Das Einzige, worin sich Dieter Nuhr von anderen neudeutschen Comedians unterscheidet, ist seine Meinung. Leute, die sich am Leitbild der Political Correctness stören und in ihrer Freizeit die Empörung über Cancel Culture und Queerfeminismus pflegen, finden deshalb, dass er zu den Guten gehöre.
In Wahrheit gehört er zum gleichen Mainstream, in dem auch sein unsympathischerer und weniger talentierter Kollege Jan Böhmermann schwimmt, der ihn jüngst in der ZDF-Satire-Sendung Nuhr im Zweiten als Vertreter einer rechten und daher ungehörigen Satire parodiert hat. Dass Nuhr erträglicher ist als Böhmermann, heißt nicht, dass er anders wäre. Zwar beliefert Nuhr sein Publikum mit Kritik am Islam, was ihm Strafanzeigen deutscher Muslime ebens
scher Muslime ebenso wie Lob von Migrationsskeptikern eingebracht hat; aber er macht sich im gleichen Atemzug über die Doppelmoral der katholischen Kirche und Religion überhaupt lustig, denn er ist Gewohnheitsatheist. Zwar erlaubt er sich, die Anhänger von Greta Thunberg zu verspotten („Wenn unsere Kinder meinen, wir können diese Welt mit ein bisschen Sonne und Wind antreiben, dann sollten wir Eltern ihnen ein Hamsterrad mit Dynamo ins Kinderzimmer stellen“), aber nur, um das Bekenntnis nachzureichen, er sei für Klimaschutz und halte lediglich viele Forderungen der Aktivisten für unrealisierbar und extremistisch.Zwar empfiehlt er, die Sprechpause, die beim Reden für alle stehen soll, die sich nicht in das binäre Geschlechterschema fügen wollen, durch ein Rotzgeräusch zu ersetzen, gesteht aber im Gespräch mit Emma, die ihn schätzt, weil er „religiöse Fundamentalismen aller Provenienz aufs Korn“ nimmt, selbstkritisch-selbstlobend, er sei ein „klassischer Frauenversteher“ und komme „als Macho nicht in Frage“. Ein Satiriker ist er schon deshalb nicht, weil Satire böse, einseitig und ungerecht ist. Nuhr verspottet zwar die „Wokeness“ ebenso wie die Grünen, deren Mitglied er früher war, bleibt dabei aber immer äquidistant, differenziert und konsensorientiert.Dass seine Inkorrektheit nichts als eine etwas subtilere Variante des Konformismus ist, den Böhmermann ganz offen propagiert, hat Nuhr mit seinen Äußerungen über Corona-Maßnahmen-Kritiker klargestellt, die er nicht anders als Böhmermann sämtlich für Querdenker und Rechtsradikale hält. Er sei geboostert, erzählte er bei seinem Jahresrückblick auf 2021, und habe nach der Impfung „den rechten Arm tagelang nicht mehr hochbekommen – für manchen Impfgegner in Sachsen eine Katastrophe“.Auch sonst hat Nuhr sein Publikum mit Häme über Kritiker der Corona-Politik überhäuft, einfach weil er ebenso gegen Querdenker wie Transgender-Ideologen, ebenso gegen Homöopathie wie gegen regierungsamtliche Duschempfehlungen ist. Als Meinung mag das alles vernünftig sein, als Satire ist es untauglich, wenn dabei nicht mehr herauskommt als eine Aneinanderreihung moderater Unbotmäßigkeiten. Genau dieses wohnzimmerfreundlich gedimmte Aufmuckertum ist Nuhrs Erfolgsrezept. Deshalb attestieren ihm Leute, die nicht biederer sind als er selbst, dass er sich ja ganz schön was traut. Und deshalb verkörpert er die neueste Schrumpfform der Satire. Denn wer immer zuverlässig zu den Guten gehört, der kann nur schlechte Witze machen.