied das Bundesverfassungsgericht, dass sogenannte Absprachen in Strafprozessen nicht verfassungswidrig sind.

„Bei den auch Deals genannten Absprachen im Strafprozess bekommen Angeklagte im Gegenzug für ein Geständnis eine mildere Strafe. Für die überlasteten Gerichte ist dies insbesondere dann attraktiv, wenn sie sich so eine mühsame Beweisaufnahme ersparen, häufig etwa bei Wirtschaftsstraftaten. heißt es bei „123recht“.

Geklagt haben drei Verurteilte, die sich über die Folgen eines so gedealten „Geständnisses“ nicht im Klaren waren.

Mauscheleien hinter den Kulissen?

Einer erklärte, er habe überhaupt nur „gestanden“, weil man ihm eine milde Strafe oder gar Strafeinstellung in Aussicht gestellt hätte. Diese Absprachen seien - so viele Kommentatoren - zu oft „Mauscheleien hinter den Kulissen“. Der Justiz wird die Arbeit erleichtert, vielleicht werden auch Bagatelldelikte schnell erledigt. Aber, z. B. Wirtschaftsdelinquenten, die nicht nur einen kleinen Betrag hinterzogen haben, kommen davon. So konnten Josef Ackermann, der ehemalige Chef der Deutschen Bank oder auch Peter Hartz mit so einem Deal etwas gelassener in die Zukunft sehen, wie auf dem Onlineportal “ Der Westen ausgeführt wird: „Schutz von Prominenten: Im Düsseldorfer Mannesmann-Prozess kamen die früheren Chefs der Deutschen Bank, Josef Ackermann, und von Mannesmann, Klaus Esser, 2006 durch einen Deal glimpflich davon. Sie waren angeklagt, rechtswidrig Millionenabfindungen bewilligt und so Untreue begangen zu haben – das Verfahren wurde gegen Geldauflagen eingestellt. Auch der frühere VW-Manager Peter Hartz profitierte in der VW-Affäre um Lustreisen für Betriebsräte von einem Deal. Das Landgericht Braunschweig verurteilte ihn nach nur zwei Prozesstagen zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe wegen Untreue und Begünstigung. Für ein umfassendes Geständnis blieb Hartz nicht nur Gefängnis erspart, sondern auch der peinliche Auftritt von Prostituierten als Zeugen.“

Das kann es also weiter geben, wenn die Hintergründe solcher Absprachen transparent gemacht und nicht informell ausgehandelt, werden, so die Verfassungsrichter.

Deals – Indikatoren des Justizversagens?

Manchmal ist so ein Deal aber auch der Indikator kompletten eigenen Versagens von Teilen der Justiz und ein Beleg dafür, dass sie sich, wenn die politische Instrumentalisierung nicht gelingt, auch dafür noch am Beschuldigten schadlos hält.

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat – so berichteten die Medien die Tage – dem ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff angeboten, gegen eine Zahlung von 50.000 Euro das Verfahren gegen ihn einzustellen.

Das ist schlichtweg ekelhaft.

- Weil, das Wort „Freikauf“ – obwohl dieser „Deal“, der noch gar nicht getätigt ist - in fast allen Medien auftaucht und den Betroffenen unbewiesen schuldig erscheinen lässt.

- Weil die Ermittler – obwohl es jetzt nur noch um eine Summe von einigen Hundert Euro geht, die strafrelevant wären – den Strafvorwurf von vermuteterer Vorteilsnahme zu vermuteter Bestechlichkeit nach oben „korrigierten“, damit überhaupt noch was übrigbleibt, von den bombastischen, fehlgeschlagenen – und wie immer deutlicher wird – politisch gewollten rechtlichen Skandalisierungen.

Hans Leyendecker vermutete in der "Süddeutschen", dass hier jemand mürbe gemacht werden soll, damit die Staatsanwaltschaft noch halbwegs gut aus der Sache rauskommt.

Die FAZ hat in einem ersten Kommantar Deals auf dem Basar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eilfertig Christian Wulff als einen möglichen Profiteur der Deals genannt. Das ist reichlich widerwärtig, weil dieser Mann inzwischen alles verloren hat und eigentlich ruiniert ist.

Nein, ich bin kein Fan von Christian Wulff gewesen, aber bei den Pro und Contra-Überlegungen in der taz bin ich auf der Seite des Autors und der Kommentatoren, die meinen, Wulff sei vor allem ein Opfer übergeschnappter Medien, die Politik machen wollten, geworden. Was denn sonst?, sage ich mir.

Ich mag Gregor Gysi aus der Ferne ganz gern. Und ich will einfach nicht glauben, dass ein pensionierter Richter so gerade zur rechten Zeit seine Anzeige macht, damit sich die Mühlen der Gerechtigkeit auch bis zur Bundestagswahl drehen. Selbst dann, wenn dieser Richter im Gegensatz zu Gysis Meinung, kein notorischer Querulant ist, etwas was auch die Welt empört zurückweist. Nein, er sei ein engagierter Hobbyhistoriker, erklärt der Tagesspiegel.

Ich kenne Gustl Mollath nicht, aber sein Schicksal beschäftigte mich dieser Tage.

Was für ein Deal wird die Justiz ihm vorschlagen, um noch aus der Sache rauszukommen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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