Schneller Vorstoß, schnelles Dementi. Ein Kurzzeitaufreger dessen Erzeugung wohl im „Minister-Aufmerksamkeitserregungs-Handbuch“ empfohlen würde, wenn es ein solches gäbe. Ramsauer wollte wahrscheinlich nur mal Bescheid geben, dass er auch noch da ist bzw. dass es ihn überhaupt gibt. Was hat er eigentlich genau gesagt:
PnP: Schließen Sie eine Pkw-Maut und zusätzliche Belastungen für die Autofahrer aus?
Im Koalitionsvertrag, wie eilig verkündet wurde, steht nichts von Pkw-Maut, was auch stimmt. Dennoch weiß man, dass dieses Thema in der Luft liegt. Was ist auch dagegen einzuwenden, dass der Nutzer je nach Nutzungsintensität für seine Nutzung zahlt? Es besteht kein Zweifel daran, dass die Finanzierung des üppigen Autobahn- und Bundesfernstraßennetzes zunehmend schwieriger wird. Und wenn wir gebeutelten Autofahrer den ersten üblichen „Abzocke-Melkkuh-der-Nation-Beißreflex“ überstanden haben, ist Zeit sich die Dinge einmal in Ruhe anzuschauen. Wenn man ohne Scheuklappen und Schaum vor dem Mund etwas intensiver darüber nachdenkt, wird manches denkbar – sogar plausibel. Natürlich steckt die Idee noch voller Mängel und Unwägbarkeiten. Aber grundsätzlich ist eine stärkere Nutzerfinanzierung in der Zukunft machbar und sogar zwingend notwendig. Gerade im Bereich des Motorisierten Individualverkehrs ist eine höhere Kostengerechtigkeit und damit Transparenz nötig. Auch wäre eine fairere Wettbewerbssituation gegenüber anderen Verkehrsträgern, z.B. der Schiene herstellbar.
Natürlich nützt eine Pkw-Maut für Autobahnen wenig, wenn man wegen des Verdrängungseffektes die Bundesfernstraßen voller macht. Will heißen, dass eine kilometergenaue und damit gerechtere Abrechnung (im Gegensatz zur Vignette) nur dann Sinn macht, wenn das Bundesfernstraßennetz einbezogen werden würde. Ob das technisch schon möglich ist, weiß ich nicht, auch nicht, ob und welche datenschutzrechtlichen Bestimmungen oder Erwägungen dagegen sprächen. Doch sind diese Dinge mittelfristig sicher lösbar. Viel problematischer sind dagegen die mangelnde politische Durchsetzbarkeit und die üblichen Berufsschreihälse bei ADAC, VDI oder Bund der Steuerzahler etc., welche umgehend und routiniert ihr Lamento starten, wenn es um Veränderungen am Status quo im Mobilitätsbereich geht. Besonders der Steuerzahlerbund, den man komischerweise nie hört, wenn etwa, wie zurzeit in Dresden oder demnächst an der Mosel, Steuergelder in überdimensionierte und überflüssige Verkehrsprojekte gesteckt werden.
Sicher ist nur, dass der Staat irgendwann wird anfangen müssen, darüber nachzudenken, wie er den extremen Sanierungsstau am vorhandenen Straßenverkehrsnetz und die eben häufig unsinnig teuren Neuinvestitionen hereinholt. Da ist ein Mautmodell nach Nutzungsintensität und kilometergenauer Abrechnung durchaus sinnvoll. Im Gegenzug muss die Kfz-Steuer abgeschafft und meinetwegen die Mineralölsteuer gesenkt werden. Ein Schnellschuss wäre in diesem Zusammenhang allerdings kontraproduktiv. Das System muss eine ökologische und ökonomische Lenkungswirkung entfalten. Die Akzeptanz der Bürger wäre dabei zwar wichtig, wird aber vermutlich aufgrund der mächtigen Lobbys und ihrer Vertreter in den Medien nicht zu erreichen sein, weil dort Skandalisierung vor Aufklärung geht. Also bedarf es einem gewissen Handlungsdruck und Politikerinnen und Politiker die sich was trauen. Eigentlich wäre Schwarz-Gelb dafür genau die richtige Regierung. Denn das konservativ-marktradikale Regierungsbündnis kann nicht, wie beispielsweise eine Rot-Rot-Grüne Regierung, so leicht als „ideologische Ökodiktatur“ verunglimpft werden. Union und FDP gelten eben nicht per se als natürliche Feinde der freien Bürgerfahrt.
