Eine tolle Überleitung gelang Anne Will in ihrer gestrigen Sendung „Zwischen Unrechtsstaat und Ostalgie – neuer Streit um das DDR-Erbe“ zu den folgenden Tagesthemen. Sie fragte Tom Buhrow nach den Themen der Sendung und der antwortete: Schweinegrippe. Also vom Schweinestaat zur Schweinegrippe. Als einen solchen sieht Hubertus Knabe die ehemalige DDR. Auch wenn er das nicht so sagen würde. Für ihn war es ein Unrechtsstaat. Punkt. Das einzige was ihm aus diesem Land positiv in Erinnerung geblieben ist, auf eine Frage von Anne Will antwortend, ist Wolf Biermann, welcher ja bekanntlich gern bestimmte Ex-DDR-Bürger als Arschlöcher bezeichnet und immerhin den Krieg im Irak richtig und wichtig fand. Schweinestaat wäre wahrscheinlich die Rhetorik des von Hubertus Knabe verehrten Biermann und Knabe nennt es eben Unrechtsstaat.
Nämlicher Unrechtsstaat wird vom Historiker Knabe wie immer konsequent geschichtsvergessen proklamiert und seiner historischen Einordnung zugeführt: Hohenschönhausen, Mauertote, Bautzen, Schwedt etc. Das war die DDR meint Knabe und findet, wie immer, auch in der gestrigen Fernsehsendung keinen anderen Zugang zum Thema. Auch die Gleichsetzung DDR = Drittes Reich fehlte am Ende nicht.
All dies ist natürlich gut für die Popularität „seiner“ Gedenkstätte und natürlich vergaß er auch nicht, sein jüngstes Buch zu erwähnen, in welchem er die wirklich wahrste Wahrheit über die LINKE und natürlich Honeckers Erben aufgeschrieben hat.
Die drei anderen Diskussionsteilnehmer fuhren im Großen und Ganzen ihre ebenfalls recht erwartbaren Statements auf, welche schon etwas nach Wahlkampf rochen. Amüsant immerhin die Frage des LINKEN-Vertreters Ulrich Maurer, ob denn die USA, wegen ihrer kriminellen Folterpraxis im Zusammenhang mit dem Terrorkampf, streng genommen, nicht auch ein Unrechtsstaat seien. Freilich ließ der Rest der Runde einen solchen Vergleich nicht gelten. Solche Gedankenexperimente sind im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, zumal zur Primetime, nicht wirklich diskutierbar. Dieser Vergleich ist wohl nicht zulässig; der Vergleich SED-NSDAP hat es da schon etwas leichter.
Wolfgang Thierse gelang es in dieser doch recht vorhersehbaren Diskussion dennoch am besten, die bornierte Einseitigkeit Knabes auf den Punkt zu bringen, indem er Knabe ins Stammbuch schrieb, dass dessen speziell undifferenzierter Umgang mit der Geschichte und den Biografien der DDR-Bürger lediglich dazu geeignet sei, noch den letzten zufällig in der DDR gelebt habenden Menschen, zu einem Verteidigungsreflex zu nötigen. Und zwar nicht nur die üblichen Verdächtigen der Früher-war-alles-besser-Fraktion, der Ostalgiker und Stasi-Rentner, sondern die meisten anderen auch. Richtig auch der Hinweis, dass offener und damit gefährlicher Widerstand die Erfahrung eines sehr geringen Prozentsatzes der DDR-Bevölkerung war und die reale Repressionsmaschinerie eben keine Kollektiverfahrung der DDR-Bürger war, ja nicht sein konnte. Deshalb fühlen sich viele letztlich bevormundet und was viel schwerer wiegt, um ihre Biografie beraubt. Sie möchten sich ihr Leben in der DDR nicht ständig vorwerfen lassen – zumal nicht von Menschen, welche nie unter solch speziellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen leben und arbeiten mussten.
Knabes Anliegen, den repressiven, brutalen und unmenschlichen Teil der DDR museal zu bewahren und vor dem Vergessen zu bewahren, ist an sich ehrenwert und wichtig. Gerade weil das Wissen über diese Zeit - in Ost und West gleichermaßen - erschreckend dünn zu sein scheint, vor allem bei den jüngeren Leuten. Dennoch ist die Art wie er es tut kontraproduktiv, ignorant und von traurig biermannscher Unreflektiertheit. Das provoziert Abwehrreflexe, welche im Sinne einer geschichtlichen Aufarbeitung nur von Nachteil sein können. Letztlich arbeitet Knabe mit dieser Holzhammermethode seinen ärgsten Feinden in die Hände. Was sehr schade ist.
Kommentare 4
Mir hat Thierse auch am besten gefallen. Knabes Einlassung über Nationalsozialismus/ DDR habe ich etwas anders verstanden: Meinte er nicht das fast reflexhafte Verdrängen der Betroffenen, in der DDR später wie auch beim Nationalsozialismus - dass Ihnen nach so einem Zeitraum plötzlich nur noch das Positive einfällt?
