Aus Godzilla wird ein Elefant

66. Berlinale Doris Dörries Film "Grüße aus Fukushima" bestätigt eine sehr persönliche Japan-Erfahrung der Autorin dieser Zeilen.

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Stimmung

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Kurzkritik

Maggie's Plan von Rebecca Miller
Der Film lässt sich wohl am ehesten als romantische Komödie auf hohem Niveau beschreiben und ist sicherlich nur für Menschen geeignet, die sich auf so etwas einlassen mögen. Das Ganze spielt im Akademikerumfeld, so werden Witze mit Žižek gemacht, ein wissenschaftlicher Podiumsstreit ist eigentlich ein Ehe-Krach und die Figuren forschen in Gebieten, von denen bisher vermutlich kaum jemand gehört hat. Die Dialoge sind amüsant und niemals platt - ich fühle mich gut unterhalten.

Maggie (Greta Gerwig) kommt zwar mit lockigem Haar, in braven Kleidchen und mit Kniestrümpfen daher, ist jedoch die, die genaue Vorstellungen von allem hat. Sie will zum Beispiel ohne Mann ein Kind bekommen und wir dürfen zusehen, wie sie eine Selbstbefruchtung in der Badewanne durchführt. Doch dann kommt sie mit John (Ethan Hawke) zusammen, dessen Ehe mit der superintellektuellen Georgette (Julianne Moore) gescheitert ist. Diese hat eine strenge Frisur, trägt enge Hosen, hohe Schuhe, immer ein Oberteil aus Plüsch, Fell oder ausgefallener Wolle und ist neurotisch, egozentrisch und kompliziert. Das Tolle: am Ende des Films mag man sie dennoch. Als die Ehe zwischen Maggie und John ebenfalls zu scheitern droht, will Maggie wie immer alles in die Hand nehmen und schmiedet einen Plan, in dem auch Georgette vorkommt. Die beiden Frauen dominieren ganz klar den Film und so ist das wohl auch hinter der Kamera.

Ich freue mich, später auf der Pressekonferenz zu hören, dass Hawke endlich zum ersten Mal mit einer Regisseurin zusammen gearbeitet hat (leider war er nicht anwesend) und es wurde mehrfach erwähnt, wie viele Frauen an dem Film beteiligt waren. Eigentlich jedoch nervig, dass das immer noch überhaupt erwähnenswert ist.

Einer der schönsten Momente in Maggie's Plan: Als eine kanadische Band Dancing in the Dark von Springsteen intoniert und alle dazu tanzen: You can't start a fire without a spark. (4/5)

Grüße aus Fukushima von Doris Dörrie

Ja, ja, ja! In dem Film begibt sich Marie aus einer Lebenskrise heraus im Auftrag von Clowns4Help in ein Container-Dorf (Clowns kommen jedoch zum Glück nur kurz vor), in dem Menschen leben, die aus der verstrahlten Gegend um Fukushima evakuiert wurden - und scheitert an dieser Aufgabe. Sie geht jedoch nicht wieder zurück, sondern leistet der letzten Geisha aus der Gegend Gesellschaft, die das Container-Dorf verlassen hat, um wieder in ihrem alten, jedoch verfallenen Haus zu leben. Marie hilft ihr beim Wiederaufbau und gemeinsam stellen sich die beiden Frauen ihrer Vergangheit und ihrem Schmerz.