Das die Bemautung des Pkw – in welcher Form auch immer – kommen wird, ist nur noch eine Frage der Zeit. Zu vermuten ist, dass trotz aller Dementis und eilfertiger Abwiegelungen irgendwann Sachzwänge vorgeschoben werden, um ein vom Grundansatz her vernünftiges System einzuführen. Ob der Bürger dann will oder nicht. Ein Nebeneffekt könnte sein, dass der bisher recht gleichgültige Bürger und Autofahrer hinsichtlich verschwenderischer Investitionen in überdimensionierte Verkehrsinfrastruktur sensibler wird und die Politik öfter als heute fragt, ob es nicht auch eine Nummer kleiner geht.
Kommentare 8
Die PKW-Maut wäre aus ordnungspolitischer Sicht sinnvoll. Wofür man das Geld bezahlt und wofür der Staat das Geld wieder ausgibt, sollte möglichst aneinander gekoppelt sein. Die Ökosteuer ist ein gutes Beispiel dafür. Studiengebühren hingegen sind zusätzliche Gebühren, die sich nur "Besserverdiende" leisten können.
> wenn das Bundesfernstraßennetz einbezogen werden würde ist nicht nötig, denn
In Deutschland muss nicht andauernd das Rad neu erfunden werden! Warum dieser Komplex alles immer "besser" machen zu wollen?
Einfach, unbürokratisch wie in Frankreich: Autobahnen bezahlen, KFZ-Steuer abschaffen. Das reicht um Gerechtigkeit herzustellen. Und vor allem endlich die Geschwindkeitsbegrenzung vollständig auf 130km/h, auch wie in anderen europäischen Ländern.
hallo sachichma
"Und vor allem endlich die Geschwindkeitsbegrenzung vollständig auf 130km/h, auch wie in anderen europäischen Ländern."
Sehr richtig! Aber im Koalitionsvertrag steht leider explizit, dass ein Tempolimit nicht kommen wird. Und in der Tat finde ich dies aus wirtschaftlichen und ökologischen Erwägungen heraus wesentlich wichtiger als die oben diskutierte Bemautung.
Kommt noch hinzu, dass die Deutschen inzwischen in Umfragen mehrheitlich für ein generelles Tempolimit optieren (aber das kennen wir ja schon von Mindestlöhnen und Afghanistan). Die Politik könnte also handeln und den BILD-Zeitungs-Aufschrei getrost ignorieren.
Dennoch will ich darauf hinweisen, dass das französische System (Mautstellen an Zu- und Abfahrten) in Deutschland aufgrund der gewachsenen Strukturen nur unter großen Kosten einführbar ist. Es gibt einfach sehr, sehr viele Autobahnen in Deutschland und noch mehr Ab- und Auffahrten. Die Franzosen haben viele ihrer Autobahnen gleich "mautsystematisch" strukturiert gebaut. Das ist schon ein großer Unterschied. Nein, ich denke mittelfristig wäre für die deutsche Situation eine technische Lösung (ähnlich Lkw-Maut) die sinnvollere. Zumal die Technologie ja schon in Betrieb ist ...
Realitätsferne Diskussion von Großstädtern (Dresden, Paris, Kiel)
Ihr fahrt parallel zu Ramsauer. Der kommt aus dem größten Flächenland der Bundesrepublik (da gibt's doch bestimmt Lobby-Interessen).
Tempolimit 130. Schön wär's. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit bei längeren Autobahnfahrten beträgt unter 100 km/h.