Trotzdem ein fataler Vergleich, und die Wirkung war vorherzusehen: Maurer klammerte sich auch hartnäckig daran, um Knabe in eine ganz bestimmte Ecke stellen zu können.
Überhaupt war er für mich die schwächste Figur in der Runde, rhetorisch schlecht, demagogisch, einseitig, fast verbohrt, und ich frage mich, welche selbstzerstörerische Ader die Linken immer wieder dazu bewegt, solche Leute zu Talk-Shows zu schicken...
Hallo Anna,
zufällig habe ich diese Sendung auch gesehen. Mein Artikel darüber (Anne will kann aber nicht) wird dir bestimmt nicht gefallen. Meiner Meinung nach hat Thirse unerträglich langatmig dummes Zeug geredet. Der Knabe war ein solcher. Unsäglich. Schäuble zu dem Thema ist ein absoluter Griff daneben. Der Vergleich von Maurer war richtig. Jetzt haben wir ein Thema bei dem wir uns fetzen können ;-)
Es zeigt schon Wirkung bei dir. Wenn du sagst: "Meinte er nicht das fast reflexhafte Verdrängen der Betroffenen, in der DDR später wie auch beim Nationalsozialismus - dass Ihnen nach so einem Zeitraum plötzlich nur noch das Positive einfällt?" dann verharmlost du den Nationalsozialismus. Darum geht es denen.
@Anna Dorothea
Ich verstehe Knabe und andere nicht so wie Sie. Die meinen das nicht nur im Hinblick auf die Verdrängung oder das nicht Wahrhaben wollen der Vergangenheit, sondern setzen die politischen Systeme gleich. Das aber ist schlimmste Verharmlosung der Verbrechen der Nazis (auch der heutigen Nazis, wenn zum Beispiel NPD und die LINKE gleichgesetzt werden). Hier möchte ich abermals Prof. Dr. Ulrich Bröckling zitieren, der in einem
Zeitungsinterview u. a. sagte: "Die Gleichung Rechts gleich Links ist eine Verharmlosung rechter Gewalt und der neonazistischen Ideologie. Die Positionen, die seitens der Linken, auch der radikalen Linken in Bezug auf Freiheit, Vielfalt und menschliche Entwicklungsmöglichkeiten formuliert werden, unterscheiden sich fundamental von den völkischen, rassistischen Vorstellungen, wie Sie die Rechte propagiert. Dieser Gegensatz wird unterschlagen." Weiterhin geht es mir gegen den Strich, dass Vertreter der LINKEN unisono als Demagogen, Populisten oder Staatsfeinde tituliert werden, nur weil es alle Mainstreammedien seit Jahren auch so machen. Ich fand Maurer nun nicht besonders gut bei Anne Will, aber einseitig, verbohrt und demagogisch war nur einer: Hubertus Knabe. Aber dem lässt man es durchgehen, wahrscheinlich weil er im Bereich der FDGO groß wurde (und nicht über die WASG zur LINKEN gekommen ist). Die derzeit schlimmsten Populisten und Staatsfeinde, auch darauf habe ich schon an anderer Stelle hingewiesen, sind innerhalb von FDP und in Teilen des Wirtschaftsflügels der CDU zu finden. Die LINKE vertritt genuin sozialdemokratische Ideen, welche der SPD beim Marsch in die Mitte abhanden gekommen sind. Das ist in meinen Augen völlig legitim und sogar notwendig im demokratischen Sinne. Oskar Lafontaine ist nicht anders populistisch und demagogisch, als beispielsweise Seehofer, Söder oder Westerwelle. Aber allein er wird explizit dafür kritisiert. Das was er schon als Minister im Kabinett Schröder vertreten hat, hat er seit dem weiter vertreten, mehr nicht. Nehmt die Finanzmärkte an die Kandare, reguliert und kontrolliert, sonst tanzt euch die Finanzkrake auf der Nase rum. So ist es gekommen. Und wenn die Krake durch Staatsknete wieder aufgepäppelt ist, tanzt sie wieder und dreht allen eine Nase. Wer sie aber bekämpfen will, wirksam und konsequent - der ist ein Populist, unberührbar. Wenn Herr Maurer zu Recht auf Scheinheiligkeit hinweist, weil seinerzeit die DDR stützende Figuren wie Althaus, Tillich, Cornelia Pieper etc. heute angesehene Politiker des Landes sind, andere aber auf ewig die politischen Schmuddelkinder, nur weil sie nicht in einer Blockpartei die DDR am Laufen hielten, sondern in der Originalpartei. Diese Doppelmoral regt mich auf und nötigt mich förmlich, die LINKE zu verteidigen, auch wenn ich eigentlich nicht ihr Parteigänger bin.
Dieser Knabe ist unerträglich.