Ich mochte Dörries Art der Auseinanderstzung mit Japan bereits in Hanami. Denn im Gegensatz zu Lost in Translation, den ich nur noch schwer ertrage, weil in ihm das Unbekannte lächerlich gemacht und ausgestellt wird, sind es bei Dörrie höchstens die Deutschen, die das Nachsehen haben. Ihr neuer Film spielt nun ausschließlich in Japan, ist in schwarz-weiß gehalten und hat ein langsames, ruhiges Erzähltempo. Auf der Berlinale sah ich in verschiedenen Jahren die beiden Nuclear Nation Dokumentationen, welche Menschen aus der Fukushima-Region begleiten, die Monate in einer leerstehenden Schule und später in einem Container-Dorf verbringen müssen. Ich sah, wie sie zum ersten Mal ihre verwüsteten Häuser aufsuchten und Grüße aus Fukushima scheint mir nun die bestmöglichste Fiktion zu diesem Thema zu sein. Ein toller Film. (5/5)

Sexy

Julianne Moore verehre ich spätestens seit Shortcuts von Robert Altman. (Mit 23 konnte man mich tatsächlich damit in Erstaunen versetzen, dass in einem normalen Film eine Frau ohne Unterhose durch die Wohnung läuft, während sie sich mit ihrem Mann unterhält.)

Ihr wohnt ein sonderbarer Zauber inne, wirkt sie doch so ätherisch, unnahbar und weich gleichermaßen.

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WTF?

Liebe Maike, bitte verwende morgens zur Portionierung des Matcha-Tees wieder einen kleinen, keine großen Löffel, um in Zukunft Kreislaufprobleme und Schweißausbrüche im Laufe des Tages zu vermeiden. Dein Körper.

Japan

In Grüße aus Fukushima prallen eine elegante Geisha und eine junge, ungeschickte Frau aus Deutschland aufeinander. Mehr als einmal bezeichnet Satomi die große, nicht unbedingt zierliche, aber schlanke Marie als Elefant. Ja, denke ich. Genau so. Genau so fühle ich mich in Japan auch immer. Ich bin 1,74 m groß, habe breite Schultern und wiege viel im Vergleich zur durchschnittlichen japanischen Frau. Immer, wenn ich in Tokio in der Bahn sitze, muss ich die Arme vor dem Körper verschränken, um die Menschen neben mir so wenig als möglich zu berühren. Ich fühle mich in Japan generell zu groß, zu breit, zu gewaltig. In den normalen Geschäften finde ich weder Schuhe, noch passende Kleidung. Ich bezeichne mich in diesem Zusammenhang häufiger als Godzilla - aber vielleicht wechsele ich nun einmal das Tier. Ich trage schließlich ohnehin schon den ganzen Winter graue Kleidung. Törööö.

Tatsächlich stelle ich mir gerade sehr ähnliche Fragen wie die deutsche Protagonistin in dem Film, wenngleich es keinen plötzlichen, eher eine schleichenden Schmerz gibt, der mich nach Japan drängt. Ich maße mir auch nicht an, Menschen dort helfen zu können. Doch ich wünschte, ich hätte dann auch eine Satomi, die mir zeigt, wie ich Tee zubereite und mir von Geistern erzählt. Immerhin werde ich einem traditionellen Haus in einem Vorort von Tokio leben, gemeinsam mit einem jungen, japanischen Mann, der offenbar gerne meditiert, und wechselnden Airbnb-Gästen im dritten Schlafzimmer der Wohnung.

Ich bin übrigens froh, den Film mit Untertiteln gesehen zu haben - und nicht synchronisiert wie es im Trailer oben der Fall ist. Die beiden Frauen sprechen Englisch miteinander und ansonsten eben Japanisch oder Deutsch. Viele Kleinigkeiten waren gar nicht untertitelt und es hat mich sehr gefreut, dass ich sie dennoch verstanden habe, sie mir bereits vertraut waren.

Lobhudelei

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Nachgereicht zum kleinen Selfie-Exkurs sei hier der aktuelle SWR2-Essay-Podcast Das geteilte Selbst, der sich der üblichen Kritik an entgegenstellt: Selfies als Existenzbeweis und Kunstform.

Konsum

Matcha-Latte, Käsebrötchen, Marzipan-Croissant, Cola, Leitungswasser, gemischter Sala, Pretzl Pieces mit Cheddar-Geschmack, eine Packung Taschentücher, eine Ibuprofen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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