Im neuen Der Freitag las ich am vergangenen Donnerstag folgenden Hinweis auf der Titelseite:
„Liebe Leser, wegen gestiegener Papierpreise- und Produktionskosten wird der Freitag teurer: Von dieser Ausgabe an kostet er 3,20 Euro am Kiosk und 2,80 Euro im Abonnement“.
Gestiegene Papierpreise also. Ich dachte sofort an die blauen Papiertonnen vor meinem Haus. Mitte des Jahres 2008 stellten verschiedene private Entsorgungsfirmen überall in Dresden, sie hatten sich den Markt vorher fein säuberlich aufgeteilt, blaue Papiertonnen auf. Die Stadt Dresden, welche die Sammlung des Altpapiers bis dahin per Wertstoffcontainer auf ca. 650 öffentlichen Standplätzen organisierte, konnte rechtlich nichts dagegen ausrichten, wollte es aber nach offiziellen Angaben auch nicht. Obwohl die Erlöse der Landeshauptstadt aus der Altpapiervermarktung dazu beitrugen, die Abfallgebühren für die Bürger seit dem Jahr 2003 stabil zu halten. Die Stadt bat die Firmen jedoch, per freiwilliger Selbstverpflichtung versteht sich, die Tonnen nur nach vorheriger Absprache mit den Grundstückseigentümern aufzustellen. Was die selbstverständlich nicht taten. In Nacht-und-Nebel-Aktionen wurden die Tonnen überall abgeworfen und aufgestellt – ungefragt. Nach dem Motto: wer zuerst abwirft, der kassiert zuerst. Die Leute würden sich, sind die Dinger erst einmal installiert, schnell daran gewöhnen und wir haben den Fuß in der Tür. Ich fand es eigentlich auch ganz toll. Wie in Leipzig schon lange üblich, schmeiße ich das Papier gleich direkt am Haus ein, spare den Weg zur Zentralsammelstelle. Wenige kritische Geister gaben zu bedenken – Altpapier hatte zu jener Zeit noch einen sehr hohen Marktwert – dass der Kommune Einnahmen entgehen (Altpapiererlöse aus der Sammlung in den öffentlichen Wertstoffcontainern 2007: rund 0,66 Mio. Euro), welche letztlich an anderer Stelle, zum Beispiel durch höhere Müllgebühren auf uns Bequeme zukommen würden. Nun ja dachte man, was soll´s. Außerdem, so der allgemeine Tenor, würden die Deregulierungen auf diesem Markt aufgrund der EU-Gesetzlichkeiten mittelfristig sowieso greifen, warum sich also aufregen. Nun begab es sich aber, dass gegen Ende des Jahres 2008 die Krise, die ja im Verborgenen schon längst lief, überall öffentlich-medial durchschlug. Die Rohstoffpreise purzelten in den Keller. Auch das Altpapiergeschäft kam ins Stocken. Die Preise fielen und das erwartete Geschäft blieb wohl erstmal aus. So ist es wahrscheinlich zu erklären, dass der private Entsorger mal kommt, mal die Tonnen wochenlang überfüllt in den Grundstücken lässt und alles so schlecht und unkoordiniert läuft, wie man es sonst gern vollstaatlichen „Schnarchunternehmen“ unterstellt. Privat ist eben immer viel besser als Staat – jedenfalls solange es sich rechnet. Wenn nicht, tja! Man konnte und kann die Tonnen – das muss hier der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden – auf Antrag auch wieder aus seinem Grundstück abholen lassen. Ich erinnere mich noch, dass damals in meiner Gegend tage- bis wochenlang überall blaue Tonnen unabgeholt herumstanden. Und zwar nicht auf den Grundstücken selbst, sondern im öffentlichen Straßenraum. Privat ist eben immer viel besser als Staat.
Der Freitag bringt mir nun die Hoffnung ans Haus, dass die ständig überfüllten und überlaufenden privaten Papiertonnen in meinem Wohnhof wieder regelmäßiger geleert werden, weil, wie ich im Freitag nun lernte, die Papierpreise wieder oben sind. Gut so.
Nun finde ich diese Begründung für die Preiserhöhung in ihrer langweiligen Lapidarität, in ihrer bodenständigen Ehrlichkeit so wahnsinnig unsexy, so uninspiriert. Viel lieber hätte ich doch gelesen, auch wenn es natürlich nicht der Wahrheit entspricht und gänzlich unrealistisch sowieso ist, dass die Preise aus Gründen erhöht werden, die einem irgendwie linken Meinungsmedium theoretisch viel besser zu Gesicht stünden. Ich hätte gern gelesen:
„Liebe Leser, weil wir unseren Redakteuren, Mitarbeitern, Volontären, freien Autoren, Lieferanten etc. gerade in Zeiten der Krise künftig mehr Geld bezahlen wollen, wird der Freitag teurer: Von dieser Ausgabe an kostet er 3,20 Euro am Kiosk und 2,80 Euro im Abonnement“.
Ergänzung vom 08.06.2010:
Kommentare 13
Mir wäre er sogar 5 euro Wert werde ich jetz bestimmt wieder zerhackt dafür
"Mir wäre er sogar 5 euro Wert werde ich jetz bestimmt wieder zerhackt dafür"
Nein, also von mir jedenfalls nicht. Ich liebe den FREITAG auch. Die Liebe ist in meinem Fall sogar noch sehr jung.
Besonders gut hat mir der Schlußsatz gefallen, schöner Beitrag!