Ich bin kein Autonarr, aber ich möchte mich praktikabel und günstig fortbewegen können. Die Mautgebühr für PKW nutzt finanziell auch den Betreibern der Mautsysteme.
luggi (mit Auto alt und klein)
@luggi
Niemand nimmt Ihnen die Möglichkeit sich "praktikabel und günstig" fortzubewegen. Es wäre nur gerechter, wenn z.B. Ihre Autofahrten kilometergenau abgerechnet werden könnten. Heute zahlen Sie gewissermaßen indirekt und unabhängig von tatsächlicher Fahrleistungen pauschal. Beispielsweise Kfz-Steuern. Die würden ja wegfallen. Gleichzeitig könnte die Mineralölsteuer gesenkt werden etc. Ich sage ja nicht, dass das schon alles richtig ausgegoren ist, aber eine solche Beteiligung der Nutzer nach Gebrauch wird kommen, früher oder später. Und das Flächenlandargument ist auch eine Scheindebatte. Wenn das Autofahren nicht seit jeher und fortgesetzt gegenüber Alternativen bevorzugt werden würde, hätten wir auch in der Fläche noch leistungsfähige und preiswerte ÖPNV-Systeme. Die Öffentlichen sind insofern gegenüber dem Auto sicher nicht konkurrenzfähig (in der Fläche), dass könnte sich aber ändern, wenn Kostengerechtigkeit hergestellt würde. Wir haben eigentlich heute schon einen großen Bedarf. Gerade in der Fläche, wo eine zunehmend alternde Bevölkerung eine gesicherte Mobilität bräuchte. Gerade dort ist die einseitige Auto-Orientierung eine tickende Zeitbombe.
"Ihr fahrt parallel zu Ramsauer. Der kommt aus dem größten Flächenland der Bundesrepublik (da gibt's doch bestimmt Lobby-Interessen)."
Es geht hierbei angeblich um eine Unterbindung des Tanktourismus. Wenn das ein "Lobby-Interesse" ist, dann ist es eins. Aber Luggi ich glaube hauptsächlich geht es darum, dass sich die Bundesländer überlegen müssen, wie sie in Zukunft ihren Verkehrssicherungspflichten nachkommen sollen und ihre maroden Infrastrukturen erhalten können. Denn es macht sich der durchschnittliche deutsche Autofahrer, dass ist auch eine Wahrheit, selten Gedanken darüber, wie teuer Verkehrsinfrastruktur an sich ist und was außerdem noch an externen gesellschaftlichen Kosten dazukommen (Belastung des Gesundheitssystems durch Unfälle, Lärm, Emission etc. pp.).
@ mahung
Jetzt nur kurz, weil ich noch etwas erledigen muss. Bei uns ist das "Land" Sonntags mit Buslinien quasi totgelegt. Willst du deinen kranken Verwandten besuchen, und wohnst in einem Dorf, kannst du keinen Bus benutzen. Sonntags fahren nur ganz wenig Linien.
Fahrradmitnahme in Regionalzügen, bis auf wenige Ausnahmen, ist seit einigen Monaten kostenpflichtig und wird scharf kontrolliert. War vorher kostenlos.
Zeitdauer der Fahrt zur Arbeitsstelle: mit Kfz. ca. 50 min, mit ÖPNV 2 Stunden 15 Minuten einfache Fahrt. Für jemanden aus einem der umliegenden Ortschaften kann sich die Situation noch extremer gestalten.
Der Preis meiner Kfz.-Steuer hält sich in Grenzen; was ist mit denen mit 5 und mehr Kfz.? Steuer soll ja wegfallen.
Die Lösungsansätze greifen zu kurz.
luggi
@luggi
"Die Lösungsansätze greifen zu kurz."
Das mag sogar stimmen. Aber angefangen werden muss. Ein weiter so, können wir uns in jeder Hinsicht nicht leisten.
Die Beschreibung Ihrer persönlichen Situation leuchtet mir ein und ist mir auch allgemein bekannt. Ich schrieb ja explizit, dass die Fläche bewusst (wir sind ein Auto-Lobby-Land) vom ÖPNV abgehängt worden ist. Das er derzeit in den meisten Gegenden heute keine praktikable Alternative zum Auto ist, sagte ich ja bereits. Aber das wird sich in Zukunft ändern müssen!
Mobilität im ländlichen Raum: Nur mit Auto möglich?
Hier mal eine interessante Gegenposition von Professor Mohnheim. Zum ländlichen Raum ab Seite 2 unten. Aber auch der komplette Artikel ist sehr lesenswert, da er sich traut, jenseits des Mainstreams zu denken:
www.autofrei.de/wb/media/Konf98Bonn/monheim2.pdf