Stanislaw Tillich hatte plakatieren lassen: „Keine Faxen für Sachsen“, „Arbeitsplätze schafft man nicht mit links“ und „Der Sachse“. Und behielt recht. Nichts Neues in Sachsen, dem Eigentum der CDU.
Diesmal ist es sogar einer aus der ehemaligen DDR, ein einst staatstragender Funktionär der Ost-CDU, welcher während der laufenden Legislaturperiode dem sächsischen Volk vorgesetzt wurde (wieder mal), um viele Monate später, bestens ausgestattet mit Amtsbonus und einer ostdeutschen Herkunft, zum Ministerpräsidenten gewählt bzw. wohl eher bestätigt zu werden.
Der Letzte den die Sachsen als bloßen Kandidaten und ohne Amtsbonus wählen durften war bekanntlich „König Kurt“ Biedenkopf. Georg Milbradt, sein Absäger und Nachfolger, wurde ebenfalls in der laufenden Wahlperiode inthronisiert, um sich vom sächsischen Wahlvolk einige Zeit später absegnen zu lassen. Freilich unter Verlust der absoluten Mehrheit. Sei´s drum. Schließlich werden die Kandidaten aller Parteien intern ausgekungelt und dem Wähler vorgesetzt. Davon abgesehen wird in Sachsen traditionell ohnehin mehrheitlich CDU gewählt. Selbst wenn – wie ein älteres Bonmot lautet - zur Wahl eine blinde, dreibeinige Katze stünde. Voraussetzung: CDU steht drauf.
Tillich und seine Partei können also weitermachen. Dabei wäre endlich auch in Sachsen, nach 20 Jahren Quasi-Alleinherrschaft, eine Entfilzung dringend nötig. Diese konnte mit einer notorisch schwachen und auf unbedingter Regierungsbeteiligung beharrender SPD, welche der CDU zu keiner Zeit ernsthaft die Stirn geboten hatte und aus Angst vor Machtverlust lieber stillhielt, nicht gelingen.
Dahingehend wird sich allerdings auch mit der zukünftig mitregierenden FDP nichts ändern. Abgesehen davon, dass CDU und FDP sich ohnehin politisch näher stehen werden als die jetzt abgewählte schwarz-rote Koalition, wird die latent großmäulige und hauptsächlich durch Politschnösel repräsentierte sächsische FDP, eigentlich weniger Partei denn Werbeagentur, genauso blass aus der Legislaturperiode herausgehen, wie nun die SPD. Klar klopft Holger Zastrow jetzt ziemlich große Sprüche, was man der CDU in Koalitionsverhandlungen so alles abringen will. Am Ende sind ein paar Posten bzw. Regierungsbeteiligung an sich aber wichtiger, egal was sonst noch im Koalitionsvertrag stehen mag. Übermäßiges profilieren gegen die Sächsische Staatspartei wird es auch mit der FDP nicht geben. Nun muss das angesichts weitgehend asozialer Politikvorstellungen einer FDP auch nicht unbedingt das schlechteste sein. Und wer hofft, dass ausgerechnet durch die „Leistungsträger-Partei“ in Sachen Korruption und „Sachsensumpf“ etwas in Bewegung geriete oder beispielsweise im Bereich der in Teilen weisungsgebundenen sächsischen Justiz, der wird sehr bald, sehr enttäuscht sein. Holger Zastrow oder Jan Mücke sind eben nicht Burkhard Hirsch oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Um wirklich etwas im CDU-Staate zu ändern, bedürfte es eines echten Machtwechsels. Dafür gibt es wohl mittel- bis langfristig keine realistischen Optionen bzw. eine Mehrheit.
Was wir aus der Wahl Tillichs ganz nebenbei auch noch gelernt haben: Weder „Rote-Socken-Kampagnen“ noch „Schwarze-Socken-Kampagnen“ verfangen beim sächsischen resp. ostdeutschen Wähler. Schon gar nicht, wenn man „Wessi“ ist.
Kommentare 4
Dieser einschätzung ist wohl kaum noch etwas hinzuzufügen, außer vielleicht der link zu einer ersten analyse der landtagswahl, die der politikwissenschaftler Dr. Benjamin-Immanuel Hoff noch in der wahlnacht mit einem team zusammengestellt hat:
www.benjamin-hoff.de/article/3453.die-wahlen-vom-30-august-2009-8211-zusammenfassung-und-erste-bewertung.html
Ich finde, dass Tillich von den Sachsen so angenommen wurde, ist freilich etwas Neues und war nicht selbst verständlich! Dass er abgelehnt würde, hätte ebenso passieren können. Leider gab es keine für Lieschen Müller ernstzunehmenden Alternativen! Außerdem müsste die sächsische Linke sich doch freuen: Tillich ist für viele von ihnen doch ein alter Bekannter vom gemeinsamen antiimperialistischen Kampf in den Achtziger Jahren: Da war Tillich ja im Rat des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung tätig. Wer wie ich in dieser Zeit dort war, könnte auch sagen, das war eine gelungene Widerstandhandlung von Tillich gegen das SED-Regime! Denn außer in der MHO = Militärischen Handelsorganisation für NVA-Angehörige gab es in Kamenz damals selbst simpelste Dinge des täglichen Bedarfs dauerhaft NICHT...
Auch dass die FDP nun vom Volk der Sachsen fast so viele Stimmen wie die SPD bekam, ist eine absolute Neuigkeit! Allerdings keine Gute. Woran liegt es nur, dass im Herkunftsland von Walter Ulbricht die Linke auch 2009 immer noch so schwach ist? Mal wieder an den anderen??
Danke für den Tipp. Habe gleich mal hereingeschaut, was der Herr Hoff so macht.
Viele Grüße
So schwach sind die ja nun auch nicht. Allerdings überwiegt die "bürgerliche" Mehrheit in Sachsen. Ich schätze das sind z. T. auch noch Nachwirkungen der Biedenkopf-Ära. Der hatte ja bei seiner letzten Wahl fast 60%. Da hat sich doch schon einiges normalisiert. Der sächsischen SPD prophezeie ich allerdings ein weiteres Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit, es sei denn man bewegt sich künftig auf die LINKE zu und richtet seine Potenziale gegen den wirklichen Gegner: CDU und FDP.