Also die blauen Tonnen haben hier nicht lange auf der Straße gestanden. Sie dienen nun alternativ als Regentonne, Streusalz-/Sandbehältnis, Kinderspielzeug, zur Feuerholzlagerung und was immer sonst noch den Leuten dazu eingefallen ist.
@Titta
im kleinen subversiv sein, dass isses doch. blaue tonnen zu nutzbringern - oder so ;-) danke.
die preiserhöhunf ist moderat und ich werde ihn mir weiter kaufen, als einzige zeitung, die ich mir leiste...
"ich werde ihn mir weiter kaufen, als einzige zeitung, die ich mir leiste......"
und das ist auch gut so! Kommste aber insgesamt besser, wenn Du die Zeitung nicht nur kaufst, sondern wie ich, im Abo beziehst. Gewinn-Gewinn-Situation! Der Freitag hat stabilere, berechenbarere Einnahmen und Du immer Deine Zeitung bequem im Postkasten - preiswerter sogar. Die Macher freuen sich also und der Leser auch.
Vor einigen Jahren musste ich mein Fraeitag-Abo kündigen. Nicht weil mir irgendwas am Freitag nicht gepasst hätte: Der Grund war, dass ich meinen Job "verloren" hatte, keine Stelle mit Lebenunterhaltkompatiblem Einkommen mehr fand und aufgrund von Hatz4 zahlungsunfähig bin. Bei der Kündigung habe ich auch betont, dass dies nicht am Freitag liegt, sondern an den politischen Verhältnissen, die leider (bis jetzt noch?) ausserhlab unseres Einflussbereiches liegen.
Und ich stellte fest, dass Hatz4 auch ein Informationssteuerungssytem ist: Fernsehen wird unter Hatz4 subventioniert, für ein Zeitungsabo gibt es aber keinerlei Zuschuss.
Falls mal ein Gerät kaputt geht, werde ich auch vom Internet Abschied nehmen müssen.
Übrigens: Bertelsmann kaufen ihr Papier zu wesentlich günstigeren Bedingungen ein als ein kleiner Verlag.
Hoffentlich wird der Freitag nie gezwungen sein, bei Arvato drucken zu lassen.
die preise sind wirklich noch moderat, danke für diesen einblick ins alttagsgeschäft der papierverwertung ...
Vor einer Woche hat das eine Mitbloggerin schon - in ihrer ironisch-dichterischen Art - zum Thema gemacht. Hat bloß keiner richtig erkannt.
www.freitag.de/community/blogs/amanda/schnelle-feder
Wie man es auch immer begründet. Mir scheint, derFreitag ist teurer, weil er es nicht so einfach hat. Ich höre dauernd die unterschiedlichsten Meinungen und ich erlebe dauernd interessantes und weniger interessantes. Ich lese - außerhalb - Anwürfe und allerlei Theorien.
Seit ich hier blogge, lese ich mich auch immer mal wieder bei anderen Bloggern. Also ich bezahle ja sowieso.
Eine hübsche Erklärung hätte natürlich was für sich gehabt.
Liebe Claudia,
ich verstehe ziemlich genau was Du meinst. Ich bin seit einem halben Jahr ebenfalls im Hartz-IV-Bezug, weil niemand auf meine unterwürfige Bettelei um Arbeit reagiert hat - bisher jedenfalls. Aber das ist ein anderes Thema.
Ich habe mir das (ermäßigte) Abo des FREITAG indirekt (könnte ja gegengerechnet werden) zum Geburtstag schenken lassen. Außerdem und das ist vielleicht der Unterschied hatte ich noch Ersparnisse, die sowieso verfrühstückt werden müssen. Insgesamt bin ich also noch nicht so arm, wie jemand, der schon viel länger im Bezug ist. Gestern durfte ich aber erfahren, wenn das "Sparpaket" genauso durchgeht - danach sieht es aus - das ich demnächst 112 € weniger haben werde im Monat. Da ja vorgesehen ist, den befristeten Zuschuss aus Arbeitslosengeld I komplett zu streichen - der mir eigentlich nach derzeitiger Gesetzeslage noch ne ganze Weile gewährt würde. Nun weiß ich natürlich nicht, ab wann die weitergehende restlose Enteignung der unteren Schichten durch Christen und Liberale Freiheitsstatuen in Kraft tritt. Aber genug des Jammerns - wir müssen ja schließlich "alle" Opfer bringen, für stabile Währungen und Finanzmärkte in Europa.
"Eine hübsche Erklärung hätte natürlich was für sich gehabt".
Genau und nur darum ging es mir, liebe Magda.
Liebe Grüße aus DD
>>Mir scheint, derFreitag ist teurer, weil er es nicht so einfach hat.
Das sehe ich auch so.
Ein Locusblättchen, das sich über grosse Werbeanzeigen finanziert und immer den Werbekunden gefallen muss, kann zwar für Leser etwas billiger sein, wird aber niemals die Qualität des Freitag erreichen...
Just heute schreibt die "Sächsische Zeitung", dass die Blauen Tonnen per Stadtratsbeschluss wieder abgeschafft werden sollen. Aufgrund der schwankenden Marktpreise für Papier, schwankten auch Kundenorientierung und Abholfrequenz der heiligen privaten Marktteilnehmer. Wie auch immer, die Stadt möchte das Geschäft künftig wieder selbst machen bzw. wenn sie mal wieder keines machen sollte, die Tonnen trotzdem regelmäßig leeren ...
www.sz-online.de/Nachrichten/Dresden/Stadt_verbietet_blaue_Tonne/articleid-2482138