Restaurieren von rechts

Rückwärts gewandt In Berlin wurde in der vergangenen Woche eine Bibliothek des Konservatismus eröffnet. Ihren Initiatoren geht es nicht nur um Bücher, sondern auch um Politik

Auf die Idee, dass Konservative eine freundlichere Beziehung zum Buch unterhalten als viele Linke, könnte kommen, wer alternative Buchhandlungen von innen kennt. Manch einer dieser Orte mutet ästhetisch und geistig wie eine Mischung aus Jugendzimmer und Altpapierhandlung an, und hat nicht zuletzt deshalb bis heute überleben können, weil in ihnen vermeintlich immer noch subversives und dissidentes Schriftgut angeboten wird.

Hat man sich aus den bunten Bergen des Suhrkamp-Ausschusses die zu Unrecht vergessenen Bände gesichert und die unbekannten Autoren entdeckt, die sich dort entdecken lassen, offenbaren viele linke Buchläden bald nicht nur ihren Mangel an Charme, sondern auch ihren Konformismus. Offensichtlicher Beweis dafür ist, dass die Bände des Merve-Verlags, dessen Programm zur Formatvorlage für Medienkünstler geworden ist, in keiner alternativen Buchhandlung fehlen dürfen.

Naive Buchliebhaber, wenn es sie noch gäbe, könnten sich also von der am vergangenen Freitag in der Fasanenstraße in Berlin eröffneten „Bibliothek des Konservatismus“ womöglich Abwechslung versprechen. Zumal die bereits mehrere zehntausend Bände umfassende Bibliothek nach eigener Auskunft eine Buchbinderin beschäftigt, um „alte, wertvolle Bücher“ zu restaurieren.

Nationalkonservative Stifter

Anders als im Kulturkaufhaus oder in der anarchistischen Bücherkiste lässt man den Büchern hier also scheinbar die Sorgfalt angedeihen, die nicht nur aufgebracht werden muss, um sie zu erhalten, sondern auch, um sie zu verstehen. Allerdings genügt ein Blick auf die Sponsoren, um mit solchen Illusionen aufzuräumen.

Unterhalten wird das Haus von der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF), die Restauration in erster Linie nicht als handwerkliche, sondern als politische Aufgabe versteht. Ihr Gründer war der nationalkonservative „Denker“ Caspar Freiherr von Schrenck-Notzing, ehemaliger Herausgeber der rechtskatholischen Zeitschrift Criticón, heute sitzt Dieter Stein von der rechtsradikalen Wochenzeitung Junge Freiheit im Stiftungsrat. Außerdem verleiht die Stiftung zweimal jährlich den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten.

Löwenthal, wegen seiner antikommunistischen Agitation ein Lieblingsfeind der APO, wurde im Nationalsozialismus als Jude verfolgt, sein Hass auf die Studentenbewegung erklärte sich zumindest teilweise aus seinem Gespür für die antisemitischen Untertöne von deren Kapitalismuskritik.

Preise für Journalisten der Jungen Freiheit

Doch über solche Subtilitäten geht die FKBF, die Löwenthal nur als Namenlieferanten braucht, hinweg und verleiht ihren Preis an Peter Scholl-Latour und neurechte Sprechautomaten wie Ellen Kositza („sechsfache Mutter“ und Genderkritikerin) sowie Thomas Paulwitz (Herausgeber eines Volks-Wörterbuchs), die regelmäßig die Junge Freiheit vollschreiben.

Dass ein solches Milieu Interesse am libertären Konservatismus der US-amerikanischen Neocons hat, die zu den konsequentesten Verteidigern Israels gehören, dass es aufgeklärte Konservative wie Alexis de Tocqueville oder konservative Modernisten wie Hugo von Hofmannsthal würdigt; all das ist nicht zu erwarten. Aber man braucht gar nicht solche Gründe, um der Bibliothek fernzubleiben. Das beste Argument gegen sie sind ihre vermutlichen Nutzer.

Magnus Klaue schrieb im Freitag zuletzt über Marlene Haushofer

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